Happy Birthday, Kirk Douglas
Stories_Kirk Douglas 100. Geburtstag
Verbeugung vor einem Giganten
Anläßlich des 100. Geburtstags des Stars erinnert Dietmar Wohlfart an die Glanztaten des Hollywood-Denkmals Kirk Douglas. Wer sich von selbigen überzeugen will, besucht am besten die Mini-Werkschau im Wiener Gartenbau-Kino. 08.12.2016
In der Rolle der rechtschaffenen, heroischen Kämpfernatur, aber auch auch als Aufschneider, Blender und vollends Besessener, der sich von ganz unten kommend ins Rampenlicht kämpft und zum furchterregenden, jedoch instabilen und sich letztlich selbst bedrohenden Machtfaktor mutiert, durfte man Kirk Douglas in einer Serie von Spitzenproduktionen - speziell in den Jahren 1947 bis 1957 - kennen- und schätzen lernen.
Zusammen mit Charlton Heston und Burt Lancaster riß Douglas das romantische Bild des edelmütigen Hollywood-Helden der 30er und 40er Jahre ein. Kämpfertum, Skrupellosigkeit und Machtstreben sollten seine bedeutsamsten Leinwandpersonifizierungen kennzeichnen. Es waren die zu allem fähigen, opportunistischen Siegertypen mit selbstzerstörerischen Tendenzen, die nun vermehrt in der Traumfabrik Einzug hielten und die bisher favorisierten ikonenhaften Ganovenfiguren der Depressionsära und "Hard Boiled"-Detektive - vornehmlich von Cagney und Bogart porträtiert - verdrängten. Angeführt von Douglas und Heston, etablierte sich eine neue Fraktion der amerikanischen leading men neben den Frauenschwärmen Clark Gable und Cary Grant und dem von Stewart, Fonda, Cooper und Peck gebildeten hollywoodschen Saubermänner-Quartett. Hauptdarsteller durften nun mit einer Patina der Egomanie überzogen sein und ihre Ziele auch unter Anwendung verwerflicher Taktiken verwirklichen. Doch während Hestons Interpretationen oftmals humortilgender und nihilistischer Natur waren, spielte Douglas menschgewordene Dynamos und Zeitbomben - ohne Zweifel hemmungslos und zu jeder Schandtat im eigenen Interesse bereit, zugleich aber auch einnehmend und mitreißend.
Harte Schale, harter Kern
Kirk Douglas wurde als Issur Danielovitch Demsky und Sohn jüdisch-russischer Emigranten am 9. Dezember 1916 in New York geboren. Aus einfachen Verhältnissen stammend, engagierte sich Douglas zuerst an der American Academy of Dramatic Arts. Während des Zweiten Weltkriegs diente er bei der U. S. Navy, arbeitete später beim Radio und debütierte schließlich auf der großen Leinwand an der Seite von Barbara Stanwyck in "Die seltsame Liebe der Martha Yvers" ("The Strange Love Of Martha Yvers", 1946). Es war ein Einstand nach Maß für Douglas, der sogleich in einer Qualitätsproduktion auf sich aufmerksam machen konnte.
Lediglich drei Jahre dauerte es, bis er sich seine erste Oscar-Nominierung für seine explosive Darbietung im Boxerdrama "Zwischen Frauen und Seilen" ("Champion", 1949) sicherte: Dem jungen, hungrigen Michael "Midge" Kelly (Douglas) ist jedes Mittel recht, um den Gipfel des sportlichen Erfolges zu erklimmen. Rücksichtslos kämpft sich Midge nach oben und wird dabei von seiner Gier nach Ruhm aufgezehrt. Auf seinem Weg in den sportlichen Olymp - und den moralischen Untergrund - begegnet Kelley drei Frauen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Doch weder das divenhafte Biest Grace Diamond (Marylin Maxwell) noch die gutherzige Emma Bryce (Ruth Roman) oder die laszive Palmer Harris (Lola Albright) vermögen Kellys Selbstzerstörungsdrang entscheidend entgegenzuwirken. Stürmisch nach oben drängend, nutzt der Boxer seine Gespielinnen eiskalt aus, geht weiter unbeirrt seinen Weg und stirbt letztendlich den Ringtod.
Douglas´ Figur geht im Film mit einer derartigen Vehemenz und Brutalität vor, daß eine Läuterung im letzten Augenblick undenkbar wird. "Champion" markierte die Geburtsstunde des ersten archetypischen Douglas-Antihelden; eines Heißsporns, der alle ethischen Prinzipien über Bord wirft, um mit physischer Rohheit und nackter Willensgewalt sein Ziel zu erreichen. Unbarmherzige Kämpfernaturen vom Schlage eines Michael Kelly sollten zu einer tragenden Säule im seinem Rollenfundus werden.
Zwei Jahre zuvor absolvierte Kirk Douglas seinen ersten bedeutungsvollen Auftritt in einem Klassiker des Film noir - Jacques Tourneurs "Goldenes Gift" ("Out Of The Past", 1947). Als drahtziehender Kontrollfanatiker Whit Sterling setzte er Robert Mitchum mächtig zu. Sterling darf als logische Konsequenz, als fertig ausgebildete Endversion eines Midge-Kelly-Charakters betrachtet werden. Machtmenschen wie Sterling kaufen, manipulieren und regieren ihre Umwelt. Wer sich ihrem Zugriff entzieht, ist dem Untergang geweiht.
Das Tier im Manne
Auf dem Höhepunkt ihrer Macht angelangt, haben seelenfressende Opportunisten vom Schlage eines Whit Sterling Sympathien und Freunde längst eingebüßt. Denn die Douglas-Charaktere erblühen im Eifer ihres Kampfs um Anerkennung und Macht und im Ringen mit ihren verbliebenen moralischen Grundwerten. Doch nach Erlangung des erstrebten Ruhms und Beseitigung der personellen Stolpersteine erstarren - und nicht selten ersterben - diese korrumpierten Geschöpfe in einem funktionslosen Zustand, einem Gefühl der Ohnmacht und Verwirrung. Die Implosion eines solchen menschlichen Machtzentrums inszenierte Vincente Minelli in seiner "Stadt der Illusionen" ("The Bad And The Beautiful", 1952): Der von Douglas verkörperte Eiferer und Visionär Jonathan Shields schickt sich an, die Filmwelt - wie sein Vater vor ihm - aus den Angeln zu heben, verfeindet sich dabei mit seiner vormals getreuen Helferschaft und stürzt in den Abgrund.
Billy Wilder bediente sich der berstenden Ausdruckskraft des Newcomers schon 1951 in seinem Meisterstück "Reporter des Satans" ("Ace In The Hole") und inszenierte Douglas in einer für ihn maßgeschneiderten Rolle: Charles "Chuck" Tatum, rasender Reporter mit massivem Hang zur Selbstinszenierung, drängt sich mit einem groben Maß an Unverschämtheit in die Redaktion einer friedlichen Regionalzeitung. Durch die geschickte Ausbeutung einer menschlichen Einzeltragödie gelingt es ihm schließlich, bundesweite Aufmerksamkeit zu erlangen. Chucks animalische Erfolgsgier beschert ihm einen zweifelhaften Triumph, der teuer erkauft wird.
Nie materialisierte sich die archaische Intensität im Spiel des Kirk Douglas physisch deutlicher als in "Die Wikinger" ("The Vikings", 1958): Als von der Schlacht gezeichneter, einäugiger Barbarenkrieger Einar trumpft er in Form eines moralisch wie optischen Zerrbilds des späteren "Spartacus" auf. Einschüchternd, grotesk und an der Grenze zur Karikierung frißt Douglas die Leinwand förmlich.
Inszeniert von den Größten
Wie praktisch alle anderen Großen seines Fachs arrangierte sich auch Kirk Douglas mit herausragenden Regisseuren, unter deren Führung er von einem Erfolg zum nächsten stürmte. Nach Kooperationen mit Michael Curtiz und Raoul Walsh setzte Douglas´ Triumphzug unter Billy Wilder ein. Seine Erfolgssträhne wurde unter anderem durch Zusammenarbeiten mit William Wyler ("Polizeirevier 21", 1951), Howard Hawks ("Der weite Himmel", 1952) und Vincente Minelli, für den er insgesamt viermal vor der Kamera stand, prolongiert. Im Laufe der 50er und 60er Jahre drehte Douglas unter der gesamten US-Regieelite, spielte für Dmytryk, Sturges, Vidor, Hathaway, Aldrich, Frankenheimer, Huston, Kazan - und natürlich Kubrick.
Der exzentrische Pedant Stanley Kubrick setzte das Eisenkinn im Kriegsdrama "Wege zum Ruhm" ("Path Of Glory", 1957) und dem Sandalenepos "Spartacus" (1960) ein. Während Douglas in "Wege zum Ruhm" einen seiner stärksten Leinwandeinsätze ableistete, wurde durch seine Mitwirkung in der kubrickschen Auftragsarbeit um den unbeugsamen Revoltengladiator ein unauslöschliches Kino-Alter-ego erschaffen. Kubrick war somit auch jener Regisseur, der Douglas im Schlußabschnitt seiner stärksten Karrierephase in zwei großen Leinwand-Parts führte. Denn nach seinem Auftritt als integrer Offizier und Anwalt, der gegen die Selbstherrlichkeit und den Starrsinn eines französischen Generals aufbegehrt und dem als "Spartacus" erlittenen mythischen Heldentod trat die Karriere des Stars in einen langen, finalen Abschnitt der Stagnation ein. John Frankenheimers Politthriller "Sieben Tage im Mai" ("Seven Days In May", 1964) und der kurzweilige Western "Die Gewaltigen" ("The War Wagon", 1967) markierten die letzten Glanzpunkte seiner Laufbahn.
Father And Son
Auf den ersten Blick sticht vor allem die markante Kinnpartie als klar verbindendes Element zwischen Vater und Sohn hervor; stilistisch und in ihrer Rollenauswahl trennen Kirk und Michael Douglas - zumindest auf den ersten Blick - Welten: hier der Senior als Vertreter des untergegangenen Hollywood und physisch dominanter, kantiger Star des Studiosystems; dort sein Sohn, Dauergast im Psychothriller-Land und Veteran zahlloser perfider Geschlechterkriege. Natürlich repräsentierten Vater und Sohn ihre jeweiligen Epochen, reflektierte Kirk das kernige Heldenbild aus der Ära eines John Wayne, während sich Michael in den 80er und 90er Jahren machtvolle Managerkreaturen einverleibte. Beide spielten wiederholt Erfolgsmenschen, die sich skrupellos ihren Weg bahnten. Dabei ging der Vater hemdsärmeliger zur Sache und brach brutal in das System ein. Michaels Charaktere machten sich hingegen gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Mechanismen zunutze. Nur ein einziges Mal kreuzten sich Vater und Sohn rollentechnisch - in einem zeitlichen Abstand von knapp 20 Jahren -, als sie biedere Jedermänner, die aus ihrem jeweiligen Familienverband verstoßen worden waren, entfesselten: Schullehrer George Anderson ("Mousey", 1974) und Rüstungstechniker William "D-Fens" Foster ("Falling Down", 1993) wurden auf gerichtlichem Beschluß hin von ihren Kindern getrennt und wendeten sich daraufhin gegen ihre Ex-Ehefrauen.
Ohne Abschiedsvorstellung
Im Gegensatz zu manch anderer Darstellerlegende war es Kirk Douglas nicht vergönnt, in bedeutenden Altersrollen zu glänzen. Auserwählten Teilen der berühmten Kollegenschaft war es in dieser Hinsicht besser ergangen, verabschiedeten sie sich doch mit ehrlichen, ergreifenden Arbeiten von der Bühne Hollywoods: Den Ikonen der Gangsterfilm-Ära Humphrey Bogart und Edward G. Robinson waren attraktive Abschiedsvorstellungen beschieden: "Bogey" stand für Mark Robson, der Jahre zuvor bereits Douglas in "Champion" dirigiert hatte, in einem der gelungeneren Vertreter des Boxgenres ("The Harder They Fall", 1956) als halbseidener Sportjournalist ein letztes Mal vor der Kamera. Robinson rührte 1973 in dem apokalyptischen Science Fiction-Klassiker "Jahr 2022 ... die überleben wollen" ("Soylent Green") als ausrangierter Mensch vom alten Schlage, der angesichts der Grausamkeiten einer wahnsinnig gewordenen Welt den Freitod wählt, zu Tränen. John Wayne schwang sich für Don Siegel ein letztes Mal in den Sattel. In "Der letzte Scharfschütze" ("The Shootist", 1976) spielte er einen sterbenskranken Gesetzesbrecher, der sich auf sein finales Duell vorbereitet. Ein solch würdevoller Schwanengesang blieb Kirk Douglas, den selbst ein Flugzeugabsturz (1991) und Schlaganfall (1996) nicht in den Ruhestand zu schicken vermochten, verwehrt. Die filmhistorische und popkulturelle Unsterblichkeit ist ihm hingegen gewiß.
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