Stories_Rokko´s Adventures im EVOLVER #28

Zum Mißbrauch von Scheiben, Teil 3

Schallplatten scheinen eine magische Anziehungskraft auf jene auszuüben, die mit Allem herumexperimentieren müssen. Heute geht es unter anderem um Tonträger, die leider nicht mehr abspielbar sind ...    31.08.2010

Rokko's Adventures ist - so steht es im Impressum - eine "unabhängige, überparteiliche sowie übermenschliche Publikation" und "setzt sich mit Leben, Kunst, Musik und Literatur auseinander". Der EVOLVER präsentiert (mit freundlicher Genehmigung) in regelmäßigen Abständen ausgewählte Beiträge.  

Die ersten Folgen der vorliegenden Serie finden Sie hier:

Zum Mißbrauch von Scheiben, Teil 1

Zum Mißbrauch von Scheiben, Teil 2  =============================================================

 

Haben Sie die letzten beiden Ausgaben gelesen? Sehr gut. Dann kann es ja weitergehen:

 

Nicht abspielbar

 

In diesem Abschnitt möchte ich Schallplatten vorstellen, die, völlig ihrem eigentlichen Zweck entfremdet, gar nicht mehr abspielbar sind. Gehen wir gleich ans Eingemachte:

Claus van Bebber zollte der Schallplatte auf besondere Art Respekt und präsentierte unter Titeln wie "Fund-Büro No. 0017. n.d." 15-25 zusammengeschmolzene LPs.

Eine weitere Verwertungsmöglichkeit für Vinylscheiben fanden die drei Gruppen Coil, New Blockaders und Vortex Campaign auf ihrer gemeinsamen Veröffentlichung von 1984. Die Hülle der 12" wurde vorne und hinten mit zerschnittenen Schallplattenteilen beklebt.

Der polnische Künstler Piotr Nathan (Sobieralski) schnitt in seiner Aktion "Negativform Snowflakes" (1987) einzelne Stücke aus Schallplatten und verwendete diese als Raumskulpturen.

Von der East Culture-Platte "Presents the Exposition of Nothing" gab es eine Spezialauflage: Jeder intakten LP wurde eine in kleine Partikel zerbrochene ältere Platte von East Culture mitgeliefert. Der deutsche Künstler Fritz Balthaus liebte es weniger destruktiv, dafür abstruser, und setzte 1986 aus einem Gartenschlauch und einer Schallplatte das Objekt "Der Schallplatten" zusammen.

Auch Pfeifenraucher Christiansen Henning ließ sich im selben Jahr etwas einfallen und hängte unter dem Titel "Jouez ma pipe" eine Schallplatte mit seiner Pfeife als Tonabnehmer wie ein Bild an die Wand: "Ich möchte aber auch gerne hören, was meine Pfeife erzählen könnte, als grüner Pick-up, über die Zeit in der ich sie geraucht habe."

 

Die eben genannten Objekte haben zwar eine Schallplatte als Ausgangsmaterial, diese läßt sich jedoch nicht mehr abspielen. Nun möchte ich auf Exponate zu sprechen kommen, die erst gar keinen Tonträger mißbrauchen, sondern damit nur kokettieren:

Der deutsche Installationskünstler Benny KH Gutmann fertigte 1986 "Schallplatte. Schalldämpfer" an: Im ersten Schritt tropfen dabei aus zwei Metern Höhe Wassertropfen in ein Trinkglas. Im zweiten Schritt wird auf das Glas ein Stück Zinkblech in Form und Format einer LP gelegt, auf das nun das Wasser tropft. Der Klang wird vom Glas verstärkt, bis die Zinkplatte vollständig unter Wasser steht. Dann kommt der dritte Schritt: Auf die Zinkblechplatte werden Zeitungspapierschichten - ebenfalls in Form einer Schallplatte - als Schalldämpfer gelegt, solange, bis man den Wassertropfen nicht mehr hören kann. Bei etwa 20 Schichten herrscht Ruhe im Stall.

Marcel Duchamps "Rotoreliefs (Optical Discs)" wurden 1935 gezeigt und waren ein optisches, kein auditives Spektakel: "(...) sechs zweiseitig mit farbigen Motiven bedruckte Scheiben, die mit Hilfe eines viereckigen Sockels auf den Plattenspieler gelegt werden." Dann sollte man die sich drehende Platten - nach Möglichkeit mit nur einem Auge - für längere Zeit ansehen und in eine Art Trance fallen.

Joseph Beuys fertigte 1969 ein eher dubioses Werk an und legte eine Blutwurst auf ein Grammophon. Die Nadel suchte vergeblich den sound of wurscht.

Der 1997 verstorbene Künstler und Filmemacher KP Brehmer schuf 1986 mit der "Komposition für Tim Wilson II" eine sehr eigenwillige Klangaufzeichnung, die eigentlich eine grafische Notation ist. Im Beipackzettel steht: "The 33 year old Englishman, Tim Wilson, has the ability to read records. When, for example, the complete recorded symphonies of Beethoven were shown to him, he could identify in detail the unlabeled records. (dpa Oct. 1985)".

Schmitt Thomas erschuf 1970 eine "Schallplatte" mit dem Zusatztitel "fuer meinen freund broetz". Damit gemeint ist der deutsche Maler und Free Jazz-Innovator Peter Brötzmann, mit dem dieser auch schon kollaborierte, z.B. hat er das Cover der "Nipples"-LP des Peter Brötzmann Sextet/Quartet gemalt. Schmitts "Schallplatte" ist eine 99cm lange Holzlatte, auf der "SCHALLP" zu lesen ist.

Vom hochgeschätzten, latent biersüchtigen Autor und Künstler Thomas Kapielski möchte ich das Werk "Käseplatte. 45 vollfett" (1986) erwähnen, bei dem er einen schallplattenförmigen Karton mit einem Durchmesser von 43cm gelb lackierte und mit "Käselöchern" dekorierte. Ich kann mich außerdem - das gehört jetzt eigentlich nicht dazu - an eines von Kapielskis Gesetze erinnern, das sinngemäß ungefähr so lautet: "Natürlich ist es die gute Kunst, die sich längerfristig durchsetzt. Das hat den einfachen Grund darin, daß im Nachhinein einfach die Kunst als gut gilt, die sich durchgesetzt hat."

 

Konzept statt bzw. als Manipulation

 

Es gibt also die Möglichkeit - wie im ersten Teil dieser Aufsatzserie angesprochen -, eigenartigen Sound gleich aufzuzeichnen oder eine gewöhnliche Platte erst durch Manipulation seltsam klingen zu lassen. Im folgenden Kapitel werden nur einzelne Schallaufzeichnungen erwähnt, deren Seltsamkeit bereits im Konzept eingeschrieben ist und die gar keine Manipulation mehr benötigen bzw. deren Manipulation schon im Konzept enthalten ist. Da wahrscheinlich sogar mehr eigenartige als gewöhnliche Tonaufnahmen existieren, ist das nur eine zwergenhafte, eher schicksalhaft getroffene Auswahl:

Der 1977 verstorbene, dänische und im Fluxus-Bereich aktive Künstler Arthur Køpcke produzierte in den 1950ern und 1960ern seine Reihe "Music while you work". Der Name bei der mit Klebestreifen ("scotchtape") verzierten Platte ist Programm: "...the record/music starts and the exponent has to work (i.e. clean the stage). when the gramophone-needle hits the scotchtape, the music stumples and the actor has to begin the record again every time. the piece is over a) when the work is finished b) if the record ends..."

1989 erschien Christian Marclays 10" "More Encores", auf der er Platten von u. a. Louis Armstrong, Jane Birkin & Serge Gainsbourg, John Cage, Frederic Chopin, Jimi Hendrix, Fred Frith, Johann Strauß und John Zorn auf besondere Weise sampelte. Er ließ von je einem Musiker verschiedene Platten auf mehreren Plattenspielern in unterschiedlichen Geschwindigkeiten simultan laufen und machte aus dem alten Material neue Kompositionen. Marclay verwendete den Plattenspieler als Musikinstrument und produzierte, anstatt passiv zu reproduzieren - eine Unternehmung, zu der Laszlo Moholy-Nagy schon Jahrzehnte vorher angeregt hatte. (Marclay arbeitete bereits auf "herkömmlichem Wege" mit Musikern wie John Zorn, Thurston Moore und Otomo Yoshihide zusammen.) Spannend ist, daß Marclay z.B. John Zorn, der ja etwa mit Naked City die Musikgeschichte selbst schon zerstückelt und neu zusammenfügt hat, noch einmal auseinandernimmt und frisch zusammenbaut. "Marclay benutzt den Plattenspieler als Musikinstrument, komponiert bzw. improvisiert durch Scratching, verweist damit auf die vielfältigen Möglichkeiten einer Schallplatte, die eben mehr sein kann als ein fertiges Industrieprodukt."

 

Auch Joseph Beuys hat zahlreiche Kunstwerke geschaffen, die sich mit der Schallplatte auseinandersetzen. Hervorheben möchte ich jetzt aber eines, das gar nicht einmal ans Material geht, sondern seinen Reiz in der herkömmlichen Schallaufzeichnung versteckt. Seine auf 500 Stück limitierte LP "Ja Ja Ja Nee Nee Nee" (1970) wurde bei einer Fluxus-Performance 1969 aufgenommen. Sie dauert insgesamt eine Stunde, während welcher Beuys in wechselnden Betonungen die Worte "Ja Ja Ja Nee Nee Nee" von sich gibt. Ich find' das wirklich schön zum Anhören.

Der deutsche Künstler Frieder Butzmann, der u. a. mit Throbbing Gristle zusammengearbeitet hat, veröffentlichte 1984 die Doppel-LP "Das Mädchen auf der Schaukel", die so etwas wie die "andere" Neue Deutsche Welle darstellt, die zu arg war, um vom Markt gefressen zu werden: Eine Plattenseite ist dem Volkswagen gewidmet und endet nach hypnotisch-mäandernden volkswägischen Lautmalereien mit dem fragenden Ausruf: "Wollt ihr den totalen Volkswagen?!"

Der nordamerikanische Komponist, Theoretiker und Performancekünstler R.I.P Hayman skizzierte unter dem Titel "∞ Disc Design" (1983) eine Schallplatte, die in unendlich vielen, stets neu generierten Variationen unendlich lange abgespielt werden sollte. Zu einer Realisierung dieser Skizze kam es jedoch nie.

 

Mit ohnehin eigenartigen, mitunter modulierten Instrumenten zu arbeiten, ist eine weitverbreitete Technik, um neue Klanguniversen zu betreten. Besonders die russischen Futuristen haben mit ihren Fabrikkonzerten, bei denen sie ganze Industriestädte zum Beben brachten, wahrlich mächtige Kompositionen geschaffen, doch es geht auch weniger megalomanisch: Richard Lermans "TRAVELON GAMELON. Music for Bicycles" (1982) verwendete Fahrräder als Instrumente:

"A gamelan orchestra is a large group of percussive instruments, usually metallic, from SE Asia. In fact, the sound of such a group is not unlike the timbre of amplified bicycles. The rhyme of the title, and its implication of a ‘travelling' gamelan, seemed too good an idea to pass up." Nach einigen Versuchen im Haus wagte sich Lerman mit 25 Fahrrädern und 25 Teilnehmern auf die Straße: "This necessitated designing and building 25 small battery powered amplifiers, getting horn-type loudspeakers to attach to the bicycles, making pickups, and organizing the event. With each rider individually amplified, the Promenade version was first given in May, 1978 at U. Mass. - Boston."

Geregelter wagte sich Raumschiff Engelmayr, Mastermind der leuchtenden Singvögel Bulbul, mit "Velo" (2001) an das Fahrrad als Klangerzeuger: Mit gesampelten Fahrradsounds produzierte er ein Minimal Techno-Minialbum; die 3"-CD wurde von ihm zusätzlich adäquat verpackt. Dieselbe Herangehensweise hat Engelmayer bei seinem Minialbum "U5" (1998) angewandt, allerdings diente hier die U-Bahn als Leitmotiv - sowohl sound- als auch verpackungstechnisch.

 

Anna Lockwood verwendete bei der LP "Glass World of Anna Lockwood" (1970) verschiedene Arten von Glas als Soundquellen, welche sie wiederum auf unterschiedlichste Weise manipulierte. Auf dem Album "There's me and there's you" der Matthew Herbert Big Band sind u. a. die Klänge des Zerschneidens von 100 Kreditkarten, von 70 Kondomen, die über den Boden des British Musuem geschliffen, Nägel, die in einen Sarg gehämmert werden, und einem Streichholz, das in den Houses of Parliament entfacht wird, zu hören. Quintrons "Frog Tape" (2004) wird zwar erst auf Seite B seinem Namen gerecht, dort dafür ohne Schnickschnack: ein Track voller Froschgequake über die ganze Seite. Lasse-Marc Riek hat eine CD nur mit modulierten Fledermaussounds aufgenommen, die den Titel "Feeding Buzzes of Euorpean Bats" trägt. Im Fledermausschutz Bad Segeberg in Schleswig-Holstein hat er dazu die Tiere während des Jagens aufgenommen. Man hört dabei z.B., wie sich der Pulsschlag der Tiere verändert, wenn sie sich der Beute nähern.

Gerhard Rühms Doppel-LP "das leben chopins und andere tondichtungen" (1988) bedient sich einer besonderen Kompositionsweise: "a text ist ‚set to music' in that each letter of the alphabet is ascribed to a note on the piano, whereby syllables - taken as units of speech - may be read as chords. (...) thus one can speak here of tone-poems in the most literal sense of the word."

Jon Tower füllte seine 7"-Single "Wrong Numbers" (1986) mit Telefonnachrichten, die er zwischen April 1985 und März 1986 aufgenommen hatte. Asmus Tietchens arbeitete für "Glimmen" (1999) mit Unterwasseraufnahmen. In diesem Zusammenhang sollte man auch Henri Chopin nicht vergessen, der seinen Körper als Klangfabrik begriff und tatsächlich auch schon in den 1950ern Mikrofone schluckte, um Verdauungsgeräusche und andere körpereigenen Laute aufzunehmen. (Ich hoffe, das stimmt. Bilde mir ein, das irgendwo mal gelesen zu haben, kann es aber nicht mehr verifizieren, verzeiht.)

Auch Vromb, ein kanadischer Elektroniker und Experimenteur, nahm für sein Album "Le facteur humain" (1996) körpereigene Klänge auf, und zwar Gehirndrüsen, die mit einem UTW-Helm hörbar gemacht wurden.

 

Aber es gibt fast noch eigenartigere - zumindest besser geschützte - Klangquellen als den eigenen Körper. Die Galerie Schallschutz etwa machte nahe dem HAARP (High Frequency Active Auroral Research Program), einem strengbewachten militärischen Forschungszentrum in Alaska, Field Recordings. Sie nahmen die Low Frequency Experimente der CIA auf, die eigentlich unhörbar sind, und modulierten diese, um sie hörbar zu machen. Die dort geführten Experimente der CIA und Navy dienen der Wettermanipulation und sind ständiger Komparse diverser Verschwörungstheorien.

Die US-amerikanische Medienkünstlerin Andrea Polli reiste in die Antarktis und nahm für "Sonic Antarctica" Sounds der dortigen Umwelt und Gespräche der in der Forschungsstation stationierten Wissenschaftler auf.

Die Gruppe Reptilicus hat in Reykjavik - schon des öfteren - durch Vulkanausbrüche verursachte Erdbeben aufgenommen.

Jetzt folgt in meinen Notizen, die ich bei Herrn Delirium vorgenommen habe, verzerrtes Gekritzel: Irgendwas Komisches (außer dem Namen) war da noch mit der Platte "Rinde Humano" von T.G.V.T. (The Third Global Vagina Torture), aber nachdem er mich auf nüchternen Magen die von Vater&Onkel gebrannten Schnäpse hat kosten lassen, wurden meine Aufzeichnungen immer unbrauchbarer. Nichtsdestotrotz: Das Saubirnen-Trankl war sehr schmackhaft.

 

Gesicherte Quellen behaupten: Der polnisch-französische Konzeptkünstler Roman Opalka setzt sich in seinem gesamten Schaffen intensiv mit der Zeit auseinander, so auch in "Opalka 1965/1 - ∞" (1977). Der in einer Auflage von 400 Stück erschienen Schallplatte geht folgende Entstehungsgeschichte voraus: Opalka begann 1965 mit dem feinsten Pinsel, den er finden konnte, auf eine 196x135cm große Leinwand die Zahl "1" möglichst klein zu schreiben. Sein Ziel war es, auf unendlich vielen Leinwänden bis zur Unendlichkeit zu zählen. Später begann er, die Zahl, die er aufschrieb, auch laut auszusprechen und dies mittels eines Aufnahmegeräts aufzuzeichnen. Sprechen und Schreiben erfolgte simultan. Auf dieser Schallplatte - einer Verbindung sämtlicher Kunstsparten - ist ein Auszug aus dem Zählen bis zur Unendlichkeit zu hören.

Verschiedene Kunstformen wollte auch Autor und Performancekünstler John Giorno verbinden: Dazu gründete er 1969 das Label "Giorno Poetry Systems". Er arbeitete u. a. mit Robert Moog, dem Erfinder des Moog-Synthesizers, und (cut up-technisch) mit Brion Gysin und William S. Burroughs zusammen. In den "Giorno Poetry Systems" waren über die Jahre folgende Künstler und Gruppen involviert (Auszug): John Cage, Allen Ginsberg, Ed Sanders, Charles Bukowski, Philip Glass, Laurie Anderson, Timothy Leary, Frank Zappa, Patti Smith, Cabaret Voltaire, Psychic TV, Coil, Einstürzende Neubauten, Tom Waits, Lydia Lunch, Nick Cave, Richard Hell, Swans, Hüsker Dü, Butthole Surfers, Sonic Youth, Diamanda Galás.

"Vision" war ein Kunstmagazin des US-amerikanischen Künstlers und Musikers Tom Marioni. In der vierten Ausgabe gab er zwölf Artisten die Chance, zwölf Minuten über was auch immer zu reden, anstatt ihnen Seiten im Magazin zur Verfügung zu stellen. Die Aufzeichnungen wurden in einer 3 LP-Box veröffentlicht. Teilnehmer waren u. a. Chris Burden, Marina Abramovic/Ulay, Laurie Anderson und John Cage.

 

Der Schweizer Künstler und Schriftsteller Adolf Wölfli (1864-1930), der Zeit seines Lebens in einer psychiatrischen Klinik verbrachte und als einer der wichtigsten Vertreter der Art Brut und der Outsider Art gilt, ist besonders bekannt für sein kunstvoll ausstraffierten Notationsbögen. Künstler und Komponisten wie Jean Dubuffet und Wolfgang Rihm zollten ihm nach seinem Tod Respekt für seine Bilder, seine Texte, seine Notationsweise und auch seine Musik.

Malik Wittwulf veröffentlichte 1983 seine LP "Zwei Performance Musiken mit Violoncello Mai und November 1982, in Hamburg". Die Auflage: ein Stück, das dafür signiert. Auch der japanische Noise-Künstler Masonna preßte teilweise Singles in einer Auflage von nur einem Stück.

Die französische Komponistin und Pionieren der elektronischen Musik Eliane Radigue brachte 1969 die Doppel-7" "'Pour Farhi' Σ = a = b = a + b" heraus. Die beiden Platten sind exakt gleich und mit dem Hinweis versehen, daß man sie gleichzeitig in allen möglichen Kombinationen und Geschwindigkeiten abspielen soll.

Einen Schritt weiter ging die Band Die Tödliche Doris: Sie veröffentlichte 1986 ihr unsichtbares fünftes Album. Sie nannte ihre vierte Platte "Unser Debut", auf das die "Sechste" folgte. Die unsichtbare fünfte war dann zu hören, wenn man die beiden genannten Platten gleichzeitig auf zwei verschiedenen Plattenspielern abspielte. Die Songs auf den beiden Tonträgern waren exakt gleich lang und die Aufforderung machte tatsächlich Sinn. 1983 veröffentlichte Die Tödliche Doris "Chöre & Soli", einen Plastiksack, in dem sich ein Romanfragment, acht kleine (etwa 3" große) bunte Platten und sogar das Abspielgerät samt dazugehöriger Batterie befinden. Der kleine Plattenspieler und die Platten sind von jenen Geräten abgeleitet, die zur damaligen Zeit in sprechenden Teddybären für Kommunikation auf Bauchdruck sorgten. Jede Platte dauert ca. 30 Sekunden.

 

Im vierten und letzten Teil dieser Serie geht es dann um auratisch Seltsames und die Aufmachung - die äußere Gestaltung der Cover.

Rokko’s Adventures

aus: Rokko´s Adventures No.6

Zur Vergewaltigung von Tonträgern, oder: Phantasie und Wahn auf dem Tonträger.


Text: Rokko

Photos: Internet

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