Monika Treut Filme
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absolut Medien (D 2009)
5 DVDs, 435 Min.
Die Hamburger Ausnahmeregisseurin bewegt sich seit den 70er Jahren zwischen Videokunst, Spielfilm und dokumentarischem Essayfilm. Markus Stiglegger hat sich eine Kollektion ihrer Werke angesehen. 29.03.2010
"Stets hat Monika Treut die sinnliche Erfahrung und Lust in den Vordergrund ihrer Filme gerückt", schrieb Frédéric Strauss in den "Cahiers du Cinéma", "verbunden mit einem subtilen Humor und einer großen Zärtlichkeit für ihre Akteure."
Wenn man Monika Treut auf ihre vermeintlich augenfällige Vorliebe für alternative Sexualität und bizarre Körpertechniken der postindustriellen Gesellschaft anspricht, reagiert sie mit Unverständnis. Der Mensch stehe bei ihrer Arbeit im Zentrum, der ganze Mensch, nicht nur diese einzelnen Bereiche. So könnten Phänomene und individuelle Ausdrucksformen wie Sadomasochismus, Transsexualität oder auch bedingungsloses soziales Engagement über die Klassengrenzen hinweg gleichberechtigt in den Mittelpunkt ihrer Werke treten.
Bekannt wurde sie mit dem erotischen Kaleidoskop "Verführung - Die grausame Frau" (1985), bei dem sie noch Co-Regie führte, und der femininen Sexualodyssee "Die Jungfrauenmaschine" (1988). Nach der eher leichten New Yorker Subkulturkomödie "My Father Is Coming" (1991) wandte sie sich ganz dem dokumentarischen Film zu und kehrte erst jüngst zum fiktiven Bereich zurück.
Auch der Fokus auf Amerika war wohl eher eine temporäre Reaktion auf die progressiven Tendenzen Mitte der Neunziger. Nach den Jahren der Bush-Administration versandeten viele dieser Projekte. So mutet es durchaus melancholisch an, daß einige der Dokumentar- und Spielfilme Treuts heute eher als historische Dokumente einer einst aufregenden gesellschaftlichen Veränderung betrachtet werden müssen. Das kleine, aber feine Berliner Label absolut Medien hat nun eine mit fünf Discs umfassend ausgestattete Box herausgebracht, die einen Einblick in Treuts Arbeiten von 1985 bis 2001 gewährt.
Die Suche
Am Anfang steht Verführung - Die grausame Frau. Zusammen mit Elfi Mikesch inszenierte Monika Treut diesen experimentellen Spielfilm als Variation auf Leopold von Sacher-Masochs Roman "Venus im Pelz". Die Hauptrollen des rituellen Dramas um sexuelle Dominanz und Unterwerfung spielen Mechthild Grossmann und Udo Kier; in einer Nebenrolle ist Kunstprofessor Peter Weibel als Sklave zu sehen. Einer der wichtigsten und originellsten Spielfilme zum Thema Sadomasochismus liegt hier in einer adäquaten 4:3-Abtastung vor (Originalformat), zusammen mit einem Interview mit der Filmemacherin und Trailern zu all ihren Filmen. Diese DVD ist zugleich der beste Einstieg in das Gesamtwerk.
Die Jungfrauenmaschine ist Treuts erstes völlig eigenes Filmprojekt. Die in rauhem Schwarzweiß gedrehte Tragikomödie erzählt von der Odyssee einer Journalistin, die auf der Suche nach der romantischen Liebe von Hamburg nach San Francisco reist, wo sie sich in der dortigen lesbischen Szene wiederfindet. Stilistisch an die frühen Filme der Nouvelle Vague angelehnt, machen sich hier bereits spätere Tendenzen der Filmemacherin bemerkbar: sie arbeitet halbdokumentarisch mit Menschen, die sich selbst und ihre Lebensumstände darstellen.
Aus diesem Kontext stammen auch die amüsanten Recherchevideos, in denen unter anderem Susie Sexpert ihre Toy-Sammlung erläutert. Weiters finden sich Essays und Kritiken auf der DVD - und die slowenische Industrial-Band Laibach ist mit ihrem Stück "Die Liebe" leitmotivisch vertreten.
Die eher leichte Komödie My Father Is Coming sollte für viele Jahre Treuts letzter Spielfilm bleiben: Vicky, eine deutsche Emigrantin in New York, schickt Lügengeschichten über ihren Erfolg nach Hause, bis ihr Vater (Alfred Edel), ein zünftiger Bayer, vor der Tür steht. Hier taucht bereits die Sexual-Performerin Annie Sprinkle auf, deren Geschichte Monika Treut noch in späteren Filmen verfolgen wird.
Weibliche Stärke
Der episodisch strukturierte Essayfilm Female Misbehavior (1992) leitet schließlich die rein dokumentarische Phase des Werkes ein. Die Kompilation verbindet vier radikale Porträts über "ungezogene Frauen", wurde aber leider nicht in die Box aufgenommen. Auch das Porträt über die Schauspielerin und Domina Eva Norvind (Didn´t Do It For Love, 1997) fehlt. Dafür bekommt man Monika Treuts erfolgreiche Transgender-Doku Gendernauts (1999) zu sehen. Diese auf vielen Filmfestivals gezeigte und gefeierte Dokumentation gewährt einen Einblick in das Leben einiger Transgender-Individuen im San Francisco des ausgehenden Jahrtausends: In der Grauzone zwischen biologisch determiniert Männlichem und Weiblichem leben diese Geschlechtsnomaden eine "dritte Identität" auf unterschiedliche Weise aus. Wer sich für die Spielarten alternativer Sexualität interessiert, ist hier richtig. Die DVD enthält neben dem Film ausführliche Essays, ein langes Interview mit Monika Treut sowie einen Vortrag der im Film vorkommenden Professorin Sandy Stone.
In Kriegerin des Lichts wendet sich die Filmemacherin einem völlig anderen Thema zu. Sie dokumentiert Leben und Arbeit der brasilianischen Menschenrechtlerin und Künstlerin Yvonne Bezerra de Mello, die im Slum von Maré im Norden Rio de Janeros das "Projeto Uere" für Straßenkinder leitet und sich für deren Rechte einsetzt.
Die Monika-Treut-Box bei absolut Medien, die alle bislang erschienenen DVDs zusammenfaßt, ermöglicht noch einmal eine intensive Auseinandersetzung mit dem Werk einer der schillerndsten und ungewöhnlichsten Regiepersönlichkeiten des deutschen Films. Natürlich vermißt man hier "Ghosted", das neuste Werk, doch das ist noch immer in deutschen Programmkinos zu sehen.
Die Leidenschaft der Geister
Ghosted, der erste Spielfilm der Hamburger Ausnahmeregisseurin seit 18 Jahren, ist ein romantisches Mystery-Drama zwischen Taiwan und Deutschland, angesiedelt zwischen den Welten und Kulturen. Wie große Teile Asiens ist auch Taiwan geprägt von einem tief verwurzelten Animismus. Die Welt der Ahnen, der Geister, durchdringt die Welt der Lebenden; die Dimensionen beeinflussen einander und können unmerklich ineinanderfließen.
Ai-ling (gespielt von Huan-Ru Ke) forscht nach ihrer Herkunft und besucht ihren Onkel Chen Fu (Jack Kao) in Hamburg, um mehr über ihren verstorbenen Vater herauszufinden. Sie beginnt in Chens Restaurant zu arbeiten und Hamburg zu entdecken. Fünf Monate später sehen wir die Hamburger Videokünstlerin Sophie Schmitt (Inga Busch), die im Rahmen ihrer Installation "Remembrance" in Taipeh Aufnahmen ihrer zuvor unter mysteriösen Umständen verstorbenen Geliebten Ai-ling präsentiert. Ein Journalistin namens Mei-li (Ting-Ting Hu) stellt sich der Künstlerin vor und führt sie durch ihre Fragen zurück in die gemeinsame Vergangenheit mit Ai-ling: wie sie einander in einem Kino kennenlernten, in Sophies Appartement zusammen wohnten, wie sie sich schließlich entfremdeten. Mei-lis Annäherungen wehrt Sophie jedoch ab, da ihre Trauer noch zu stark ist.
Immer tiefer dringt der Film in die Intimität des Vergangenen und Verlorenen ein. Die unterschiedlichen Mentalitäten der Frauen schaffen einen unüberwindlichen Graben, bis Sophie kurzerhand ausbricht. Ai-ling bleibt mit ihren ungeklärten familiären Banden einsam zurück. Sophies Nachbar Leon (Marek Harloff) kann ihr kaum helfen, und der kurze Flirt mit einer anderen Frau (Jana Schulz) führt zur Katastrophe.
Mei-li folgt Sophie nach Hamburg und kann sie nach und nach für sich einnehmen; doch ein Geheimnis bleibt, das die vermeintliche Journalistin mit der toten Ai-ling verbindet ... Was eine klassische schwarzromantische Wiedergängergeschichte sein könnte, offenbart jedoch immer weitere Möglichkeiten und Ebenen, bis schließlich die Existenz Mei-lis selbst in Frage steht.
"Ghosted" beginnt und endet mit einem Ritual zur Besänftigung der ruhelosen Geister: In einem brennenden Gefäß vor malerischer Naturkulisse werden den Ahnen im siebenten Monat Geldscheine geopfert. Ebenso zyklisch wie diese Rahmung ist der Film strukturiert. Er erzählt von Reisen und Passagen, von Erkenntnis und Geheimnis, von Leben, Kunst und Erinnerung - und natürlich von der Liebe und deren schmerzlichem Verlust. Von Taipeh nach Hamburg und wieder zurück führt diese Odyssee; nicht zufällig ist die deutsche Protagonistin eine Videokünstlerin, so hat ja auch Treut selbst ihre Karriere in den 70er Jahren begonnen.
So ist "Ghosted" auf vielerlei Weise ein neuer Weg, den Monika Treut beschreitet: ein Spielfilm mit Genre-Elementen, vom Melodram bis hin zu Mystery-Thriller und Geisterfilm. In reduzierter, klarer Bildsprache, verschachtelter Montage und mit dezent-atmosphärischer Musikuntermalung entfaltet der Film das unaufgeregte Bild einer lesbischen Dreiecksbeziehung über den Tod hinaus. Dabei werden Exotik-Klischees über Asien entlarvt und gegen den Strich gebürstet. So ist "Ghosted" eine mutige Neuorientierung der Autorenfilmerin Monika Treut - und eine spannende Selbstreflexion der Künstlerin zugleich.
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