In den 80ern und 90ern erschienen in der "Heyne-Filmbibliothek" einige dringend lesenswerte Werke rund um Filmemacher, Schauspieler und Genres. Einige davon gehen auf das Konto der deutschen Western-Koryphäe Thomas Jeier. Martin Compart sprach mit ihm über das uramerikanische Genre.
15.06.2016
Wir nannten ihn gerne "den Marshal", da Thomas Jeier in seiner Zeit als Herausgeber der Heyne-Western durch jede Wildnis, jeden dunklen Canyon oder jedes gefährliche Gebiet zog, um die besten Western-Romane ausfindig zu machen und sie dann deutschen Übersetzungen zuzuführen. Aber nicht nur dadurch prägte das Multitalent das Western-Bild in Deutschland - jenseits von Karl May und Truck Stop. Als Autor vorzüglicher Romane oder ungewöhnlicher Reisebücher hat er die amerikanische Entwicklungsgeschichte für all die Leser transparent gemacht, die sich dem Thema nur über den Unterhaltungsfaktor nähern. Auch die Rezeption der Country-Musik hierzulande hat er entscheidend beeinflußt ... und ... und ...
Jeiers Lebensweg und seine Aktivitäten sind selbst Stoff für einen Roman. Aber lesen Sie selbst - und werfen Sie gleich danach auch einen Blick auf seine hochinformative Website!
Wer ist Thomas Jeier? Erzähl mal ein wenig über deinen Werdegang.
Ich bin schon ein alter Knochen, Jahrgang 1947, und mein Werdegang würde mehrere Seiten füllen, deshalb teilweise im Telegrammstil: Aufgewachsen in Frankfurt am Main, noch als Schüler die ersten Western-Heftromane für Zauberkreis ("Silber Wildwest") geschrieben, nach dem Gymnasium eine Lehre als Verlagsbuchhändler bei Heyne absolviert, dann als Redakteur und später Chefredakteur von "Fix & Foxi" zu Kauka. Auch anschließend noch Comics konzipiert und getextet, vor allem "Lasso" und "Silberpfeil". Mit dem zweiten Buch ("Der große Goldrausch von Alaska") den Friedrich-Gerstäcker-Preis 1974 für das beste Abenteuerbuch des Jahres gewonnen. Von da an ging’s bergauf. Seit 1972 selbständig, vor allem mit Schreiben, die ersten Jahre auch als Redakteur der Heyne-Western-Reihe. Mit zahlreichen Westerngrößen (Louis L´Amour, Will Henry/Clay Fisher, Lewis B. Patten, Elmer Kelton usw.) zusammengearbeitet und befreundet gewesen. Selbst für Heyne einige Western geschrieben; zwei davon erschienen bei Doubleday in den USA. Insgesamt mehr als 200 Romane, Sachbücher und Reisebücher geschrieben und mir als Amerika-, Western- und Indianerkenner einen Namen gemacht. Jedes Jahr mehrere Monate in den USA unterwegs. Doku-Filme für den BR über Nashville und die Arktis, Country-Songs für die Bellamy Brothers, Truck Stop, Tom Astor u. a. geschrieben. Erfolgreich mit Jugendbüchern ("Sie hatten einen Traum" war für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert) und seit einigen Jahren unter dem Pseudonym Christopher Ross auch mit romantischen Abenteuerromanen, die meist in Alaska oder Kanada spielen.
Was waren die prägenden medialen Ereignisse in deiner Kindheit?
Ich war AFN-Hörer [amerikanischer Soldatensender], habe dort berühmte Radio-Shows wie "Gunsmoke" und "The Shadow" gehört. Musikalisch auf Rock´n´Roll und DJ Wolfman Jack getrimmt. "Mickey Mouse" gelesen, viele Bücher wie "Doctor Dolittle" (mein erstes Leseerlebnis), später auch Western-Taschenbücher und Romanhefte.
Du warst nicht nur Autor und Herausgeber, sondern auch Macher einer regelmäßigen Radiosendung über Country-Musik, die ja bei uns lange Zeit als reaktionär verschrien war. Was fasziniert dich - mal abgesehen vom klar erkennbaren Zusammenhang mit dem Western-Genre - an dieser Musik?
Ich bin über Johnny Cash, Tom T. Hall und Kris Kristofferson zur Country Music gekommen, also mehr über die folkige als die konservative Schiene. Bei diesen Künstlern haben mich vor allem die eingängigen Melodien und noch mehr die Texte fasziniert, meist alltägliche und nachvollziehbare Geschichten. Ich bin dann tiefer eingetaucht, habe 20 Jahre den "Country Club" für Bayern 3/Bayern 1 gestaltet und moderiert und hatte (und habe heute noch) engen Kontakt zu beinahe allen Stars.
In den letzten paar Jahren beobachte ich eine Zunahme an Noir-Elementen in der Western-Literatur (und umgekehrt eine zunehmende Nutzung von Western-Motiven in der Kriminalliteratur). Da wird immer gerne Cormac McCarthy als Ausgangspunkt genannt. Wie siehst du das?
Das mag stimmen, auch weil zahlreiche Autoren aus dem amerikanischen Südwesten auch Krimis schreiben und sie natürlich in ihrer Heimat ansiedeln. Cormac McCarthy mag der Ausgangspunkt gewesen sein; ich bin allerdings kein großer Freund seines Stils. (Dann doch lieber Kinky Friedman ...) Der Western und die Private-Eye-Novels eines Chandler oder Hammett sind sich natürlich ähnlich. Der einsame Westernheld, der am Schluß eines Romans oder Films in den Sonnenuntergang reitet, findet seine kongeniale Fortsetzung im urbanen Private Eye, der allein durch die Straßen der Großstadt streift.
In den USA ist der Western ein etabliertes Genre. Aber wie siehst du seinen Status und seine Zukunft in Deutschland? Im Heftroman ist er bekanntlich noch immer eine erfolgreiche Größe, wenn auch nicht so erfolgreich wie früher (aber das gilt ja allgemein für das Medium).
In Deutschland besitzt zumindest der Genre-Western im Augenblick keine Chance. Es gibt Versuche, ihn im E-Book zu etablieren, und einige Kleinverlage feiern da sicher respektable Erfolge, aber in rentablen Auflagen geht nichts. Als Heftromane erscheinen größtenteils Nachdrucke, von der Western-Erotik-Reihe "Lassiter" und einigen wenigen anderen Western einmal abgesehen. Das Setting und die Thematik leben allerdings in historischen und romantischen Romanen fort, zum Beispiel in meinen eigenen Romanen, die sich vornehmlich an eine weibliche Leserschaft richten.
Deine eigenen Romane zeichnen sich u. a. durch akribische Recherche aus. Was ist dir als Autor wichtig?
Als Autor will ich vornehmlich unterhalten. Eine Story sollte also spannend, abwechslungsreich und auch romantisch sein. Ähnlich wie ein John-Ford-Western, nur in flotterem Tempo. Ich recherchiere genau und immer auch vor Ort und lege großen Wert darauf, daß der historische Hintergrund stimmt - obwohl ich auch die mythischen Landschaften eines John Ford respektiere, in denen es mit der Historie nicht so genau genommen wird.
Thomas Jeier in Rente ist schwer vorstellbar. Was kann man künftig von dir erwarten?
Rente ist nicht. Ich schreibe, bis ich tot auf meine Tastatur kippe, wie es Robert B. Parker mir schon vorgemacht hat. In Arbeit ist eine neue Reihe für Weltbild mit romantischen Abenteuerromanen, die in Alaska zur Zeit der russischen Besatzung (Russisch-Amerika) spielen. Außerdem mehrere Jugendbücher, Abenteuerromane und Mystery-Romane für Ueberreuter und Baumhaus. Und Reisebücher entstehen während der Recherche unterwegs.
Erzähl mal ein oder zwei schöne Western-Anekdoten aus deinem Leben.
Anekdoten hab´ ich nicht zu bieten, aber eindrucksvolle Augenblicke in meinem Reiseleben. Dazu gehören die ersten Blicke auf das Monument Valley und die Golden Gate Bridge sowie ein Jagdausflug mit Inuit in der Arktis. Allein auf dem Eis, nirgendwo ein Horizont, das war schon einmalig. Noch wichtiger waren mir Begegnungen mit interessanten Menschen. Besagte Inuits wie die Apangaluks, Indianer wie Gerard Baker, Curly Bill Wagner und Denny Medicine Bird, Autoren wie Louis L´Amour, Will Henry und Loren D. Estleman, Sänger(innen) wie die Bellamy Brothers, Waylon Jennings und Johnny Cash und Schauspieler wie Robert Redford.
Alexander - 17.09.2016 : 21.05
Interessantes Interview über ein endgeiles Genre, welches glücklicherweise immer noch lebendig ist und mir viele spannende Lese-Stunden sowie elektrisierende Momente im Kino und daheim vor dem Fernseher bereitet hat.
Hans Langsteiner - 12.11.2016 : 10.40
Finde den Beitrag auch super und den Mann ungemein sympathisch. Nur bei den TV-Serien fehlt mir "The Virginian" ("Die Leute von der Shiloh Ranch")!
Alexander - 12.11.2016 : 16.03
Hier nun meine 10 Lieblings-Western-Filme:
1. Zwei glorreiche Halunken
2. Man nannte ihn Hombre
3. Leichen pflastern seinen Weg
4. Der Tod ritt Dienstags
5. Der lange Tag der Rache
6. Blutiges Blei
7. Django
8. Geronimo
9. Der Gehetzte der Sierra Madre
10. Ringo kommt zurück
Hans Langsteiner - 19.11.2016 : 10.21
Okay, wenns auch um Italowestern geht, dann darf bitte "Töte, Django", der böseste und beste überhaupt, nicht fehlen!
Alexander - 20.11.2016 : 16.33
Den kenne ich gar nicht. Wer spielt denn da den Django? Ich habe übrigens nicht nur Italo-Western genannt. Bei Gelegenheit werde ich auch meine Lieblings-Westernromane hier nennen
Hans Langsteiner - 21.11.2016 : 10.42
Tomas Milian spielt ihn, aber es ist kein "echter" Django, nur in der deutschen Synchron-Fassung. Originaltitel "Sei se vivo spara" (etwa "Töte so lange du lebst"). Bei eventuellen DVD-Kauf unbedingt auf die ungekürzte Fassung achten, an dem Film wurde viel herumgeschnipselt...
jf - 23.11.2016 : 21.41
Wir empfehlen dir die aktuelle limitierte Blu-ray/DVD-Version aus dem Hause filmArt.
In den 80ern und 90ern erschienen in der "Heyne-Filmbibliothek" einige dringend lesenswerte Werke rund um Filmemacher, Schauspieler und Genres. Einige davon gehen auf das Konto der deutschen Western-Koryphäe Thomas Jeier. Martin Compart sprach mit ihm über das uramerikanische Genre.
Er war weit mehr als ein Mann, der nur Rot sieht. Martin Compart sprach mit Filmliebhaber Oliver Nöding über Charles Bronson - einen Schauspieler, der keinesfalls in Vergessenheit geraten sollte und immer noch eine Entdeckung wert ist.
Dienen Qualitätsserien noch der gehobenen Unterhaltung oder längst der ideologischen Indoktrination? Und was haben deutsche TV-Produktionen damit zu tun? MiC liefert dazu einen Tagebucheintrag - knapp nach den Iden des März.
Hätten wir im EVOLVER eine Ruhmeshalle für fiktive Personen aus der Populärkultur, wäre George MacDonald Frasers Flashman ein eigenes Podest sicher. Martin Compart sprach mit Herausgeber Bernd Kübler über die Hörbuch-Adaptionen von Flashys Abenteuern.
Kennen Sie den PI und ehemaligen Kriminaloberkommissar Bernhard Gunther, der im Berlin der 30er und Folgejahre für Recht und Ordnung sorgt? Nein? Dann ist es Zeit, daß Sie der Reihe des britischen Krimiautors Philip Kerr Ihre Aufmerksamkeit schenken. Martin Compart gibt fachgerechte Starthilfe.
Werner Fuchs gedenkt eines Science-Fiction- und Fantasy-Autors, dessen Imagination in den Genres unvergleichbar ist. Nach dieser Lektüre gibt es keine Entschuldigung mehr, die Werke des US-Schriftstellers Jack Vance nicht zu lesen oder neu zu entdecken.
Kommentare_
Interessantes Interview über ein endgeiles Genre, welches glücklicherweise immer noch lebendig ist und mir viele spannende Lese-Stunden sowie elektrisierende Momente im Kino und daheim vor dem Fernseher bereitet hat.
Finde den Beitrag auch super und den Mann ungemein sympathisch. Nur bei den TV-Serien fehlt mir "The Virginian" ("Die Leute von der Shiloh Ranch")!
Hier nun meine 10 Lieblings-Western-Filme:
1. Zwei glorreiche Halunken
2. Man nannte ihn Hombre
3. Leichen pflastern seinen Weg
4. Der Tod ritt Dienstags
5. Der lange Tag der Rache
6. Blutiges Blei
7. Django
8. Geronimo
9. Der Gehetzte der Sierra Madre
10. Ringo kommt zurück
Okay, wenns auch um Italowestern geht, dann darf bitte "Töte, Django", der böseste und beste überhaupt, nicht fehlen!
Den kenne ich gar nicht. Wer spielt denn da den Django? Ich habe übrigens nicht nur Italo-Western genannt. Bei Gelegenheit werde ich auch meine Lieblings-Westernromane hier nennen
Tomas Milian spielt ihn, aber es ist kein "echter" Django, nur in der deutschen Synchron-Fassung. Originaltitel "Sei se vivo spara" (etwa "Töte so lange du lebst"). Bei eventuellen DVD-Kauf unbedingt auf die ungekürzte Fassung achten, an dem Film wurde viel herumgeschnipselt...
Wir empfehlen dir die aktuelle limitierte Blu-ray/DVD-Version aus dem Hause filmArt.