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Was denn, Rap?

FPÖ-Politiker H.-C. Strache entdeckt die Popmusik der schwarzen Amerikaner zu Propagandazwecken. Das Ergebnis ist ein blauäugiges HipHop-Kinderlied. Na bravo!    01.09.2006

HipHop gehört in Europa in die Sparte Kindermusik. Da gibt es keine Diskussion. Der österreichische Politiker H.-C. Strache preschte nun in avantgardistischer Weise vor und ließ sich ein Rap-Lied produzieren, das man auf seiner Homepage hören kann. Daß nicht schon früher ein Politiker auf die Idee gekommen ist, diesen Musikstil für propagandistische Zwecke zu nutzen, ist bei einer derart zukunftsträchtigen Ziel- bzw. Wählergruppe verwunderlich. Immerhin dürfen neuerdings schon 16jährige wählen gehen.

Warum HipHop? HipHop ist Gangstermusik. Wirft man einen Blick auf MTV etc., geht es bei HipHop oder Rap offenbar hauptsächlich um Drogen, Schußwaffen, fette Autos, protzigen Goldschmuck und ganz allgemein die geschmacklose Zurschaustellung von Neureichtum. Außerdem scheinen kaum bekleidete junge Damen mit ausladenden Rundungen zur fixen Ausstattung zu gehören, die unablässig mit den Hüften kreisen und "Oh yeah, baby" stöhnen, wenn sie der Rapper als Hure bezeichnet. Besucht man als halbwegs ausgewachsener Mensch ein Rap- oder HipHop-Konzert, glaubt man sich auf einer Hobbit-Versammlung im Auenland: Blasse, dünne, kleinwüchsige Wesen mit wirren Haaren hüpfen fröhlich durch die Gegend, und der Geruch von frischem Gras liegt so dick in der Luft, daß man sich ein Stück rausschneiden könnte.

Guckt man ein wenig weiter hinter die Fassade, entdeckt man etwas relativ Konträres: nämlich eine jüngere Form der - wie es Elterngenerationen bis in jüngste Zeit so unermüdlich strapaziert haben - sogenannten Negermusik.

HipHop entstand in den späten 70er und frühen 80er Jahren in den Wohngegenden der afrikanischstämmigen Bevölkerung, oftmals auch als Ghettos oder Hoods bezeichnet, ist also eine junge, urwüchsige Form des künstlerischen Ausdrucks einer amerikanischen Minderheit. Die Musik besteht vor allem aus mehr oder weniger ausgeklügelten Trommelrhythmen, Samples und markantem Sprechgesang, genannt Rap. Letzterer diente anfangs dem Protest gegen gesellschaftliche Mißstände, gegen Benachteiligung und Rassismus. Naturgemäß wurde HipHop in Windeseile zur Kapitalmaximierung instrumentiert. Heute ist er eine riesige Kommerzmaschine und der ursprüngliche Polit- oder Subkultur-Gedanke nur noch eine Randerscheinung.

Der mit "HC Rap" betitelte Song des genannten FP-Politikers ist nun, nicht nur gemessen am historischen Hintergrund, ein "all time low", anders gesagt: eine Angelegenheit zum stellvertretenden Schämen. Eigentlich wäre ja jede über die Qualität der Musik verlorene Zeile zuviel, hätte nicht Austropop-Grande Klaus Biedermann sie produziert. Biedermann ist bzw. war Mitglied der Wiener Musikproduzenten-Gruppierung Bingoboys, der in den 90er Jahren internationale Chart-Hit gelangen, darunter das von Art of Noise gespielte und von Tom Jones gesungene Prince-Cover "Kiss". Weitere Einträge im Bingoboys-Portfolio sind beispielsweise C+C Music Factory und Edelweiß. Der Mann kennt den Geruch des Geldes offenbar sehr genau und graust sich nicht davor. So ein Studio auf Mallorca dürfte ja auch auf die Bilanz drücken. Die Produktion könnte aber auch ein Freundschaftsdienst gewesen sein - man weiß es nicht.

Kommen wir also zum Rap. H.-C. Strache rappt wie ein gestandener Schulbub, der sich unterm Christbaum als junger Wilder inszeniert und dabei seine Omi zu Tränen des Stolzes rührt. Hier spielt natürlich auch die zweifelhafte Orthographie hinein. " ... Menschen, die unsre Kultur nicht schätzen, sich über unsre Gesetze wegsetzen ..." heißt es da etwa, oder " ... diesmal ist der Text bestimmt von mir". Was bestimmt nicht wahr ist: Der Text stammt von einem gewissen Herbert Kickl, ebenfalls ein Politiker, und ist eine plump-plakative Verdichtung der Propagandaparolen, für die Strache bekannt ist. Addiert man Biedermanns dünnes Geklimper und die unbeholfene Schüttelreim-Aufsagerei von Strache, ergibt sich ein fragwürdiges Machwerk, dessen Attraktivität für die Gemeinde der Hip-Hobbits im höchsten Maße niedrig erscheint.

 

Fazit: Das Lied ist so schlecht, daß man es nicht zu Ende hören kann, ohne emotionale Spasmen zu erleiden. Kann auch zu körperlichen Krämpfen führen. Von einer Karriere als HipHop-Künstler sollte Strache also zurücktreten. Politiker ist schlimm genug.

Klaus Hübner

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