Brant Bjork
Stories_Rokko´s Adventures im EVOLVER #2
Straight from the Desert
Rokko is back! Nach seinem Melvins-Interview unterhielt er sich angeregt mit einem Stoner-Rock-Pionier und Kyuss-Mitbegründer. Oder - wie er es nennt: 2 Ohren, 2 Augen, 2 Gesichter. Heute mit: Brant Bjork. Der EVOLVER unterstützt das mit Nachdruck ... 07.05.2008
Brant Bjork schreibt seit gut 15 Jahren konsequent unter der Oberfläche mit an der Musikgeschichte. Mit Kyuss schufen er und seine Kollegen den Prototyp dessen, was man heute unter Stoner oder Desert Rock subsumiert. Doch Brant ist nicht im Wüstensand versunken; seit Anfang der 90er ist viel passiert: Mitgemische bei den berühmten "Desert Sessions", Fu Manchu, Mondo Generator und weißt Gott noch wo - der Mann ist fleißig. Die meiste Zeit steckt er dieser Tage in sein Soloprojekt, arbeitet mit seiner Band, den Bros, und kümmert sich um Duna Records, seine eigene kleine Plattenfirma.
Am besten aber kommen Brants Anliegen direkt auf der Bühne zur Geltung, wo Spontaneität und Kommunikation untereinander und mit den Zuschauern immer neue Eindrücke bringen: "Sometimes, we play loooooooong. Es ist jedes Mal ein Abenteuer, auf der Bühne zu stehen und Musik zu machen." Ähnlich einer Jazz-Formation funktionieren die Live-Auftritte in Bezug auf Offenheit und Konzentration. Brant wirkt sehr relaxt und betont noch einmal, worum es beim Musikmachen eigentlich gehen sollte - abseits der Chart-Plazierung und der Verkaufszahlen, versteht sich: "We are just trying to have a good time, ya know."
Gute Zeiten werden oft durch unangenehme Zwischenfälle unterbrochen - und, wie es halt so ist, hatte man Pech mit dem Tourmanager: "Ja, der Typ plante unsere Shows für die letzten eineinhalb Jahre, und plötzlich war er weg." Mit ihm gingen auch die Konzerte in Britannien verloren, aber Brant nimmt zum Glück alles mit der Lockerheit, die man nach 15 Jahren im Showbusineß wohl haben muß. Wie überall sonst soll man sich auch hier nur auf sich selbst verlassen, den Stoiker in sich ausbilden und sich nur auf Sachen stützen, die innerhalb des eigenen Einflußbereiches liegen.
Eine DVD-Dokumentation über die Geschichte des Desert Rock zum Beispiel ist auf diesem sicheren Weg geplant: Sie wird irgendwann in den 70ern bei obskuren Bands einkeilen, die trotz aller Bedeutung weitgehend unbekannt geblieben sind. Schauplatz ist die Wüste zwei Stunden östlich von Los Angeles, wo eine Handvoll kreativer junger Leute was Neues aus dem Boden stampfte. Tiefergestimmte Gitarren, die zur Erdung durch verzerrte Baßverstärker gejagt und von einem mächtigen Groove am Schlagzeug begradigt werden. Klingt einfach, gab´s aber vorher noch nicht. Ansonsten geht es weiter mit Touren, Aufnehmen und Gute-Zeiten-haben. Man darf gespannt sein, was Herr Bjork als nächstes angeht ...
Ich mach´ bubu - was machst du?!?
Manche Menschen überschreiten ihren Klimax, ohne es zu merken, sind geblendet und stürzen übelst angesengt von der Sonne unter alle Sau - aber egal: Wir machen weiter! Daß das furchtbar peinlich ist und nur mit einer groben Wirklichkeitsverschiebung durchexerziert werden kann, ist klar. Das mag einer der Gründe sein, warum mir ein maulfauler Kiffer gegenüber sitzt, der sowas von gar nichts zu sagen hat, daß man gleich wieder gehen will.
Aber er nimmt meine Hand wie ein alter Mann, der seinen letzten Segen erteilt haben möchte, und fängt wieder von vorne an: "I don´t know, we are just trying to have a good time, ya know." Dem Tourmanager war die Zeit wohl zu gut und er entschied sich, ganz spontan, auf die Konzertreise zu scheißen: "Ja, der Typ plante unsere Shows für die letzten eineinhalb Jahre, und plötzlich war er weg." Aber durch den heutigen Abend muß ich mich wohl trotzdem durchquälen: "Sometimes, we play loooooooong" droht der Teilzeitguru, und damit meint er drei bis vier Stunden: "Es ist jedes Mal ein Abenteuer, auf der Bühne zu stehen und Musik zu machen." Sehe ich genauso. Irgendwer, der nicht bis über beiden Ohren hinauf mit Betäubungsmitteln geshyzzledyzzlet und aufs Abstellgleis gestellt ist, wird bald den nächstbesten Aschenbecher werfen oder mit einer zerbrochenen Bierflasche der Zeitlupenperformance Dynamik einprügeln.
Ach scheiße, der Typ ist so im Arsch, daß er mir schon wieder leid tut: Keine Familie, kein Zuhause, seit 15 Jahren fährt er ziellos rum und nervt harmlose Leute mit seinen kümmerlichen Gespinsten. Das Album "Local Angels" zum Beispiel hat er zweimal aufnehmen müssen, um sich wieder daran erinnern zu können, daß es die Songs eigentlich schon gibt. Mensch, ich kann ihm auch nicht helfen. Eine DVD mit einer kruden Desert-Rock-Fake-Doku will er machen, wo man sieht, wie junge Menschen in der Wüste mit Meskalin ihre Zukunft versauen. Im deutschen Fernsehen laufen solche Sachen auch, bis die Supermama kommt, den Hobbywürstchen den Hintern versohlt und die Windeln wechselt. Ach Gott, was soll man dazu noch sagen? Irgendwann war´s mir zu blöd, ich zog einen Müsliriegel aus meiner Gesäßtasche und machte dem halbtoten Wrack ein Abschiedsgeschenk. Nein, der Abend war nicht mal hintenrum lustig. Der war richtig scheiße.
aus: Rokko´s Adventures #1
(erschienen im Juni 2007)
Text: Rokko
Fotos: Michi/attheshow.org
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