Stories_In Memoriam: Pavarotti & Solti

Remember the Titans

Anstatt der üblichen Rezensionen von Neuproduktionen wollen wir an dieser Stelle die Herbststimmung und traurige Anlässe nutzen und zweier Künstler gedenken, die die Kulturwelt nachhaltig geprägt haben: des vor zehn Jahren verstorbenen Sir Georg Solti und des großartigen Luciano Pavarotti, der vor kurzem einem Krebsleiden erlag.    25.10.2007

Mit Luciano Pavarotti verließ heuer einer der besten Sänger die Bühne des Lebens. Der Weltklasse-Tenor verstarb mit 72 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Pavarottis Repertoire ging quer durch die italienische und französische Oper und durch das Lied- und Konzertrepertoire, angefangen von lyrischen Werken bis hin zu Ausritten in die dramatischen Stücke wie "Turandot" und "Otello". Seine Stärken waren die glanzvolle Höhe und die wunderbare Phrasierung. Anläßlich seines Todes sind unter dem Titel "Pavarotti Forever" sowohl eine CD als auch eine DVD erschienen, auf denen alle seine "Hits" zu hören sind. Empfehlungen aus seiner gewaltigen Diskographie sind fast unmöglich; die Box mit vier Puccini-Opern, von denen zwei der einzigartige Herbert von Karajan dirigiert hat ("La Bohème" und "Madama Butterfly"), ist jedenfalls eine der besten Zusammenstellungen. Aber auch die Opern "Tosca" und "Turandot" sind mehr als hörenswert.

Der Autor dieser Zeilen hatte das Glück, Pavarotti sehr oft in der Oper (auch bei Proben), im Konzert und bei Plattenaufnahmen erleben zu können. Es war bewundernswert, wie souverän der große Künstler immer auf dem Podium stand und wie sehr er dabei trotzdem Mensch blieb - und das, obwohl Pavarotti von einigen Feuilletonisten immer wieder verhöhnt wurde. Doch während diese in gerechtfertigter Bedeutungslosigkeit versunken sind, wird es mit Big P. auch in Zukunft so sein, wie der Titel seiner letzten Produktion es herausschreit: "Pavarotti Forever".

 

Ebenfalls immer in Erinnerung bleiben wird Sir Georg Solti, dessen Todestag sich heuer zum zehnten Mal jährt. Geboren wurde er 1912 als György Stern in Buda (dem heutigen Budapest). Seine Karriere begann er jedoch in der Schweiz, wo er im Exil lebte, als Korrepetitor und später auch als Dirigent. 1947 entstand auch seine erste Aufnahme für die Decca, die sich unter anderem in der großartigen 5-CD-Box "A Passion for Music" befindet. Hier ist Soltis Lebenswerk mehr oder minder enthalten.

Die musikalische Rundreise ging über Rußland (Strawinsky, Borodin, Glinka) und Ungarn (Bartók, Weiner, Kodály) nach Wien, wo Solti tonträgermäßig Musikgeschichte schrieb. Dort entstand in den 60er und 70er Jahren die phänomenale "Ring"-Einspielung mit den Wiener Philharmonikern, die in den Sofiensälen aufgenommen wurde. Eine Dokumentation der Aufnahmen ist auf der DVD "The Golden Ring" festgehalten. Dabei stellt man verwundert fest, wie die Decca-Mitarbeiter mit heute antiquarisch aussehenden Aufnahmegeräten einen weitaus besseren Klang herstellen konnten als aktuelle Technik-Fuzzis mit ihren Computern.

Solti produzierte 1983 in den Sofiensälen Orchestermusik von Wagners "Ring" als Vorbereitung zu den Bayreuther Festspielen und zum 100. Todestag des Komponisten. Der Verfasser durfte damals bei den Aufnahmesitzungen zuhören und muß leider feststellen, daß selbst die Decca die fulminanten Klangwogen auf der CD nicht einfangen konnte. Trotzdem lohnt allein diese Wagner-Scheibe den Kauf der ganzen Box. Bewundern kann man auch die Loyalität, die Sir Georg Solti den Wiener Philharmonikern entgegenbrachte. Der Maestro wurde von dem Orchester nicht wirklich geschätzt und ernstgenommen. Es ist geradezu peinlich, daß man so einen großen Künstler mehrmals nachfragen ließ, ob er das Neujahrskonzert "dirigieren dürfe" und ihn dann trotzdem immer wieder abblitzen ließ - vor allem, wenn man sich anschaut, welche Figuren heute vor das Orchester treten.

Die Tonträger-Reise endet schicksalhaft 1997 in Zürich mit dem Tonhalle-Orchester, mit dem Solti Mahlers 5. Symphonie aufführte - einfach großartig, wie sich der Maestro durch die fünf schwierigen Sätze arbeitet und Mahlers Partitur umsetzt. Orchestral war zwar die Aufnahme dieser Symphonie mit dem Chicago Symphony Orchestra aus dem Musikverein vielleicht noch beeindruckender, aber Sir Georg gab auch dem Zürcher Orchester einen besonderen Schliff. Und das gilt für seine gesamte Karriere ...

Herbert Hiess

In memoriam Sir Georg Solti


CD-Tip: A Passion for Music

div. Werke, div. Orchester

 

DVD-Tip: The Golden Ring & Sir Georg Solti - The Maestro (4-DVD-Box)

Links:

In memoriam Luciano Pavarotti


CD-Tips: La Bohème, Madama Butterfly, Tosca, Turandot, Pavarotti Forever

 

DVD-Tip: Pavarotti Forever

Links:

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