Zeronic - The Price of Zeitgeist
(Photos © Geoffrey Steinberg)
commitment music (Ö 2009)
Früher beschäftigten sie sich mit "Images Of Girls" und galten als große österreichische Rock-Hoffnung. Jetzt sind Zeronic nach längerer Pause mit einem neuen - und ganz anderen - Album zurückgekehrt. Der EVOLVER hat Sänger Mik vors Mikrophon gebeten. 13.05.2009
EVOLVER: Sprechen wir ein wenig über euren Werdegang. Woher kennt ihr euch, seit wann macht ihr gemeinsam Musik?
Mik: Wir kennen uns eigentlich schon sehr lange - seit der Schule. Den Rainer, den Gitarristen der Band, kenn´ ich, seit ich zehn bin. Wir haben dann im Alter von 14 oder 15 begonnen, ein bißchen herumzuspielen, Musik zu machen. Und das ist eigentlich der Kern der Band gewesen, der bis heute besteht. Also ein ganz klassisches Modell.
EVOLVER: Ihr seid nach eurer ersten Veröffentlichung als einer der Hoffnungsträger der österreichischen Indie-Rock-Szene gehandelt worden, habt große Touren absolviert und wurdet zwei Mal für den Amadeus Austrian Music Award nominiert. Rückblickend betrachtet: Wie habt ihr diese Zeit erlebt?
Mik: Es ist nach dem ersten Album sehr bald sehr viel passiert. Wir hätten uns diesen Sprung - also Sachen wie den Amadeus und die vielen Konzerte und Festivals - nicht erwartet. Das ist alles sehr schnell gegangen und war auf jeden Fall sehr spannend. Schwierig geworden ist es nach dem zweiten Album, weil das irgendwie ein recht verwirrtes Teil war. Das erste war glam-lastig und auch poppiger, das zweite war sehr heavy und düster und ist dann zusätzlich durch das dunkle Cover in ein Eck gerückt worden, wo wir eigentlich nicht hinwollten - also ins "Düster-Eck". Und da haben wir relativ klare Schritte gebraucht, um uns da wieder rauszumanövrieren.
EVOLVER: Habt ihr euch damals schon als künftige Superstars gesehen? Es ging ja wirklich konsequent bergauf.
Mik: (lacht) Nein, als Superstars nicht, weil das ja national gar nicht möglich ist. Wir waren relativ schnell dort, wo man als Indie- oder Alternativ-Band in Österreich hinkommen kann, und haben uns dann lange auf demselben Level bewegt. Jetzt hoffen wir, daß sich für uns auch andere Richtungen auftun.
EVOLVER: Die beiden ersten Alben sind im wesentlichen sehr pathetische Indie-Rock-Alben. Wieso habt ihr 2005 mit der Single "Images Of Girls" eure musikalische Gangart in Richtung britisch beeinflußten, glamourösen Pop geändert?
Mik: Das ist jetzt witzig. Ich sehe ja heute im Zeitraffer die Sprünge, die es gibt, aber wir haben uns nie gezielt um Genres oder Stilrichtungen gekümmert; wir haben nie gesagt, wir wechseln jetzt. Die Zeitabstände zwischen den Veröffentlichungen waren so lang, daß uns unsere musikalische Entwicklung immer halbwegs normal vorgekommen ist, auf Außenstehende aber vielleicht zum Teil ein wenig sprunghaft gewirkt hat. "Images Of Girls" war ein notwendiger Zwischenschritt dorthin, wo wir jetzt musikalisch stehen. Es war zum ersten Mal inhaltlich klarer, ein bisserl witziger und ein klarer Schritt weg vom Pathetischen, hinter dem ich mich versteckt habe. Da wollte ich unbedingt raus.
EVOLVER: Die Single wurde von Gareth Jones produziert, der schon mit Größen wie Depeche Mode, Nick Cave, Garbage oder Moby gearbeitet hat. Wie seid ihr denn zu dem gekommen?
Mik: Das klingt jetzt leicht unwirklich, aber ich hab´ dem einfach eine E-Mail geschickt mit zwei MP3s, und er hat sich am nächsten Tag, weil sein Management zufällig gerade nicht da war, gleich selbst gemeldet. Er war dann für zwei Tage in Wien, um uns kennenzulernen, was ganz gut geklappt hat - und dann ist es losgegangen.
EVOLVER: Und wer hat das bezahlt?
Mik: Wir.
EVOLVER: Das wird ja nicht ganz billig gewesen sein ...
Mik: Das war auch nicht ganz billig, aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Das ist aber jetzt auch nicht so teuer, daß man sich das letzte Hemd ausziehen muß. Es war durchaus so, daß wir uns das überlegt und dann nicht lange gezögert haben.
EVOLVER: In den vergangenen paar Jahren hatte ich den Eindruck, ihr seid nach London ausgewandert. Ihr habt dort immer wieder Gigs gespielt, in Österreich aber nur sehr wenige. Wieso das?
Mik: Weil wir hier so lange mit neuen Shows warten wollten, bis wir mit dem neuen Material soweit sind, daß es als Ganzes wahrgenommen werden kann. In London hatten wir den Vorteil, daß wir relativ frisch immer wieder Konzerte angehen konnten. Und wir haben die Chance gehabt, dort wirklich tolle Gigs zu spielen, die wir hier in einer Zeit, in der wir nichts veröffentlichten und nicht präsent waren, gar nicht spielen hätten können.
EVOLVER: Warum hat es von der letzten Single bis zum aktuellen Album vier Jahre gedauert?
Mik: Wir wollten eigentlich früher veröffentlichen, also bald nach der Single, haben dann aber vom Material her nicht diese Dichte an qualitativ hochwertigen Songs gehabt, die wir für das dritte Album gebraucht haben - und gedrängt hat uns auch niemand. Das war ganz angenehm, daß wir jetzt so lange arbeiten und warten konnten, wie wir wollten. Und dadurch, daß ich das Album selbst produziert habe, hat es auch keinen Zeit- oder Kostendruck gegeben. Wir haben uns mit dem Aufnehmen sehr lang Zeit gelassen und mit der Veröffentlichung so lange gewartet, bis es für uns gepaßt hat.
EVOLVER: Also war an den Auflösungsgerüchten nie was dran?
Mik: Wir haben zwar umbesetzt - die drei Leute, die es von Anfang an gemacht haben, sind noch immer dabei, live spielen zwei andere Jungs mit - und es war ein bisserl eine Schwierigkeit zu sagen, wer weitermacht und wer nicht; aber eine Auflösung stand nie im Raum. Auch wenn es nach außen hin so gewirkt haben kann, das versteh´ ich gut.
EVOLVER: Das neue Album klingt "very British". Aber beschreibe den Stil bitte selbst.
Mik: Hmm, schwierig. British ist einmal sicher nicht falsch ... das Album ist für mich ein Pop-Album. Es ist auf jeden Fall Uptempo, es ist relativ glam-ig und sehr inhaltslastig. Das sind die Dinge, die die Klammer um das neue Album bilden. Und es darf auch mal witzig sein, das ist auch neu.
EVOLVER: Worum geht es denn inhaltlich? Gibt es eine klar erkennbare Linie?
Mik: Ja, doch, da gibt es eine Linie. Es ist die Beschreibung meiner oder unserer Generation, wie sie so momentan tickt. Was ich aus Gesprächen, Erlebtem, aus Beobachtetem mitnehmen konnte. Ich denke, es sind Themen, die meine Generation prägen.
EVOLVER: Eure ersten beiden Alben sind auf heimischen Labels erschienen, das neue auf dem von euch eigens gegründeten commitment music. Was war der Grund, ein eigenes Label zu gründen statt auf ein etabliertes zu setzen?
Mik: Schon vor der Produktion haben wir angedacht, diesmal wirklich alles selbst zu machen, vom ersten bis zum letzten Kabel - und dann war der logische Schritt, auch das Label selbst zu machen.
EVOLVER: Schlechte Erfahrungen mit bisherigen Labels?
Mik: Nicht unbedingt schlechte, aber auch nicht so berauschende. Das könnte man selbst schon besser machen ...
EVOLVER: Du hast das Album selbst produziert und abgemischt. Woher kannst du denn das?
Mik: Ich hab´ schon 2004 begonnen, Dinge für mich zu produzieren, hab´ dann gemeinsam mit Jiri Malakoff dessen Album produziert und diverses internationales Zeug. Und die Produktion mit Gareth Jones hat mir gezeigt, wie es abseits großer Studiostrukturen geht. Ich habe keine Ausbildung und habe mir das alles selbst beigebracht.
EVOLVER: Zeronic werden sowohl auf den mit aller Vorsicht als "alternativen Radiosendern" zu bezeichnenden Stationen als auch auf Ö3 oder der Antenne gespielt. Siehst du da einen Widerspruch?
Mik: Nein. Über diese Dinge mag ich mir auch wirklich keine Gedanken machen. Es ist angenehm befreiend, wenn man sich mal aus dem Kontext des klassischen Indie-Alternativ-Universums löst. Ich bin da recht offen: Ich hab´ mein Album, es gibt die Single - und wenn sie wer spielen möchte, freut es mich.
EVOLVER: "Die neuen Österreicher", wie Ö3 aktuelle heimische Bands betitelt und zu denen auch ihr gezählt werdet, haben in der Indie-Szene mitunter ein "Glaubwürdigkeitsproblem". Habt ihr das auch?
Mik: Na. Ich denk´, wir haben den Vorteil, auf eine langjährige Aktivität in der Indie-Szene zurückzublicken und jetzt einmal ein Album zu machen, das ein wenig breiter funktioniert. Damit ist ein Glaubwürdigkeitsproblem - denk´ ich - für uns einfach nicht da, weil wir es schon zu lange machen. Wir sind keine Quereinsteiger oder Umsteiger, wir haben uns logisch entwickelt. Um bei Ö3 einzuhaken: Ich kann es mir nicht anmaßen, einem Radiosender aufzuoktroyieren, wie er mich anmoderiert, das ist deren Sache. Wenn wer die Songs spielen möchte, freut mich das.
EVOLVER: Wie sieht es denn außerhalb von Österreich mit Erfolg aus? Hat euch Gareth Jones Tür und Tor nach Großbritannien geöffnet?
Mik: Er hat uns zumindest Tür und Tor zu den Shows in Großbritannien geöffnet, und wir sind jetzt dran, Veröffentlichungsoptionen im Ausland zu checken, was aber frühestens im Herbst passieren wird.
EVOLVER: Und die finanzielle Komponente?
Mik: Die darf man einfach nicht so ernst nehmen, sonst macht´s auch keinen Spaß mehr.
EVOLVER: Könnt ihr von dem, was ihr macht, leben?
Mik: Nicht direkt von der Band. Ich mach´ aber alles Mögliche rund um die Musik, lebe also davon.
EVOLVER: Was soll die Zukunft bringen?
Mik: Jetzt einmal hoffentlich schöne Konzerte in Österreich und dann wollen wir schauen, wie wir die Platte international rausbringen können. Und was mir wichtig ist: so schnell wie möglich wieder ein neues Album herauszubringen. Es soll nicht wieder so viel Zeit vergehen wie zwischen den letzten, sondern höchstens ein, zwei Jahre.
Zeronic - The Price of Zeitgeist
(Photos © Geoffrey Steinberg)
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