Stories_Jessica Fletchers/Interview

Mit der Kraft der bunten Blumen

Kleidung waschen ist schwierig, wenn man auf Tour ist, meint Thomas Innstø. Der Sänger der Jessica Fletchers referiert auch über Britpop, Metal-Jünger und Feel-Good-Attitüde ...    10.05.2005

Das sexy Austin-Powers-Mascherl saß wie eine Eins, die knalligen Hemden waren schön zerknittert, die Gitarren dudelten richtig knackig dahin und der langhaarige Typ hinter der Hammond-Orgel headbangte sich die Seele aus dem Leib. Beim Gig der Jessica Fletchers am 19. April im Chelsea fühlte man sich wirklich in die Swinging Sixties zurückversetzt. Sänger Thomas Innstø und der Rest der Norweger-Crew brachten mit ihrem Sixties- und Seventies-Pop-Rock-Surf-Sound zwar nicht das ganze Chelsea zum Tanzen, in manchen Momenten konnte aber kein Bein im Publikum ruhig stehen bleiben.

Bevor die Jungs ihren Charme auf der Bühne versprühen konnten, stand Sänger Thomas dem EVOLVER Rede und Antwort.

 

EVOLVER: Um ein wenig mit Klischees zu spielen: In Skandinavien halten - zumindest mengenmäßig - ja eher düstere Gestalten das Musik-Zepter in der Hand. Wieso seid ihr nicht auf den maskulinen und melancholischen Metal-Zug aufgesprungen?

 

Thomas: Es hat sich in der Band einfach in diese Richtung hin entwickelt. Wir wurden ziemlich von der britischen Szene angezogen, hörten Oasis, Blur und Suede sehr gerne. Diese britische Indie-Pop-Musik haben wir dann zum Anlaß genommen, selbst Songs zu schreiben.

 

EVOLVER: Wieso habt ihr euch dann nicht ganz dem Britpop verschrieben?

 

Thomas: Weil wir uns ja nicht nur von diesen Britpop-Bands beeinflussen lassen haben. Wir mochten einfach diese Musik. Und es war einfacher und logischer für uns, eher "englisch" zu spielen als einen amerikanischen Musik-Stil zu pflegen.

 

EVOLVER: Du hast bis jetzt nur "ältere" Bands aus England erwähnt ... Was ist mit den neuen Acts?

 

Thomas: Ich bin wirklich kein Fan von diesen neuen Bands. Die werden einfach zu viel gehypet. Da ist meistens ein guter Song auf dem ganzen Album, der Rest ist Scheiße. Von diesem ganzen neuen Zeug mag ich am ehesten noch Franz Ferdinand, die sind wirklich gut. Aber die interessantesten Bands kommen derzeit ja aus Schweden - das sage ich jetzt nicht nur wegen der Hives!

 

EVOLVER: Ist es möglich, euren Sixties- und Seventies-Pop-Rock-Surf Sound zu lieben, ohne ein Fan der Retro-Mode zu sein?

 

Thomas: Na klar! Kurz bevor wir in Linz die Bühne enterten, warnte uns unser Promoter vor, daß da wohl auch einige Leute im Publikum sein werden, die normalerweise eher zu Metal- oder Hip-Hop-Gigs gehen. Und denen scheint´s ganz gut gefallen zu haben ...

Ich persönlich bin ja nicht so tolerant: Ich gehe zu keinen Metal-Konzerten, weil mir die Musik einfach zu hart ist. Aber wenn es umgekehrt ist - also Heavy-Metal-Freaks zu unseren Konzerten kommen - ist mir das ganz recht ...

 

EVOLVER: Ihr bringt also auch Metal-Heads zum Tanzen?

 

Thomas: Absolut! Viele Musikrichtungen gehen ja aus derselben Basis hervor, und meiner Meinung nach wurden sogar Heavy-Metal-Bands von den Beatles beeinflußt ...

 

EVOLVER: Was wollen die Jessica Fletchers eher erreichen? Leute zurück zur "Flower-Power-Generation" bringen, oder die Musik dieser Generation in das 21. Jahrhundert transferieren?

 

Thomas: Ich meine das jetzt nicht oberflächlich: Ich will gute Beats und Melodien mit den Leuten teilen. Ich will die Leute einfach zum Tanzen bringen, das ist, was zählt. Sie sollen unbeschwert ein Bier trinken können, während sie einfach nur glücklich sind. Sie sollen unsere Musik hören können ohne Stress im Hinterkopf.

 

EVOLVER: Eure Songs klingen wirklich so, als ob die ganze Zeit Sonne in euren Herzen scheint. Schreibst du deine Songs also eher im Sommer? Weil die skandinavischen Wintertage sollen ja ziemlich lang und düster sein ...

 

Thomas: Gute Frage eigentlich. Ich weiß es nicht genau. Ich starte mit dem Songwriting gewöhnlich erst so ab 11 Uhr nachts. Dann gehe ich kurz nach draußen, um eine Zigarette zu rauchen, während ich den Verkehr und natürlich die Leute beobachte. Und wenn sich eine Idee anbaut, laufe ich schnell ins Haus!

Sehr kreativ bin ich übrigens auch mit einem gescheiten Kater nach einer durchzechten Nacht. Auch Rune, unser zweiter Gitarrist, kann auf diesem Weg coole Songs beisteuern ...

 

EVOLVER: Bands wie The Kinks, The Beatles oder auch The Who haben euch hörbar beeinflusst. Was unterscheidet euch von anderen Bands mit ähnlichem Ansatz?

 

Thomas: Schau, ich habe mir das Gitarrespielen vor zehn Jahren beigebracht, kann sie aber noch immer nicht richtig spielen. Ich kann gerade ein paar Akkorde spielen, die...

 

EVOLVER: Diese Aussage ist jetzt aber ein Scherz, oder?

 

Thomas: Nein, ich bin auf der Gitarre wirklich ziemlich beschränkt. Ich wollte nie ein Gitarrist werden, dafür verbrauche ich meine Energie zu sehr damit Songs zu schreiben! Ich kann zum Beispiel - bis auf ein paar Nirvana-Nummern - keine Songs von anderen Bands nachspielen.

Der Grund, wieso wir uns so anhören wie die Kinks oder ähnliche Bands, ist, weil ich genau so mein Gitarrenspiel beherrsche. Ich liebe das "Du dudu du"! Das ist einfach cool!

Die ganzen Vergleiche mit solchen Bands sind mir egal. Ich selbst höre eher selten Musik und besitze auch nur einige wenige CDs. Zur Zeit habe ich nicht einmal einen richtigen CD-Player, weil bei meinem Player nur ein Lautsprecher richtig funktioniert ...

 

EVOLVER: Im Rahmen eurer Europa-Tour spielt ihr alleine im April 16 Konzerte in 19 Tagen. Ist das die Schattenseite des Rock´n´Roll-Lebens?

 

Thomas: Ich finde es einfach nur cool. Wir sind zwar meistens ziemlich müde, aber es geht voll in Ordnung. Nur mit dem Kleider waschen ist´s ab und zu mühsam: Gestern hab' ich in Linz ganze zwei Stunden eine Waschmaschine für meine dreckigen Klamotten gesucht ...

David Krutzler

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