Wichtige Internet-Seiten zu Friedman
Photo by Brian Kanof
Der ganz private Tellerrand des Kinkster liegt weit außerhalb dieses Planeten - und deshalb ist der Mann gerade heute so wichtig wie der tägliche Espresso. Manfred Prescher berichtet. 06.11.2006
Man stelle sich folgende Situation vor: Ein dringendes Bedürfnis zwingt einen dazu, eine öffentliche Toilette aufzusuchen. Verzweifelt versucht man, den Darmdrang zu unterbinden, erreicht schließlich das WC - und steht plötzlich ganz nahe am Rand der privaten Katastrophe: Der Klopapierspender ist bis auf die Papprolle leer. Dafür hat irgendeine Glaubensgemeinschaft an diesem Örtchen jede Menge Werbematerial hinterlassen, auf dem der Gekreuzigte zu sehen ist.
Was tun? Die Seele oder doch lieber die Hose retten? Da meldet sich Jesus ganz persönlich zu Wort und bringt Licht in den philosophisch-religiösen Zwiespalt. Er rät dem bedürftigen Sterblichen, eines der Bilder zu nehmen. Schließlich gäbe es auf der Welt noch genug davon ...
Die Geschichte stammt aus der Feder von Buck Fowler, gehört aber zu den Standards im Repertoire von Kinky Friedman. Es ist eine - trotz des witzigen Textes - ernstzunehmende Auseinandersetzung mit Bigotterie und ethisch-moralischen Grundsätzen. Als Christenmensch fragt man sich natürlich, ob der Zweck die Mittel heiligt und Gott einen solchen Frevel verzeihen wird. Die Kardinalfrage wird von Gottes eingeborenem Sohn beantwortet. Wenn es nach ihm (und Friedman) geht, ist sowas schon OK - und wenn nicht, dann hat man eben für den Moment das kleinere Übel gewählt.
Man kann sich unschwer ausmalen, was passieren würde, wenn ein ohnehin schon auffälliger Paradiesvogel wie Kinky unten ohne oder - noch schlimmer - mit vollgeschissener Hose und pestilenzartigem Gestank durch besiedeltes Gebiet liefe. Da würde er wohl recht schnell bei den anderen Außenseitern landen, bei den Leuten, die keine erfolgreichen Schriftsteller, Musiker und Politiker sind, sondern sich in geschlossenen Anstalten bestenfalls einbilden, welche zu sein ...
Und jetzt will dieser Sonderling ausgerechnet den Posten des Gouverneurs von Texas! Aber warum eigentlich nicht? Kinky ist ja wirklich zu Größerem berufen. Einer wie er wäre auch als Präsident der USA die Idealbesetzung, aber das klappt schon mal gar nicht, wie ihm vor Jahr und Tag ein Zigeuner verriet: "Now I know what the gypsy meant/When he told me I´d never be president/He said, adopt a Korean, kill you a moose/Before all hell breaks loose."
Vielleicht liegt es aber auch daran, daß jeder generell nur auf Äußerlichkeiten achtet: "You poked fun at my cowboy shoes/You said they looked just like big canoes/Now its time for the chosen ones to choose/Before all hell breaks loose."
Aber in Zeiten, in denen ein Conan Gouverneur werden kann, ist alles möglich. Vielleicht sogar, daß Friedman den Job bekommt, den er wirklich verdient. Er wäre zum Beispiel der bestmögliche Generalsekretär der Vereinten Nationen, denn er ist Kosmopolit, ein Philanthrop, der den menschlichen Verhaltensmodellen oft eher skeptisch gegenübersteht, und er ist auf eine eigenwillige Art vielfach religiös - seine spirituelle Nähe zu Buddha, Jesus oder Jahwe ist exakt gleich groß. Kinky Friedman beschäftigt sich mit Göttern, Götzen und Gebeten, kennt sich in der Welt aller Heiligen bestens aus und weiß, daß in der Regel mehr der Mensch als irgendeine übersinnliche Wesenheit für die unterschiedlichen Religionen verantwortlich ist. "Just like Jesus reportedly told the Mexicans: 'Don´t do anything until I get back' ", beschreibt er in "God Bless John Wayne" die religiös bedingte Dauersiesta der mittelamerikanischen Nachbarn. Und die hektische Betriebsamkeit der US-Metropolen läßt sich ohnehin nur durch Beistand von oben ändern: "Nothing stops rush hour but the return of the messiah." Es ist natürlich nicht sicher, daß der Erlöser wirklich kommt - und ob er überhaupt erkannt werden würde.
Warum also nicht gleich an Hank Williams glauben? Und genau das tut Kinky: Er war gerade mal acht Jahre jung, als Hank starb, doch die Lieder des Schmerzensmannes aus Alabama haben ihn so beeinflußt, daß er heute sicher ist, daß Williams sein Leben für uns und eine bessere Welt geopfert hat. Leider hat selbst dieser Tod nicht allzuviel gebracht, aber das gilt auch für die geschichtsträchtige Hinrichtung, die vor 2000 Jahren stattfand. Viel Leid um fast nichts? Aber irgendetwas muß da ja sein, wenn schon Hank "I Saw The Light" sang. Ein Licht am Ende des kurzen, aber kurvenreichen Tunnels namens Leben. In "High On Jesus" präzisiert Friedman das Lied seines Gottes: "He said, mister, if you follow me/Rainbow colors you will see/I´ll take your head into the promised land/Friend, I don´t need your stuff/My Jesus is enough/You see them colors bright/Why can´t you see the light?"
Gute Frage - doch darauf weiß auch Kinky keine Antwort.
Wer ist nun also dieser Friedman? Freunde wie der seit 1982 aktive WFAN-Star-Comedian Don Imus oder Outlaw-Legende Willie Nelson und Fans nennen ihn liebevoll "Kinky" oder "Kinkster", dabei hat der Mann eigentlich einen anderen Spitznamen. Zumindest, wenn es nach ihm geht, heißt er "Big Dick". In Wahrheit allerdings lautet sein Name Richard F. Friedman, wobei niemand weiß, wofür das F. steht. Genauso bleibt sein Geburtsort im Dunklen. Einige Quellen sprechen von Rio Ducksworth, einem winzigen Nest in der Nähe der Kleinstadt Palestine. Das wäre zu schön, um wahr zu sein. Ausgerechnet Mr. Friedman kommt nahe einer Ortschaft auf die Welt, die nach gelobtem Christenland klingt, aber genau in dem US-Bundesstaat liegt, in dem Kinky Gouverneur werden will - im "Lone Star"-Musterländle Texas. Wahrscheinlicher ist es da schon, daß Richard in Chicago zur Welt kam und als Kind auf eine Ranch in Texas verschleppt wurde.
Sicher ist hingegen, daß der Kinkster am 31. Oktober 1944 das Licht der Welt erblickte, daß er schon vor der Einschulung lesen konnte, viele Country-Songs beherrschte und ein Schachprofi war. Als Siebenjähriger spielte er gegen den damaligen Großmeister Samuel Rehshevsky - mit welchem Ausgang, ist allerdings wieder im Nebulösen der Friedman-Historie verschwunden. Auf jeden Fall hat er einige Jahre Kunst und Psychologie studiert und sich auch ansonsten noch nie so verhalten, wie es Texaner für gewöhnlich tun. Keine Jagden auf Gürteltiere als Jugendlicher, höchstens mal am Straßenrand pinkeln, wenn der Whiskey an die Außenwelt drängte, aber das ist da unten im tiefsten Süden schließlich erlaubt.
Friedman ist tierlieb, betreibt die "Utopia Animal Rescue Ranch", in der er streunende Hunde vor der Einschläferung bewahrt, und ist Pazifist ("Ich habe keine Waffe und reite nur Zweibeiner"). Im Gegensatz zu vielen anderen Texanern seines Alters ging er nicht nach Vietnam, sondern ins Friedenskorps nach Borneo. Durch mittlerweile über sechs Jahrzehnte Friedman-Zeit zieht sich die Liebe zur Kreatur, und die umfaßt nicht nur eine Katze, sondern auch eine Sherlock-Holmes-Büste und einen Negerpuppenkopf. Während der Sommermonate wohnt er auf der Echo Hill Ranch. Seine Eltern, Dr. S. Thomas Friedman und Minnie Samet Friedman, starteten dort 1953 mit den Sommercamps für Kinder und Jugendliche, und heute verbringt der Kinkster seinen ausgedehnten Urlaub mit dem Nachwuchs und jeder Menge Getier.
Friedman lebt antizyklisch: Die Hitzeperiode verbringt er bei 40 Grad aufwärts in der texanischen Heimat, während der dunklen, depressiven und kalten Wintermonate aber hält er sich im Megagrau New Yorks auf und friert sich in seinem Loft im Village einen ab. Zu seiner Bekleidung gehören aber sommers wie winters der schwarze Stetson, Cowboystiefel ("big canoes") und als notwendiges Accessoire die Havanna-Zigarre. Wenn sich in den USA endgültig das Rauchverbot durchsetzt, soll in Texas eine Ausnahmeregelung für Zigarillos und für Zigarren mit einem Durchmesser von mindestens 1,5 Zentimeter verabschiedet werden. So wahr ihm Hank helfe.
Man muß als Fan den Wahlausgang natürlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge beobachten. Wir wissen, daß Kinky der richtige Mann für den Job ist und als jüdischer Country-Sänger, Schriftsteller, Schachspieler, Friedensnobelpreisanwärter, Querkopf etc. die traditionell engstirnigen Texaner positiv verändern würde. Mit Liedern wie der Adaption der heimlichen Südstaaaten-Nationalhymne "Okie From Muskogee" hat er das leider nicht geschafft. Am Spiegel, den er seinen Landsleuten mit "Asshole From El Paso" vorhielt, liefen diese achtlos vorbei: "We don´t have no love-in´s in El Paso/We don´t go to porno picture shows/We don´t swap our wives with our neighbors/And we keep our kids away from Mexico/And I´m proud to be an asshole from El Paso/A place where sweet young virgins are deflowered/You walk down the street knee-deep in tacos/Ta-ta-ta-tacos/And the wetbacks still get twenty cents an hour/We don´t wipe our asses on old glory/God and lone star beer are things we trust/We keep our women virgins till they´re married/So hosin´ sheep is good enough for us."
Der Song stammt aus der Feder seines Kumpels Chinga Chavin, der ihm während der gemeinsamen Uni-Zeit ("wegen seiner Lockenpracht") auch den Spitznamen "Kinky" verpaßte. Aber zurück zum Thema: Sollen die so ein Lästermaul wählen? Ja, freilich. Als Songwriter würde er uns allerdings fehlen - wenn er diese hohe Kunst nicht schon Mitte der 70er Jahre und nach nur drei regulären LPs und einem Sampler aufgegeben hätte. Die wenigen erhaltenen Stücke sind jedoch so zeitlos, daß sie locker auch noch zwei Amtszeiten eines Gouverneurs überstehen werden.
Anders sieht es mit den Kriminalromanen um den zusehends mehr vereinsamten und von der Außen- und Damenwelt abgeschnittenen Berufsfaulenzer und Hobbydetektiv Friedman aus. Jedes Jahr erschien ein neuer Kinky-Roman, der voller Witz und Weisheit steckte und uns außerdem die liebgewonnenen Haupt- und Nebenfiguren präsentierte: den Nazijäger Rambam, den im Vergleich zum Kinkster noch verquereren Bob-Dylan-Jünger Ratso, dessen Namensvetter mit Mafia-Zugang und italienischen Kochrezepten der Extraklasse, die unnahbare Schöne Stephanie DuPont, die Lesbentanzschule, die Friedman auf dem Kopf herumhüpft, bis ihm die Decke auf denselben fällt - sie alle werden uns fehlen. Zu ändern ist daran auch nichts, wenn Friedman nicht die Gouverneurs-Nachfolge von James Richard Perry antreten darf. Vorsorglich hat Kinky sein Alter ego nämlich schon mal sterben lassen - und an Auferstehung mag er nicht so recht glauben.
Wir halten also die Daumen für die Wahl. Was uns so oder so bleibt, ist das künstlerische Werk des Kinksters ...
Wichtige Internet-Seiten zu Friedman
Photo by Brian Kanof
Die Kinkster-Romane
1. Greenwich Killing Time, 1986
2. A Case Of Lone Star, 1987 (dt: Lone Star)
3. When The Cat´s Away, 1988, (dt: Wenn die Katze weg ist)
4. Frequent Flyer, 1989
5. Musical Chairs, 1991 (dt: Nie wieder Tequila)
6. Elvis, Jesus And Coca Cola, 1993
7. Armadillos And Old Lace, 1994 (dt: Gürteltier und Spitzenhäubchen)
8. God Bless John Wayne, 1995 (dt: Gott segne John Wayne)
9. The Love Song Of J. Edgar Hoover, 1996 (dt: Der Leibkoch von Al Capone)
10. Roadkill, 1997 (dt: Straßenpizza)
11. Blast From The Past, 1998 (dt: Ohrensausen)
12. Spanking Watson, 1999 (dt: Balletratten in der Vandam Street)
13. The Mile High Club, 2000 (dt: Der glückliche Flieger)
14. Stepping On A Rainbow, 2001 (dt: Tanz auf dem Regenbogen, eben erschienen)
15. Meanwhile, Back At The Ranch, 2002
16. Kill Two Birds And Get Stoned, 2003
17. Curse Of The Missing Puppethead, 2003
18. Prisoner Of Vandam Street, 2004
19. ´Scuse Me While I Whip This Out, 2004
20. Ten Little New Yorkers, 2005
Die 20 besten Kinkster-Songs
1. Ride ´Em Jewboy
2. They Ain´t Making Jews Like Jesus Anymore
3. Western Union Wire
4. Sold American
5. Highway Café
6. Before All Hell Breaks Loose
7. Asshole From El Paso
8. We Reserve The Right To Refuse Service To You
9. Men´s Room, L.A.
10. Dear Abbie
11. When The Lord Closes The Door (He Opens A Little Window)
12. Get Your Biscuits In The Oven And Your Buns In The Bed
13. Homo Erectus
14. Nashville Casualty & Life
15. Cherokee Shuffle
16. Ol´ Ben Lucas
17. People Who Read People Magazine
18. Rapid City, South Dakota
19. Marylin And Joe
20. High On Jesus
"Wahl-Spezial: Kinky for Governor" im EVOLVER
Wäre man Texaner, dann könnte man gar nicht anders, als Kinky Friedman seine Stimme zu geben. Ist man jedoch ein Kinkster-Fan aus dem alten Europa muß man eben nach Texas aufzubrechen ...
Ein deutsch-österreichisches Unterstützer-Team berichtet für den EVOLVER von der Wahl.
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