Stories_Adam Green/"Prince Valium"

Die kunterbunte Prinzenrolle

Hierzulande kennt man ihn noch nicht so gut. Deshalb stellt Barbara Matthews den Solokünstler und Ex-Frontman der New Yorker Anti-Folk-Band Moldy Peaches nun im EVOLVER vor.    14.06.2004

Einige werden sich vielleicht noch an den schlaksigen, jungen Mann erinnern, der in diversen skurrilen Kostümen bei den Moldy Peaches den Gesang übernahm. Andere kennen ihn möglicherweise aus aktuellen TV-Interviews, in denen sich Adam Green als maulfauler, schüchterner oder sogar arroganter Solokünstler gab. Markus Kavka verlieh ihm nach einem äußerst mißlungenen "MTV Spin"-Auftritt sogar den Spitznamen "Prince Valium".

Im Backstage-Raum des Rockhouse Salzburg wirkt Green jedoch ganz anders. Mit einem freudigen "How do you do?" begrüßt er die Schreiberin dieser Zeilen. Erst als er die ersten Fragen vernimmt, wird der scheinbar lockere Typ wieder ein wenig verklemmt und zurückhaltend. Er ist halt ein Mensch, der nicht allzugern über sich und seine Kunst redet. Das macht ihn privat zwar noch sympathischer - doch für einen Künstler, der im Self-Promotion-Dschungel überleben muß, ist derart viel Zurückhaltung garantiert ungesund.

Mit leiser Stimme und ganz ruhig erzählt Green vom ersten Musikinstrument, das ihm seine Eltern gekauft haben, als er zehn Jahre alt war: einem Schlagzeug. Später folgten die Gitarre, das 4-Track-Aufnahmegerät und der Drang, ständig Musik zu machen und zu komponieren - egal, ob sie als künstlerisch wertvoll galt oder nicht.

Seine erste und einzige Band, die Moldy Peaches, prägte ihn stark. Durch die Arbeit als Texter und Musiker bekam er seit seinem 13. Lebensjahr aus erster Hand die Grundlagen des Handwerks und der Szene mit. Auftritte gab es erst, als er 17 war - genau zur rechten Zeit, um die angesammelten Ideen und den aufgebauten Pubertätsfrust mit exzessiv-durchgedrehten Bühnen-Shows abzuarbeiten.

Heute gibt sich Adam längst nicht mehr so wild. Live schlüpft er nicht ins Indianerkostüm, sondern bevorzugt seine schlichte Hipster-Kluft aus Blazer und Jeans. Außerdem ist ihm das Leben als Solokünstler lieber als das Gruppenerlebnis. Obwohl er im Studio und auf der Bühne mit anderen Musikern zusammenspielt, schreibt er fast alle Texte und Melodien selbst. Er drückt eben lieber das aus, was ihm gerade in den Sinn kommt, anstatt auf die Wünsche anderer eingehen zu müssen.

Adam Greens erste Soloplatte "Garfield" war eine "home-made"-Kollektion aus Liedern, die er während der Moldy-Peaches-Zeit aufgenommen hatte. Obwohl er manche Songs von diesem Album heute noch gerne spielt (wie zum Beispiel "Dance With Me" und "Baby´s Gonna Die Tonight"), konzentriert er sich doch lieber auf die aktuelle, im Studio aufgenommene Platte "Friends of Mine". Mit dem Erfolg, den dieses Album haben würde, hatte er bescheidenerweise nicht gerechnet, kann ihn aber verstehen. Immerhin hat er ja auch monatelang daran herumgetüftelt und -gewerkt...

Die wunderschön romantische Streichergruppe auf "Friends of Mine" ist ein weiterer Beweis dafür, daß es sich bei Adam um einen wahren Musiker handelt und nicht nur um einen Jungen mit einer Gitarre. Seine Texte sind zwar skurril und lustig, handeln aber meist von ernsten und selbsterlebten Angelegenheiten. Er verspürt nicht den Zwang, absurde Geschichten zu erdichten und den "Funny Man" zu spielen, sondern meint, daß seine Wortwahl seine Gefühle und Sehnsüchte treffend auf den Punkt bringe. Und dazu brilliert er noch mit einem angeborenen Humor, der alle Fans anspricht. Ob in Amerika oder in Europa - irgendwie schaffen es die Zuhörer immer, sich durch die Sprachbarriere zu kämpfen, um sich dankbar in den kunterbunten Welten des Prinzen wiederzufinden.

Als Adam auf seine Coverversion des Springsteen-Songs "Born to Run" angesprochen wird, blüht er förmlich auf. Er habe schon immer Covers spielen wollen, sagt er - und nun habe er endlich die passende Band gefunden, die Nummern wie "Born to Run" oder das beliebte "Kokomo" (Beach Boys) innerhalb von Minuten einstudieren und live so richtig mit Pep spielen könnte. Auf der neuen Platte, die im Herbst erscheinen wird, soll es allerdings keine Fremdkompositionen geben. Die hebt er sich lieber als B-Seiten-Füller für seine Single-Auskopplungen und die räudigen Bühnen-Performances auf. Und die aktuellen Songs, berichtet Green, seien um einiges komplexer als die auf "Friends of Mine", mit mehr "twists and turns". Sie klängen viel rockiger und schneller, sagt er, und er selbst gröle dabei um einiges mehr.

Genau das beweist er dann auch auf der Bühne, wo er die neuen Werke präsentiert. Lieder wie "Carolina" und "Emily" beben und steigern sich fast bis ins Unendliche, bevor die Erlösung durch die nächste Nummer kommt.

Man darf sich also auf Adam Greens nächste CD freuen - sie wird garantiert gut. Und man merkt, daß in der Seele dieses Mannes, ganz tief unten, etwas Uriges, Dringliches brodelt. Manchmal während des Konzerts, wenn er in Ekstase über die Bühne hüpft und zappelt, während ihm die Locken ins Gesicht hängen, gleicht er dem Mick Jagger von 1968. Es ist genau diese unverschämte Intensität, die ihn aus der Anti-Folk-Szene herausragen läßt - hoffentlich noch viele Jahre lang.

Barbara Matthews

Adam Green - Friends of Mine


Rough Trade/edel (USA 2003)

 

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