Pasolini und das italienische Kino der 60er Jahre
(Photos © Österreichisches Filmmuseum)
Wann? Von 8. 1. 2009 bis 9. 2. 2009
Wo? Österreichisches Filmmuseum, Augustinerstraße 1, 1010 Wien (im Gebäude der Albertina)
Nach amerikanischen Beziehungsschwierigkeiten dreht sich im Filmmuseum bis Anfang Februar alles um Bella Italia. Reinhard Jud begibt sich auf einen Streifzug durch die Filmlandschaft nach dem Neorealismo, rund um die Cinecittà und darüber hinaus - von "8 1/2" zum "Nachtportier". 19.01.2009
"Pasolini und das italienische Kino der 60er Jahre" lautet der Titel der Retrospektive, die noch bis zum 9. Februar im Österreichischen Filmmuseum zu sehen ist. Nach leichtfüßigen Screwball-Comedies stehen die kommenden Wochen also ganz im Zeichen etwas schwierigerer, aber nichtsdestotrotz sehenswerter filmischer Kost. 40 Werke von 1985 bis 1971 hat Kurator Olaf Möller für das Projekt zusammengetragen, darunter auch 12 Filme von Pier Paolo Pasolini, dessen Name dank des damaligen Skandalwerks "Die 120 Tage von Sodom" auch Nicht-Cineasten ein Begriff ist.
Ende der 40er Jahre war Pasolini nach Rom gekommen, aus seiner Heimat im Friaul vertrieben wegen homosexueller Handlungen. Er hatte im Subproletariat der Vorstädte eine neue Welt entdeckt, über die er in seinem Roman "Ragazzi di vita" schrieb; bei der Veröffentlichung Mitte der 50er Jahre gab es einen Skandal wegen Obszönität. Zu dieser Zeit verkehrte Pasolini bereits mit Elsa Morante und Alberto Moravia, den berühmten italienischen Literaten. Und er hatte auch erste Kontakte zur Filmwelt geschlossen. Gemeinsam mit Giorgio Bassani schrieb er das Drehbuch für "Flucht in die Dolomiten" von Luis Trenker. Er arbeitete für Carlo Lizzani und kam schließlich in den Dunstkreis von Federico Fellini, wie Pasolini ein Zugereister aus dem Norden, dem er bei nächtlichen Ausfahrten ein diesem bisher unbekanntes Rom zeigte.
1960, nach dem Erfolg von Das süße Leben, wollte Fellini eine Produktionsfirma gründen, um mit jungen Regisseuren wie Marco Ferreri, Ermanno Olmi, Vittorio De Seta und Pasolini das Kino neu zu erfinden. Als Pasolini bei Testaufnahmen mehrmals die Kamera ausfiel, machte Fellini einen Rückzieher. Für Accatone fand sich schließlich ein anderer Produzent.
Von da an beschritt Fellini alleine Neuland. Kritiker überschlugen sich 1963 bei seinem nächsten Film 8 1/2 vor Begeisterung. Wie zuvor James Joyce und Italo Svevo in der Literatur hatte der Regisseur für den Film Türen aufgestoßen zur introspektiven, freien Assoziation. Bei "Julia und die Geister" 1965 fielen die Reaktionen wesentlich kühler aus. Fellinis Verhältnis zu seinem Drehbuchautor Ennio Flaiano war in die Krise geraten; der Autor zeigte sich verärgert über die Eitelkeit des Regisseurs, der beim Flug zur Oscar-Verleihung ausschließlich für seine eigene Person Business Class in Anspruch nahm. Das führte dazu, daß sich Fellini nach der Trennung bei seinem nächsten Film "Il viaggio di G. Mastorna" restlos in den Dekorationen verloren sah und das Projekt, eine Konfrontation mit Alpträumen und Todesnähe, aufgeben mußte.
Flaiano wollte nach einem Aufenthalt in den USA endlich einen eigenen Spielfilm inszenieren: "Melampus", die Geschichte einer Geliebten, die sich in eine Hündin verwandelt. Nachdem ihm der Auftrag vom Produzenten entzogen wurde, starb er an einem Herzinfarkt. Marco Ferreri inszenierte den Stoff 1972 unter dem Titel "Die Hündin".
Das saure Leben
Flaiano hat auch am Drehbuch von Michelangelo Antonionis "Die Nacht" mitgearbeitet. Der Film zeigt auf seinem Höhepunkt eine Party von Industriellen in Mailand und ist thematisch nicht weit entfernt von "Das süße Leben", in der Inszenierung allerdings wesentlich spröder und abstrakter. Neben Fellini und Luchino Visconti etablierte sich Antonioni mit "Der Schrei" (1957), "Das Abenteuer" (1960), "Die Nacht" (1961) und "Liebe 62" (1962) als dritter Meisterregisseur.
Der Neorealismus ist überwunden, erfährt der Protagonist von Luciano Bianciardis Roman "Das saure Leben", als er nach Mailand kommt, um über eine Firma zu schreiben, die ein Grubenunglück in der Provinz zu verantworten hat. Um zu überleben, verlegt er sich auf Übersetzungen, unterbezahlt und nur in Akkordarbeit zu bewältigen; seine Heimat, Frau und Kind vergißt er.
Italien befand sich Anfang der 60er Jahre im Modernisierungsschub. Maßgebliches Zentrum der Industrialisierung war das geschäftige Mailand. Täglich kamen ganze Familien aus dem Süden am Bahnhof an, um Arbeit zu finden und ein neues Leben zu beginnen. Davon handelt Viscontis Rocco und seine Brüder (1960), mit Anleihen bei Dostojewski eine Art literarisch überhöhter Neorealismus, der damals auf vehementen Widerstand der Kritik stieß, heute aber in seiner Körperlichkeit weit weniger antiquiert wirkt als Antonionis sinnbildlicher Modernismus. Einen weiteren Gegenentwurf dazu schuf Visconti 1963 mit Der Leopard, dem Epos über eine sizilianische Familie im 19. Jahrhundert zur Zeit Garibaldis, nach einem Roman von Giuseppe Tomaso di Lampedusa, der Ende der 50er Jahre vom Mailänder Verleger Giangiacommo Feltrinelli herausgebracht wurde.
Feltrinelli, der linksgerichtete Sohn eines reichen Unternehmers, hatte bereits mit der Veröffentlichung von Bosis Pasternaks "Dr. Schiwago" gegen die Doktrin der kommunistischen Partei verstoßen. Ein ganzes Jahrzehnt lang sollte er sich als Impulsgeber für einen dritten politischen Weg behaupten - er stand in einem Nahverhältnis zu Fidel Castro, Régis Debray (dem umstrittenen Gefährten von Che Guevara) und Rudi Dutschke. Er kannte auch Bob Dylan und Andy Warhol, in seinen Buchhandlungen standen Flipper-Automaten, und es wurde zu den Schallplatten einer Musicbox getanzt.
Für die junge Generation schien eine Erneuerung greifbar, in letzter Konsequenz aber massiv gehemmt durch die Last der Tradition, die bürgerliche Ordnung, die vor allem durch die Familie aufrechterhalten wurde. Von daher taucht nicht von ungefähr in den Filmen der Nachwuchsregisseure das Motiv vom Inzest als subversive Handlung, als letzter Akt der Auflehnung gegen das Überkommene auf: in Bernardo Bertoluccis zweitem Film "Vor der Revolution" (1964), in Marco Bellocchios Mit der Faust in der Tasche (1965), in Salvatore Samperis "Des Teufels Seligkeit" (1967). Ein zweites Motiv ist die Krankheit, in die sich die lebensuntauglichen Protagonisten flüchten, was in "Des Teufels Seligkeit" in einem Euthanasiespiel endet. In den weiteren Filmen von Bellocchio und Samperi sollten sich die Helden der äußersten Linken verschreiben.
Im tiefsten Süden
Das Mezzogiorno, die Regionen südlich von Rom, vor allem Sizilien, galt immer als der geheimnisvolle, exotische Teil Italiens. Anfang der 60er Jahre gaben die Verhältnisse dort in ihrer Rückständigkeit noch Stoff für Komödien ab, wie Mario Bolignis "Der schöne Antonio" oder Pietro Germis "Scheidung auf Italienisch", beides Filme mit Marcello Mastroianni als faules und verwöhntes Muttersöhnchen in der Hauptrolle.
Durch die Filme der Vertreter eines kritischen Realismus sollte sich bald ein zweites Szenario unter der belächelten Oberfläche zeigen, geprägt von Gewalt, Korruption und mörderischen Intrigen von verbrecherischen Clans, Politikern, Bürokraten und der Obrigkeit der Kirche. Einer der ersten dieser Regisseure war der Neapolitaner Francesco Rosi, der bereits bei "La terra trema" als Regieassistent von Visconti Erfahrungen gesammelt hatte. 1958 drehte er sein Debüt "Die Herausforderung", 1959 in Norddeutschland "Auf St. Pauli ist der Teufel los", 1962 "Wer erschoß Salvatore G.?", 1963 Hände über der Stadt.
So reißerisch und emotional, wie Rosis Filme auf dem ersten Blick erscheinen, erschöpfen sie sich nicht in vordergründiger Kolportage, sondern folgen ausgedehnten Recherchen, besonders wenn es um Biographien wie die von Salvatore Giuliano geht, eines Banditen im Dienst der Mafia mit dem Status eines Volkshelden; die des Politikers Enrico Mattei in "Der Fall Mattei" (1971), der das Monopol der internationalen Erdölkonzerne brechen wollte; oder auch die des Gangsters Lucky Luciano, der einen republikanischen Gegner von Roosevelt im Wahlkampf unterstützte - zu sehen im gleichnamigen Film von 1973.
Elio Petri, geboren in Rom, arbeitete in den 50er Jahren als Filmkritiker und Assistent von Giuseppe di Santis, einem Neorealisten, der sich sehr souverän an Elementen des Kriminalfilms bediente. Petri drehte 1966 den Mafia-Thriller "Zwei Särge auf Bestellung" nach dem gleichnamigen Roman des Sizilianers Leonardo Sciascia, 1969 "Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger" und 1971 die Politsatire Die Arbeiterklasse geht ins Paradies.
Und schließlich Damiano Damiani: Er stammte aus dem friedliebenden nördlichen Friaul, ging als Comics-Zeichner nach Rom, drehte 1961 "Insel der verbotenen Liebe" nach dem Roman von Elsa Morante und 1963 "Die Nackte" auf Grundlage von Alberto Moravias "La Noia". Damiani gilt als berüchtigt für die härtesten, maßlosesten, drastischsten Mafia- und Polit-Thriller, beginnend mit Der Tag der Eule (1967) mit Franco Nero und Claudia Cardinale, wieder nach einer Vorlage von Leonardo Sciascia, bis zu "Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert" (1971) und "Girolimani, das Ungeheuer von Rom" (1972).
Seit den 80er Jahren herrscht ein Konsens darüber, daß politische Intrigen in Filmen nichts verloren haben und demgegenüber die menschliche Leidenschaft vorgezogen werden muß. Im italienischen Film der 60er und frühen 70er Jahre standen die beiden Pole in einem gut funktionierenden Wechselverhältnis, wenn dieses Verhältnis nicht überhaupt, wie in den Sciascia-Verfilmungen "Der Tag der Eule" und "Zwei Särge auf Bestellung" als Perfidie denunziert wurde: die Vorspiegelung menschlicher Leidenschaft zur Verschleierung großangelegter Intrigen.
Die Revolution
Eine Ausnahmestellung im italienischen Film beanspruchte das Team aus Regisseur Gillo Pontecorvo und Drehbuchautor Franco Solinas. Pontecorvo stammte aus dem Großbürgertum und betätigte sich anfangs dokumentarisch; Solinas kam aus ärmlichen Verhältnissen in Sardinien und war in Rom als Journalist und Mitarbeiter an diversen Drehbüchern beschäftigt. Sein erster und einziger Roman "Fischer im Netz" wurde 1957 von Pontecorvo unter dem Titel "Die große blaue Straße" mit Yves Montand und Alida Valli in den Hauptrollen verfilmt. 1959 schrieb Solinas das Drehbuch für Pontecorvos "Kapo", eine frühe Auseinandersetzung mit dem Konzentrationslager, 1966 die Vorlage für Die Schlacht von Algier. Der Film behandelt den algerischen Generalstreik 1957 und die Aktivitäten der Befreiungsbewegung FLN, für die Pontecorvo eindeutig Position bezog.
Solinas hatte bereits am Drehbuch für Francesco Rosis "Wer erschoß Salvatore G.?" mitgearbeitet, der mit seinen Landschaftstotalen und Großaufnahmen von Gesichtern neben Kurosawas "Yojimbo" großen Einfluß auf die Konzeption des ersten Italowesterns, Sergio Leones "Für eine Handvoll Dollar" (1964), ausüben sollte. Solinas schrieb danach die Drehbücher für Damiano Damianis "Töte Amigo" (1966) mit Gian Maria Volontè, Klaus Kinski und Lou Castel, und Sergio Solimas "Der Gehetzte der Sierra Madre" (1966) mit Lee van Cleef und Tomas Milian - Revolutions-Western mit visuellen Anleihen bei Sergej Eisensteins "Que Viva Mexico", in denen er auf triviale Weise Frantz Fanons Kritik an der Kolonialpolitik, die Einflußnahme der USA nach der Monroe-Doktrin und die Aktivitäten der Geheimdienste zur Destabilisierung lateinamerikanischer Länder dramatisierte. Pasolini zeigte sich damals vom politischen Italowestern begeistert und spielte an der Seite von Lou Castel den revolutionären Priester in "Mögen Sie in Frieden ruh´n" (1966) von Carlo Lizzani.
Für Solinas folgte noch das Buch für Sergio Corbuccis "Mercenario - Der Gefürchtete" (1968), dann verließ er das Genre, um sich Pontecorvos bis dahin ambitioniertestem Projekt "Queimada!" (1969) mit Marlon Brando in der Hauptrolle zu widmen. Der Film behandelt einen inszenierten Sklavenaufstand in der Karibik; Brandos Rolle als Beauftragter eines britischen Großkonzerns geht auf den amerikanischen Abenteurer William Walker und dessen Beutezug in Nicaragua zurück.
Die Hoffnungen, die auf Befreiungsbewegungen in der dritten Welt gesetzt wurden, erwiesen sich bald als falsche Romantik. Ganz sicher lassen sich aber Befürchtungen hinsichtlich amerikanischer Einflußnahme durch Mittel der Destabilisierung nicht als Ausdruck der Paranoia politisch Indoktrinierter abtun. Sie beschränkte sich auch nicht auf strukturschwache lateinamerikanische Länder. Im April 1967 kam es in Griechenland mit Hilfe der CIA zum Militärputsch. Auch in Italien deutete vieles auf einen Umsturz hin. Anlaß dafür bot nicht zuletzt der "historische Kompromiß", die Zusammenarbeit mit der KPI, die von der konservativen Regierung angestrebt wurde.
Am 12. Dezember 1969 explodierte an verschiedenen Orten in Rom und Mailand eine Reihe von Bomben. Am schwerwiegendsten waren die Folgen des Attentats auf die Landwirtschaftsbank an der Mailänder Piazza Fontane mit 16 Toten und 90 Verletzten. Es diente als Vorwand zur Verhaftung des Anarchisten Pio Pinelli, der unter nie geklärten Umständen durch einen Sturz aus dem Fenster des Verhörzimmers starb. Nachforschungen in den folgenden Jahrzehnten belegten ein Komplott, an dem sich Armee und Polizei, der Geheimdienst, Kreise der christdemokratischen Regierung und faschistische Kampfgruppen beteiligt hatten. Verleger Giangiacommo Feltrinelli sah sich veranlaßt, in den Untergrund zu gehen. 1972 wurde er tot an einem Stromleitungsmast gefunden, nähere Umstände blieben ungeklärt.
Über die Bombenattentate drehte Pasolini 1971 im Auftrag der Zeitung "Lotta Continua", dem Organ der äußeren Linken, die Dokumentation "Il 12 Dicembre"; das Begräbnis von Feltrinelli zeigt Bellocchio 1973 in "Knallt das Monstrum auf die Titelseite"; und ein rechtes Komplott thematisierte schließlich 1974 Visconti, der damals bereits im Rollstuhl saß, in "Gewalt und Leidenschaft".
Showtime für Hitler und Mussolini
Als Visconti 1968 "Die Verdammten" drehte, sprach er von einem Zeugnis und Dokument einer immer noch aktuellen Realität. Ursprünglich wollte er das Motiv von Mord und Tyrannei aus Shakespeares "Macbeth" im Milieu einer Mailänder Industriellenfamilie ansiedeln, aufgrund seiner Faszination für Thomas Mann und die deutsche Geschichte entschied er sich jedoch für die Erben einer Stahldynastie zu Beginn des Dritten Reichs. Ingrid Thulin spielt die machtbesessene Tochter des Unternehmers, Helmut Berger deren mißratenen Sohn.
Der Film löste eine Welle aus, die im europäischen Kino bis Anfang der 80er Jahre anhalten sollte: 1969 adaptierte Bertolucci mit "Der große Irrtum" den gleichnamigen Roman von Alberto Moravia um einen faschistischen Mitläufer, der beauftragt wird, seinen ehemaligen Philosophie-Professor, der als Gegner von Mussolini nach Paris emigriert ist, zu ermorden. 1971 schilderte Vittorio de Sica in "Der Garten der Finzi Contini" nach einem Roman von Giorgio Bassani das Schicksal einer reichen jüdischen Familie in Ferrara, die sich nach Einführung der Rassengesetze in ihre Besitztümer zurückzieht und fatalistisch das Ende abwartet. De Sica übernahm aus Bertoluccis Film die Darstellerin Dominique Sanda und von Visconti Helmut Berger als deren Bruder.
Ging es in diesen Filmen noch um die Schilderung der Zeit und unentwirrbare, wenn auch sexuell aufgeladene Konstellationen, so wählte Liliana Cavani 1973 in "Der Nachtportier" das Sujet zur expliziten Darstellung sexueller Macht und Unterwerfung. Ihr Film spielt im miefigen, naziverseuchten Wien der Nachkriegszeit. 1975, in Pasolinis "Salo", werden dann endgültig, ohne ausgedehnte Etablierung von Zeit und Umständen, Tortur und Vernichtung in den Vordergrund gestellt.
Warum das Thema im Kino dieser Zeit in Italien, aber auch in Frankreich und Deutschland einen so breiten Raum einnahm, darüber schreibt Thomas Elsaesser: "... dann wäre die Fixierung auf den Faschismus in den siebziger Jahren als die bislang gewalttätigste und spektakulärste Phase kapitalistischer Konsumption vor der Ära des 'Konsumismus' und der Massenmedien tatsächlich eine 'Vergangenheitsbewältigung' - allerdings im Sinne einer Archäologie der (anscheinend unabwendbaren) Zukunft."
1975 wurde Pasolini von einem Strichjungen ermordet, bald darauf starb Visconti. Damit ging eine Ära zu Ende. Visconti hinterließ als pessimistisches Vermächtnis seinen letzten Film "Die Unschuld", Pasolini "Salo". Dazu kamen als weitere Abgesänge im selben Jahr "Beruf: Reporter" von Antonioni und Francesco Rosis "Die Macht und ihr Preis", die Verfilmung des Abschlusses von Leonardo Sciascias Mafia-Trilogie, über den Pakt der extremen Rechten mit der extremen Linken als Folge des historischen Kompromisses.
Zu erwähnen bleibt noch die weitere Laufbahn von Franco Solinas. Er schrieb das Drehbuch zu "Der unsichtbare Aufstand", den Costa Gavras 1973 in Lateinamerika realisierte, und schließlich für "M. Klein" von Joseph Losey, in dem die Nazi-Besatzung von Paris gezeigt wird, der unbarmherzige Alltagsbetrieb der Bürokratie und der restlose Zerfall der Persönlichkeit. Auch dieser Film entstand 1975 und fügt sich nahtlos zu den Arbeiten von Pasolini, Visconti, Antonioni und Rosi.
Solinas starb 1982. Er hatte einen Drehbuchauftrag von Martin Scorsese erhalten und erlag kurz vor seinem Abflug in die USA einem Herzinfarkt.
Pasolini und das italienische Kino der 60er Jahre
(Photos © Österreichisches Filmmuseum)
Wann? Von 8. 1. 2009 bis 9. 2. 2009
Wo? Österreichisches Filmmuseum, Augustinerstraße 1, 1010 Wien (im Gebäude der Albertina)
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