Das trinkfreudige Londoner Trio Miraculous Mule treibt seine Maultiere schwerbepackt mit Satteltaschen voller Rock´n´Roll und Kisten voller Whiskey und Weihwasser durchs finstere Blues-Tal und dampfende Soul-Sümpfe in Richtung Gospel-Jerusalem. EVOLVER sprach anläßlich des aktuellen Albums "Deep Fried" mit Michael J. Sheehy.
16.09.2014
Nach der letztjährigen, herausragenden gleichnamigen Debüt-10", auf der Miraculous Mule sechs Traditionals des amerikanischen Deep-Blues gehuldigt haben, darunter Klassikern wie "Wayfaring Stranger" oder "Run On", ist die Londoner Band 2013 vom Quartett zum Trio mutiert. Aber auch in dieser etwas kleineren Besetzung zelebriert die neue musikalische Dreifaltigkeit, bestehend aus Michael J. Sheehy (Vocals, Guitar, Piano, Organ, Percussion), Patrick McCarthy (Vocals, Bass, Lap Steel, Banjo, Percussion) und Ian Burns (Drums, Percussion) auf dem Nachfolger-Album "Deep Fried" einen schmissig-swingenden Götzen-Gottesdienst für Jünger des rüden Blues, Apostel des augenzwinkernden Gospel und Punk-Rock´n´Roll-Ministranten.
Und wenn es das Genre des "Voodoo-Gospel-Blues-Rock" nicht schon seit den Tagen des "un-seligen" Screaming Jay Hawkins gäbe, müßte es sofort erfunden werden, um den wilden Stil-Mix der Engländer zu umschreiben, die - wie echte Voodoo-Hexenmeister - schonungslos die Vorratskammern der angloamerikanischen Musikhistorie plündern. Das Trio bedient sich zum Beispiel alter Lieder der Chain-Gangs, der Balladen der Sklaven, Mistrel-Beschwörungsformeln, der Bibel bzw. abergläubischen Exorzismussprüchen - und mischt diese vielen Zutaten aus der klassischen Blues- und Gospel-Musik, um seinen musikalischen Zaubertrank zusammenzubrauen.
Entdecker und Stag-O-Lee-Labelchef Reinhard Holstein bringt den Stil-Cocktail der Band auf die einfache Formel "Vintage, zwischen Howlin´Wolf, Dr. John und Traditional-Music, aber mit Biß und tief im Hier und Jetzt verwurzelt!"
Eine Interview-Liturgie mit Michael J. Sheehy über Spirituals, Sound und Sünde ...
Der "Maulesel" als solcher steht in alten Traditionals ja sehr oft als Metapher für sexuelle Ausdauer ...
EVOLVER: Esel ("Und die Eselin sah den Engel", Roman von Nick Cave) beziehungsweise Maulesel oder Maultiere (z. B. Gov´t Mule, Mule) haben anscheinend eine Tradition in der Musikgeschichte. Wie kam es zu eurem wirklich wundersamen Bandnamen?
Michael J. Sheehy: Die Idee entstand aus einer echten Bierlaune heraus. Genaugenommen kümmere ich mich nicht sehr viel darum, wie eine Band heißt, welchen Namen das Projekt hat. Im Kern geht es für mich darum, daß die Musik "kickt", wie ein Maulesel eben, so kam es zur Namensschöpfung! Andererseits finden sich Dinge oft irgendwie zusammen, denn uns ist als Band später aufgefallen, daß der "Maulesel" als solcher im Delta-Blues sehr oft als Metapher für sexuelle Ausdauer und libidinöse Energie steht. In den alten Traditionals, in Blues-Nummern aus dem Süden, vielen Arbeiter- und Sklavensongs spielt dieser Tier eine bedeutende Rolle, "trägt" oft die ganze Last der Lyrics ... Und das paßt dann doch unbewußt/bewußt "wunderbar" zum Bandkonzept Miraculous Mule - besser kann man unseren Sound gar nicht sprachlich charakterisieren: inhaltlich wunderbar doppeldeutig, für Musikjournalisten herrlich intensiv für entsprechende Interpretationsspielräume; noch dazu sind wir ein Bastard aus Blues-Esel und Punk-Muli.
Diese Benzinmischung aus Blues-Ursuppe´n´Punk-Ethos macht unseren Sound aus.
EVOLVER: Dann kommen wir doch gleich zu einem häufigen Problem des Musikjournalismus: Die Versuche der Kollegen aus der Musikpresse, eure Musik zu beschreiben, winden sich wie eine Schlange zur Beschwörungsmusik um diverse Neologismen wie "Voodoo-Gospel-Blues-Rock" oder "Schlangenbeschwörungs-Soul". Wie würdest du euren Band-Bastard-Sound charakterisieren?
Michael J. Sheehy: Unsere musikalischen, soundspezifischen und auch thematischen Ursprünge liegen im Blues-Delta, unsere Urquelle befindet sich tief im amerikanischen Süden. Dazu kommen dann die Schwingungen der Sprirituals, der Gospel Music, mit allen Facetten von den Themenschwerpunkten bis zur ekstatischen Live-Interpretation, die die Seele zum Vibrieren und damit zur Läuterung bringen soll. Die Liebe zu dieser sehr ursprünglichen Musik hält das Projekt auf dem Highway, aber es kommt eben noch ein weiterer Treibstoff dazu: das Punk-Rock-Benzin! Wir sind einfach keine traditionellen Bluesmusiker, und das wollen wir auch gar nicht sein! Dazu sind unsere Spielmöglichkeiten zu limitiert, und London zu weit weg vom "unheimlichen Amerika". Wobei aber andererseits wiederum genau diese Benzinmischung aus Blues-Ursuppe´n´Punk-Ethos unseren Sound so spannend für uns macht und uns insgesamt eben ausmacht.
EVOLVER: All das paßt natürlich zu mystischen Musikzentren wie Memphis, Nashville oder New Orleans. Aber wieviel Voodoo-Blues-Atmosphäre atmet eure Heimatstadt London, eine Metropole, die wohl eher als Beat- oder Electro-Mekka bekannt ist?
Michael J. Sheehy: Es gibt in London eine sehr lebendige und vielfältige Musikszene. Jeder Stilrichtung wurde in dieser und durch diese Stadt im Laufe der Musikgeschichte irgendeine kleine oder große Zutat beigemischt. Und natürlich existiert in "Swinging London" auch eine sehr vitale Blues-Szene, nur sind wir davon kein wirklich fester Bestandteil. Wie schon angesprochen - wir sind einerseits zu punkig für die traditionelle "Blues-Crowd"; deren Mitglieder haben irgendwie im Kopf die Idee zementiert, daß Blues ausschließlich durch einen hohen Grad an Virtuosität definiert wird. Wir selbst sehen das aus einem ganz anderen Blickwinkel: Blues ist ein bestimmtes Lebens- und Musikgefühl. Gleichzeitig aber sind wir für die Garagen- und Punkrock-Szene Londons zu blues-lastig, zu traditionell - schizophren, oder? Und es gibt ein weiteres Argument, das uns aus dem Blues-Zirkel ausschließt, das der sogenannten Authentizität! Absoluter "Bullshit"! Denn der Blues ist - wie gesagt - ein Lebensgefühl, der Soundtrack zum Leben, so etwas kann man sich nicht aneignen, man hat es oder nicht. Insgesamt ist es uns als Band daher auch notgedrungen ziemlich egal, ob wir irgendwo dazugehören oder nicht. Zwar schafft ein Außenseiterstatus Probleme, wenn es um Akzeptanz dafür geht, was man als Musiker macht, uns aber macht exakt diese aus der Musik-Schizophrenie resultierende Isolation auch wieder stolz.
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EVOLVER sprach mit Miraculous-Mule-Frontman Michael J. Sheehy über Spirituals, Sound und Sünde - sowie sechs Alben, die er mit in die Hölle nehmen würde.
Das trinkfreudige Londoner Trio Miraculous Mule treibt seine Maultiere schwerbepackt mit Satteltaschen voller Rock´n´Roll und Kisten voller Whiskey und Weihwasser durchs finstere Blues-Tal und dampfende Soul-Sümpfe in Richtung Gospel-Jerusalem. EVOLVER sprach anläßlich des aktuellen Albums "Deep Fried" mit Michael J. Sheehy.
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