Hunter S. Thompson (1937 - 2005)
"Bear Hunt"-Photo © by HST archives
Mit "Angst und Schrecken in Las Vegas" schuf der verstorbene Thompson nicht nur eines der besten Bücher der 70er, sondern auch das wohl bedeutendste Dokument der Drogenliteratur. 03.03.2005
Wir waren irgendwo bei Barstow am Rand der Wüste, als die Drogen zu wirken begannen. Ich weiß noch, daß ich so was sagte wie: 'Mir hebt sich die Schädeldecke; vielleicht solltest du fahren ...
Das Jahr: 1971. Der Ort: Nevada, auf der Straße von L. A. nach Las Vegas. Der Profi-Journalist Hunter S. Thompson (alias Raoul Duke) hat von einer schicken Sportzeitschrift den Auftrag bekommen, eine Story über das "Mint 400", ein grandioses Wüstenrennen für Motorräder und Buggies, zu schreiben. Er schnappt sich ein paar Spesendollars, mietet ein rotes Chevy-Cabrio (den "Großen Roten Hai") und lädt seinen schwergewichtigen samoanischen Anwalt ein, mit auf die Reise zu kommen. Die Sportveranstaltung ist den beiden naturgemäß völlig egal – in ihren Köpfen hat sich die wirre Vorstellung festgesetzt, in der Glücksspielmetropole den amerikanischen Traum zu suchen.
Wie man auf so eine Idee kommt? Dazu brauchen wir nur einen Blick auf den Reiseproviant von Duke & Co. zu werfen:
Der Kofferraum des Wagens sah aus wie ein mobiles Labor des Rauschgiftdezernats. Wir hatten zwei Beutel Gras, fünfundsiebzig Kügelchen Meskalin, fünf Löschblattbögen extrastarkes Acid, einen Salzstreuer halbvoll mit Kokain und ein ganzes Spektrum vielfarbiger Upper, Downer, Heuler, Lacher ... sowie eine Flasche Tequila, eine Flasche Rum, einen Karton Budweiser, einen halben Liter unverdünnten Äther und zwei Dutzend Knick-und-Riech.
So beginnt Hunter S. Thompsons legendäres Werk "Angst und Schrecken in Las Vegas" ("Fear and Loathing in Las Vegas"), das von der New York Times zum "besten Buch des Drogenjahrzehnts" tituliert wurde. Mit ihm hatte der ehemalige Sport/Politikreporter und Südamerika-Korrespondent ("Ich verbrachte meine Entwicklungsjahre damit, über eine unheilige Dreieinigkeit aus Gott, Nixon und der National Football League zu schreiben"), geboren in Louisville, Kentucky, erstens genau den Nerv seiner Zeit getroffen und zweitens eigenhändig den "Gonzo-Journalismus" erfunden.
Die Abenteuer des Journalisten und seines Anwalts, die - kaum der menschlichen Sprache und eines klaren Gedankens mächtig - ein Zimmer in einem der Casino-Hotels beziehen, um sich dort ungehemmtem Rauschgift- und Schnapskonsum hinzugeben, Irrsinn zu reden, die Einrichtung komplett zu demolieren und eine unglaubliche Zimmerservice-Rechnung zu verursachen, finden ihren Höhepunkt nicht beim "Mint 400" (von dem sie kaum was mitkriegen), sondern in durch Schlafentzug gesteigerter Paranoia, irrwitzigen Dialogen, dem Abfeuern großkalibriger Waffen, Zechprellerei und schließlich der überstürzten Flucht durchs Hinterland.
Als ich zum Flughafengebäude kam, war ich schweißgebadet. Aber nichts Ungewöhnliches. Ich schwitze immer, wenn´s warm ist. Meine Klamotten sind klatschnaß von früh bis spät. Zuerst machte mir das Sorgen, aber als ich zu einem Arzt ging und meine normale tägliche Ration an Schnaps, Drogen und Giften beschrieb, sagte er mir, ich solle wiederkommen, wenn ich nicht mehr schwitzte. Das sei der gefährliche Moment, sagte er - ein Zeichen, daß der unheilvoll überarbeitete Widerstandsmechanismus meines Körpers absolut zusammengebrochen sei. 'Ich habe großes Vertrauen in die natürlichen Abwehrkräfte', sagte er. 'Aber in Ihrem Fall ... nun ... da bin ich hilflos, weil ich keinen Vergleich habe. Wir müssen einfach abwarten, und dann sehen, was überhaupt übrig ist.
aus "Angst und Schrecken in Las Vegas"
Doch kaum ist Thompson glücklich aus Las Vegas draußen, schickt ihn der "Rolling Stone" wieder hin: diesmal soll er ein Seminar über Narkotika und gefährliche Drogen besuchen, das im Rahmen der Bundeskonferenz der amerikanischen Bezirksstaatsanwälte stattfindet. Die journalistische Sorgfaltspflicht obsiegt über den Verfolgungswahn, der "Große Rote Hai" wird gegen den "Weißen Wal" ausgetauscht, der Anwalt kommt (mit einer geistesgestörten Eroberung) zurückgeflogen, eine weitere Suite wird verwüstet. Heldenmütig - und zu bis über beide Ohren - begeben sich unsere Berichterstatter in die Höhle des Löwen, um die Drogenpolitik der Vereinigten Staaten ein für allemal lächerlich zu machen:
Beim Mint 400 hatten wir es mit einer grundsätzlich verständnisvollen Meute zu tun gehabt, und wenn unser Benehmen auch obszön und empörend war ... nun, das war nur eine Frage des Auffälligkeitsgrades. Aber diesmal war schon unsere Anwesenheit allein eine Herausforderung, eine Freveltat. Wir würden uns unter Vorspiegelung falscher Tatsachen bei der Konferenz einschleichen und es von Anbeginn mit Leuten zu tun haben, deren Lebenszweck darin bestand, Typen wie uns hinter schwedische Gardinen zu bringen. Wir waren die Bedrohung - bemäntelten nichts, sondern waren offen drauf aus, Drogenmißbrauch zu treiben, und wir hatten eine schamlos ausgeflippte Tour drauf, die wir bis ins Extreme treiben wollten ... nicht um irgendeinen endgültigen soziologischen Beweis zu führen, und auch nicht, um etwa bewußt die Narcs zu verarschen: Es war hauptsächlich die Frage des Lebensstils, ein Gefühl, daß wir es unserer Sache schuldig waren, ja Pflichtbewußtsein. Wenn die Pigs sich in Las Vegas versammelten, um eine Super-Drogen-Konferenz abzuhalten, dann sollte nach unserer Meinung die Drogen-Kultur ihre Repräsentanten dabeihaben.
Außerdem war ich jetzt schon so lange bedröhnt, daß ein Job wie dieser absolut logisch erschien.
That´s Entertainment!
Hunter S. Thompson (1937 - 2005)
"Bear Hunt"-Photo © by HST archives
In seinem neuen Roman erzählt Klaus Ferentschik von Spionen, verschwundenen USB-Sticks, Hagelkörnersammlern und Eisleichen. Das Ergebnis ist ein philosophisch-psychologischer Agententhriller, der mehr als doppelbödig daherkommt.
Gute Nachricht für alle Desorientierten und von Relikten der Vergangenheit Geplagten: Unser beliebter Motivationstrainer Peter Hiess zeigt Euch einen Ausweg. Und die erste Beratungseinheit ist noch dazu gratis!
Will man sich in den Vororten verorten, dann braucht man auch die praktische Verkehrsverbindung. Der EVOLVER-Stadtkolumnist begrüßt den Herbst mit einer Fahrt ins Grüne - und stimmt dabei ein Lob der Vorortelinie an.
Treffen der Giganten: Der "Depeschen"-Kolumnist diskutiert mit dem legendären Dr. Trash die Wiener Weiblichkeit von heute. Und zwar bei einem Doppelliter Gin-Tonic ... weil man sowas nüchtern nicht aushält.
Unser Kolumnist läßt sich von Fernando Pessoa inspirieren und stellt bei seinen Großstadtspaziergängen Beobachtungen an, die von ganz weit draußen kommen. Dort wirkt nämlich selbst das Weihnachtsfest noch richtig friedlich.
Wie man hört, trainieren US-Soldaten in Manövern für die Zombie-Apokalypse. In Wien scheint sie bereits ausgebrochen. Der EVOLVER-Experte für urbane Beobachtungen weiß auch, warum.
Kommentare_