Stories_Label-Porträts #1: Kompakt

Sex statt Bürokratie

"Recht haben ist wichtiger als verkaufen" - so skizziert Wolfgang Voigt das Credo seines Labels. Kami Kleedorfer nahm das kompakte Schaffen genauer unter die Lupe.    19.10.2005

"Techno ist auch nach 15 Jahren die wichtigste und modernste Art der Popmusik. Kompakt steht für den Pop-beeinflußten Techno, für Glam statt Purismus und für Sex statt Bürokratie." Es sind klare Worte, die Wolfgang "Mr. Kompakt" Voigt im Interview findet, um die Herangehensweise seines Label ans 4/4-Universum zu skizzieren. Das Spektrum von Kompakt ist dabei aber - auch dank seiner Sublabels - seit jeher angenehm breit gefächert. Es reicht von minimalistischen Monumenten über kernige Techno-Kracher bis hin zu zeitlos-melodiösen Pop-Perlen. Wolfgang, der gemeinsam mit seinem Bruder Reinhard als Mitbegründer des sogenannten "Sound of Cologne" gilt, merkte dazu in einem früheren Interview an: "51 Prozent auf Kompakt muß Techno sein. Ansonsten ist erlaubt, was gefällt."

 

Wie alles begann

Es waren jene schwer erhältlichen 12"-Singles aus England, Italien und den USA, die Wolfgang Voigt 1993 dazu bewogen, in Köln einen eigenen Plattenladen zu eröffnen. Vorerst firmierte dieser unter dem Namen "Delirium". Mit Michael Mayer und Jürgen Paape an Bord und unter dem neuen Namen Kompakt wurden dann ab 1998 eigene Produktionen veröffentlicht, die sogleich auf großes Interesse stießen. Voigt, der sich für seine eigenen Produktionen unzähliger Pseudonyme (z. B. Mike Ink, Wassermann oder Gas) bedient, etablierte Kompakt in den vergangenen Jahren als das wohl bekannteste deutsche Techno-Label.

Mittlerweile schreibt man das Jahr 2005, und Kompakt ist mit eigenem Musikverlag, eigener Booking-Agentur sowie einem Exklusivvertrieb für rund 80 (vorwiegend deutsche) Labels - unter anderem BPitch Control, Italic, Treibstoff etc. - zu einer echten Institution geworden. Dieses Frühjahr wurde zudem ein MP3-Online-Shop eröffnet, der den legalen Download von Kompakt-Tracks ermöglicht. Voigt sieht zwar die Zukunft im Vinyl, möchte sich aber dem wachsenden Markt der Online-Musik natürlich nicht verschließen. Kompakt stellt so ein geschlossenes Imperium im elektronischen Musik-Busineß dar, das von der Produktion bis hin zum Vertrieb alle Fäden in der eigenen Hand hat.

 

Mission: Pop und Techno

Mit Szenegrößen wie Superpitcher, Thomas Fehlmann, Justus Köhncke, DJ Koze oder Michael Mayer selbst verfügt Kompakt über einen sehr breit gestreuten Künstlerpool. "Wir haben uns über die Jahre einen beachtlich bunten Stamm an internationalen Künstlern geschaffen, die mittlerweile den größten Teil unserer Veröffentlichungen ausmachen", merkt Voigt dazu an. Die Platten sind als ästhetische Statements zu sehen. Was Kompakt besonders auszeichnet und von anderen Labels unterscheidet, ist das offene Bekenntnis zum Pop, das sich auch im Sublabel Kompakt Pop widerspiegelt. "Das entstand aus der Notwendigkeit, die Pop-Vorliebe der Kompakt-Crew besser umzusetzen, und auch, um sich vom technoiden Haupt-Label besser abgrenzen zu können." Ähnliches gilt für Kompakt Extra, besser bekannt unter Speicher, und K2, die ebenfalls aus einer Art Platznot geschaffen wurden. Mittlerweile bringt es Kompakt inklusive aller Sublabels auf über 200 Veröffentlichungen - eine für die Branche beachtliche Anzahl.

 

Ein heißer Herbst steht bevor

Der kommende Herbst wird auf jeden Fall ereignisreich, werden doch eine ganze Menge neuer Kompakt-Veröffentlichungen (neben der sechsten Ausgabe der jährlichen Werkschau "Total" noch neue Alben von DJ Koze und The Orb) bis in den Winter hinein die Plattenregale füllen. Mastermind Voigt verrät nur ansatzweise, wohin der Trend gehen wird: "Es wird ein großer Griff zurück in die glorreichen 90er Jahre, mit Blick nach vorne. Techno als zeitlose Musik für die Ewigkeit!"

Darauf angesprochen, daß auch die Künstler und Produzenten von Kompakt nicht unbedingt jünger werden, meint Voigt mit einer gewissen Zufriedenheit: "Unsere Philosophie ist es, in Würde mit Techno zu altern - und zwar unter der Voraussetzung stetiger Erneuerung und Weiterentwicklung der Musik als wichtigster Weltsprache!"

Kami Kleedorfer

Background


Köln gilt seit den frühen 90er Jahren als Mekka der minimalistischen Szene. Ob House oder Techno - in der Rhein-Metropole wurden die Beats and Pieces auf das absolut Notwendige reduziert. Die Konzentration auf Wesentliches setzte eine hohe produktionstechnische Kunstfertigkeit voraus und stellte innerhalb des damals gängigen 4/4-Universums als eigene Kunstform die Antithese zu den überfrachteten Sound-Collagen anderer Produzenten dar.

 

Aktuelle Kompakt-Releases:

V/A - Kompakt Total 6

DJ Koze - Kosi Comes Around

Matias Aguayo - Are You Really Lost

The Orb - Okie Dokie It's The Orb on Kompakt

(alle Kompakt/Ixthuluh)

 

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