r.evolver - Surfin' Saigon
EDITION SUPER PULP
Vor exakt 20 Jahren durfte Kay Blanchard in Österreichs ältester Netzzeitschrift das bizarre Geheimnis der Nazi-Insel lüften. Jetzt erscheint endlich der letzte Teil der Trilogie um den Todesengel des MI6 - und zwar als Paperback in der neuen EDITION SUPER PULP. Der EVOLVER gratuliert der Jubilarin und präsentiert einen exklusiven Vorabdruck. 06.06.2019
SURFIN' SAIGON - starten wir in ein neues Abenteuer! Seit "Pol Pot Polka" sind (in der Handlung) vier Jahre vergangen. Wer gut aufgepasst hat, erinnert sich, dass Kay am Ende der Geschichte ihre Schwangerschaft feststellte. In weiterer Folge musste sich unsere liebste MI6-Agentin aber nicht nur an die Freuden des Mutterdaseins gewöhnen, sondern auch einen unfreiwilligen Jobwechsel verdauen ...
PROLOG
26. November. Internationale Zone Lienz, British Embassy
Wouuump! Ed Sailers Faust donnerte in meine Magengrube. Ich klappte zusammen wie ein Taschenmesser und rang nach Luft. An sich wär´s das jetzt gewesen. Aber ich hatte mir geschworen, dieses Großmaul zu erledigen. Ein steiniger Weg. Mit letzter Kraft rappelte ich mich hoch, schnappte Sailers Arm und hebelte die Gorilla-Extremität nach vorn. Den Rest erledigte Newtons Gesetz.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht biss Ed die Zähne zusammen und setzte keuchend zu einer Gegenoffensive an. Seine freie Pranke fuhr über die Schulter nach hinten und erwischte meine Hochsteckfrisur. Schon spürte ich, wie sich die ersten Haarwurzeln aus der Kopfhaut verabschiedeten ...
"Arghhh!" Sailers Schrei schnitt sich wie eine Kreissäge in meine Gehirnwindungen. Unvermittelt ließ er mein Haupthaar los und krümmte sich am Boden wie eine Made, die mit dem Zahnstocher gekitzelt wurde.
"Sie geben auf, Ed?" fragte ich überrascht.
"Von mir aus", kam es gepresst zurück, "aber diesen Triumph können Sie sich an die Klotür hängen."
"Ich werde an Ihre Worte denken, wenn ich mir den Hintern abwische."
"Überlegen Sie lieber, wie Sie´s ohne ihr Töchterlein schaffen."
In diesem Moment sah ich Ruby. Sie hatte unbemerkt den kleinen Turnsaal betreten und stand mit grinsendem Gesicht hinter uns. Ihr zierlicher Fuß ruhte zwischen den Beinen meines Sparringpartners. "Du sollst nicht meine Mami an den Haaren reißen", blaffte sie Ed an und kickte noch einmal zu. Autsch! Ich unterdrückte den Impuls, laut loszulachen. "Danke für den Kampf, Ed. Im Büro wartet jede Menge Arbeit auf mich!" Mit diesen Worten zupfte ich meine Trainingshose zurecht und ließ den Sicherheitschef der britischen Botschaft in Lienz mit saurer Miene zurück.
Der DJ auf Radio BFBS hatte Dylan aufgelegt: "Times They Are a-Changin´" - die Nummer erinnerte mich an den autobiographischen Ratgeber, den ich im Geiste seit vier Jahren schrieb: Vom Todesengel zur Kampfmami - eine Sinnkrise von Kay Blanchard.
Keine Mission hatte mich vor ähnliche Herausforderungen gestellt wie dieses Kind. Von den Geburtsschmerzen an bis zur hundertsten ausgekämmten Kopflaus war ich gestresster, erschöpfter, frustrierter als je zuvor. Mein Leben hatte sich aber nicht nur radikal verändert - es gehörte nicht mehr mir, sondern einzig und allein Ruby. Auf ein derartiges Sicherheitsrisiko konnte meine gnädige Königin getrost verzichten. Da blieb dem MI6 gar nichts anderes übrig, als mich aus dem Außendienst abzuziehen. Und wenn mich meine Chefs schon versetzen, dann gleich ordentlich: mitten in die Alpen, ganz weit weg vom Schuss.
Ich blickte aus dem Fenster auf ein pittoreskes Panorama. Exotische Palmengärten und Außenaquarien schmiegten sich unter gläsernen Klimakonstruktionen an schroffe Gebirgshänge. Tief verschneite Alpengipfel konkurrierten mit irren Wolkenkratzern, in deren Penthäusern das Who´s who der Staatenlosen den Tanz auf dem Vulkan zelebrierte. Hier in der Freien Zone Lienz lag das Casablanca der Alpen. Und über der fragilen Kulisse aus Korruption, Freihandelszone und Luxus-Flüchtlingscamp thronte Kay Blanchard auf ihrem Schreibtischsessel, um Aufklärungsdaten auszuwerten. Zugegeben, ich hätte es schlimmer erwischen können. Aber auch viel, viel besser ...
Keine hundert Meilen hinter der Todeslinie befand sich der neue Fliegerhorst Innsbruck. Auf dessen Landeplätzen warteten vierzig Reichsflugscheiben der Euronazis auf ihren Kampfeinsatz. Sämtliche Mitarbeiter unseres Geheimdiensts waren in stetiger Alarmbereitschaft und hatten ihr Marschgepäck beisammen. Nur Kay Blanchard nicht, die durfte Alleinerzieherin spielen und nebenbei ein paar strategische Bewertungen abgeben.
Ich schnappte mir das erste Dossier von der Ablage: ein Rundschreiben des Außenamts mit Top-Secret-Siegel. Der Inhalt war brisant. Wieder einmal ging es um die "Stecknadel" – einen mysteriösen Naziagenten, über den sämtliche Abteilungen wild spekulierten. Keiner wusste, ob es ihn tatsächlich gab oder was an seiner sagenumwobenen Operation "Pompadour" dran war. Angeblich sollte sie das Vereinigte Königreich in den Grundfesten erschüttern. Mal schauen. Die Akte beinhaltete das Photo eines schlichten silbernen Medaillons, das der Typ angeblich irgendwann getragen hatte: "Achten Sie auf Übereinstimmungen und reagieren Sie gegebenenfalls sofort!"
Aber gern! Ich schloss die Augen, zog den Reißverschluss des hautengen Lederzeugs nach oben und raste mit meiner Triumph Bonneville kurz bis ans Ende der Welt, um dort der "Stecknadel" das Licht auszuknipsen. Als ich von meinem kleinen Phantasietrip zurückkehrte, setzte Dylan gerade zur letzten Strophe an. Ich lockerte den Krawattenschal an meiner Bluse, klappte den Deckel des Dossiers zu und nahm einen Stapel mit aktuellen Aufklärungsbildern zur Hand.
Unter den Aufnahmen lag ein unscheinbares weißes Kuvert. "An Miss Kay Blanchard" stand drauf, der Absender fehlte. Eine Bombe war es nicht, soviel stand fest, sonst hätte Ed Sailer ja wohl keinen Freigabestempel draufgeknallt. Obwohl - so beliebt, wie ich neuerdings bei ihm war, hätte er es mir durchaus mit einem explosiven Poststück heimzahlen können ... Auf dem verschmutzten Umschlag prangte eine Sondermarke mit dem Häschen-Face von "Little Heini". Der Schweizer Kinderstar war vor allem in Indochina eine große Nummer. Leider konnte auch ich mittlerweile schon seine Songs nachpfeifen.
Überrascht stellte ich fest, dass der Brief vor zwei Jahren in Vietnam abgestempelt worden war. Das passte. Um diese Zeit herum hatten die Euronazis tatsächlich ein paar Royal-Mail-Jets vom Himmel geholt. Es grenzte also an ein Wunder, dass der Brief doch noch seinen Weg zu mir gefunden hatte. Ich riss den Umschlag auf und zog den Papierbogen heraus.
"Liebe Kay!" Mehr war nicht zu entziffern, weil die restlichen Zeilen vom Home Office geschwärzt worden waren. Nur die Schlussformel hatten die Kollegen stehen lassen: "Ihr ergebener Dr. Braven Dreyer" - und das Postskriptum: "Falls Sie einmal in die Gegend kommen, schauen Sie doch im Secret Club vorbei."
Gedankenverloren faltete ich das Blatt zusammen. Was hatte mir mein Ex-Kollege mit dem Schreiben mitteilen wollen? Und welche heiklen Informationen darin hatten das Innenministerium zur Zensur bewogen?
War es wirklich schon mehr als vier Jahre her, dass ich den Doktor am Flughafen in Bangkok ziehen lassen musste, weil er mich mit Lähmungsgift außer Gefecht gesetzt hatte? Rückblickend betrachtet konnte ich ihm die Finte nicht übelnehmen. Unser Vorgesetzter hätte Braven für seine eigenmächtigen Aktionen garantiert den Kopf abgerissen. Dreyer war ein genialer Wissenschafter, der es vorzog, auf seine Art für eine freie Welt zu kämpfen. Bei Sir Georg stießen seine unkonventionellen Methoden allerdings nicht immer auf Gegenliebe.
Unweigerlich fiel mir ein, wie Braven mir damals im Flughafencafé seinen Verdacht mitgeteilt hatte, dass ich schwanger sein könnte. Ich musste an das abgrundtiefe Loch denken, das sich in dieser Sekunde in meiner schwarzen Seele aufgetan hatte. Meine Augen wanderten zu der kleinen Photographie neben der Schreibtischlampe. Das Gör darauf war mir wie aus dem Gesicht geschnitten: genau der gleiche trotzige Blick, die gleiche Mundpartie, das gleiche rote Haar, das widerspenstig in die Stirn fiel. So weit, so Blanchard - fehlte eigentlich nur, dass mir endlich jemand verriet, wer der Vater des Satansbratens war ...
In wenigen Tagen erfahren Sie, wie es weitergeht. Während einer Zirkusvorstellung kommt es zur Katastrophe ... Bleiben Sie dran!
Ihr Stil ist so irre wie eine Performance von GG Allin: selbstzerstörerisch, voller Exkremente und ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten. Dabei sind die Handlungsbögen ihrer gelegentlich gewöhnungsbedürftigen Plots ausgefeilt, ihre witzige Sprache fast schon virtuos und ihr Tempo definitiv atemberaubend - das ist Faye Hell, die sympathische Freibeuterin im mörderischen Bermuda-Dreieck der Horrorliteratur. r.evolver läßt sich kapern und bittet bei der Gelegenheit zum Interview.
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Kay Blanchard rules! In "Surfin’ Saigon" kämpft sich der Todesengel des MI6 bereits zum dritten Mal gewohnt sexy, brutal und voll mit Amphetaminen durch r.evolvers irres Nazi-Universum. Thomas Fröhlich hat sich an das neue haarsträubende Abenteuer der ungewöhnlichsten Agentin Ihrer Majestät gewagt ...
Wie´s ausschaut, hat Kay ein Kind gehabt. Was wird sie jetzt unternehmen? Gott sei Dank ist unsere Agentin einigermaßen stressresistent, man möchte sogar sagen "bulletproofed" (zumindest hat sie bis heute jeden Einsatz überlebt). Glück im Unglück - weil jetzt geht´s erst so richtig los.
Nur noch ein paar Tage bis zum Erscheinen des neuen Kay-Romans "Surfin´ Saigon"! Verkürzen Sie sich - exklusiv im EVOLVER - die Wartezeit mit der Lektüre der ersten Vorabkapitel. Was bisher geschah: Kay wurde vom Geheimdienst abgezogen und befindet sich mit Tochter Ruby in der Zone Lienz. Dort fristet sie in der britischen Botschaft ihr Dasein als Analystin von Aufklärungsdaten. So weit, so öd. Doch das Ende der ruhigen Lebensphase naht ...
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