Stories_Ketzerbriefe: Abbau des Rentnerbergs
Vorbeugen ist besser als sterben
Im ersten Beitrag aus ihrem neuen Heft zum Thema "Kritische Medizin" beleuchteten die Kollegen von den "Ketzerbriefen" die perfiden Sparmaßnahmen zur Entmündigung der Ärzteschaft. Diesmal geht es um die Abschaffung von Vorsorgeuntersuchungen, die Leben retten und Leid ersparen können - zum Beispiel des PSA-Tests zur Erkennung von Prostatakrebs. Der Grund: Die teuren Rentner müssen weg!
12.08.2009
In den vergangenen paar Jahren wurden Prophylaxemaßnahmen und Vorsorgeuntersuchungen im ansonsten auf einen Torso zusammengestutzten Gesundheitswesen immer wieder recht lautstark angepriesen. Es sollte diesen vorgeblich ein größerer Stellenwert eingeräumt werden, angesichts von 430.000 Neuerkrankungen im Jahr wolle nämlich auch die Regierung dem Krebs den Kampf ansagen, jawoll! So verfügt inzwischen jeder GKV-Versicherte über ein Bonusheft, in dem er sich unter anderem die stattgehabten Vorsorgeuntersuchungen vom Arzt bestätigen lassen und dafür irgendwelche Vergünstigungen bei der Kasse abholen kann, u. a. werden Kaffeefahrten "spendiert". Diese Bonushefte dienen genauso wie bezahlte Nordic-Walking- und Diätkurse in Wahrheit der infantilisierenden Gängelung der Versicherten. Die wurden daran gewöhnt, ihre Privatsphäre preiszugeben - was geht die Krankenkasse an, ob man seine Zeit im Fitneßstudio verbringt oder (unfit) ein Buch liest? -, haben schafsblöd die Bravheit belohnenden Bonuspünktchen gesammelt und dabei den hingeworfenen Brocken verdaut, daß man für seine Gesundheit und Krankheit selber verantwortlich sei, im letzteren Fall also auch keine Ansprüche anmelden darf. Weil alles so reibungslos klappte, sollten dann 2007 auch "Strafen" in das "Bonussystem" eingeführt werden - als "Malus für Vorsorgemuffel" sollten für versäumte Vorsorgeuntersuchungen zwei Prozent des Bruttolohns abgezockt werden -, was aufgrund von Protesten zunächst wieder fallengelassen, seit 1. 1. 2008 dann aber ohne konkrete Angabe der Strafhöhe doch festgeschrieben wurde.
Anders als bei Infektionskrankheiten und/oder Seuchen, die nur durch gesellschaftliche Maßnahmen, notfalls auch Zwangsmaßnahmen (z. B. Reihenimpfungen und -untersuchungen, seuchenhygienische Maßnahmen) erfolgreich bekämpft und ausgerottet werden können, schadet die Unterlassung der individuellen Vorsorge nur dem mündigen Individuum selbst. Man sollte das Volk selbstverständlich über den Stand der Medizin wahrheitsgemäß informieren (statt, wie später beispielhaft vorgeführt, gezielt zu belügen), aber die Entscheidung bleibt natürlich bei jedem selbst, mit anderen Worten: sie ist reine Privatsache. Bei Krankheit hat die Solidargemeinschaft ohne Wenn und Aber zu zahlen, jedenfalls war das seit Gründung der Krankenkassen deren Prinzip und bis vor fernen (?) 30 Jahren wurde darum auch noch kein Gewese gemacht.
Schauen wir uns an einem instruktiven Beispiel an, wie es um die so lautstark angepriesene Vorsorge tatsächlich steht.
Ab dem 45. Lebensjahr steht jedem GKV-Versicherten (Mann) eine Krebsvorsorge bezüglich eines Prostatakarzinoms zu. Sie beinhaltet eine durch den Anus durchgeführte Tastuntersuchung der Prostata (digitalrectale Untersuchung = DRU) - großartig!? In den USA wird seit 1994 zusätzlich zur DRU die Bestimmung des PSA (Prostata Specific Antigen, ein in den Prostatazellen synthetisiertes Protein) als Vorsorge-Screening durchgeführt, das häufig durch einen transrectalen Ultraschall (TRUS) ergänzt wird. Sowohl die PSA-Bestimmung als auch der TRUS sind in Deutschland nicht im Vorsorgekatalog der Krankenkassen enthalten, und Patienten, die diese Untersuchungen wünschen, müssen sie selber bezahlen. Schaut man in die Empfehlungen der durch Medien-Publicity zu Autoritäten hochstilisierten und dadurch bei Patienten zunehmend Einfluß gewinnenden sogenannten "Patientenschutzverbände" - jeder Arzt kennt deren Aussagen aus dem Mund "wohlinformierter" Patienten, die sich freilich nie mal überlegt haben, was allein das Wort "Schutz" in diesem Zusammenhang bedeutet -, z. B. in das Buch "Krebs früh erkennen" der Autoren Koch und Windeler 1), so findet man in der jeweiligen Bewertung der Untersuchungsverfahren immer die gleiche Aussage, daß nämlich der PSA-Test und die transrectale Ultraschalluntersuchung nicht zur Früherkennung von Prostatakrebs geeignet sind. Kein Wunder also, daß diese Vorsorgeuntersuchungen in Deutschland nur von 18 Prozent der Männer wahrgenommen werden. (In den USA, wo diese Untersuchungen hochoffiziell als sinnvoll anerkannt sind, nehmen immerhin über 50 Prozent der Männer an der Vorsorgeuntersuchung teil.) Um die moralische Beurteilung der selbsternannten "Patientenschützer" und die sachliche Beurteilung der Frage zu ermöglichen, seien hier einige trockene Fakten genannt, die in besagten "Patientenschutz"-Foren nie vollständig zu finden sind.
Das Prostatakarzinom hat in Deutschland seit 1998 den Lungenkrebs als häufigsten bösartigen Tumor bei Männern abgelöst. 2002 stand es mit 22,3 % (etwa 48.500 Fälle) an der Spitze der Krebsneuerkrankungen vor dem Darmkrebs (16,3 %, ca. 35.600 Fälle) und Lungenkrebs 2) (14,9 %, ca. 32.550 Fälle). Die Inzidenz beträgt rund 100 Fälle auf 100.000 Männer pro Jahr. Die Tendenz ist in den letzten Jahren steigend, 2004 waren bereits 58.000 Fälle zu verzeichnen 3). Es handelt sich also um einen häufigen bösartigen Tumor, an dem pro Jahr mehr als 10.000 Männer in Deutschland eines schmerzhaften und elenden Todes sterben.
Dieses Karzinom ist eher ein Krebs des älteren Menschen, es tritt nur selten vor dem 45. Lebensjahr auf, seine Häufigkeit nimmt dann mit dem Alter zu. Es scheint eine Veränderung in Richtung Zunahme aggressiverer Tumoren stattzufinden, was eine effektive Früherkennung um so notwendiger macht, da jeder Zeitverlust bei schnell wachsenden Tumoren einen unumkehrbaren Schritt in Richtung eines qualvollen Todes bedeuten kann. Liegt ein Krebsverdacht vor, so muß zur Diagnosesicherung eine Gewebeentnahme (Stanzbiopsie) aus mehreren Bezirken der Prostata durchgeführt werden. Wird die Krebsdiagnose bestätigt, dann muß je nach Befund (Größe, Malignitätsgrad) eine Prostataentfernung, Bestrahlung oder Hormontherapie abgewogen werden. Selbstverständlich gilt für das Prostatakarzinom (wie für jeden Krebs), je früher es erkannt wird, um so wahrscheinlicher ist es heilbar; hat der Krebs die Organgrenzen überschritten, ist er in der Regel nicht mehr heilbar. Hier liegt auch der Hauptmangel der alleinigen DRU, denn die dabei getasteten Tumoren haben in etwa der Hälfte der Fälle die Organgrenze bereits überschritten!
Seit mehr als 30 Jahren besteht nun die Möglichkeit des PSA-Nachweises im Blut. Da in ca. 80 Prozent der Fälle ein Prostatakarzinom zum Anstieg des PSA im Blut führt, hat man damit ein diagnostisches Kriterium zur Hand. Da der PSA-Wert aber auch bei gutartigen Prostataerkrankungen (Volumenzunahme und Entzündungen) häufig erhöht ist, sind zur Klärung, ob wirklich ein Krebs vorliegt, bei erhöhten PSA-Werten weitere differentialdiagnostische Untersuchungen notwendig; aussagekräftig ist dabei eben der TRUS. Die Interpretation von erhöhten PSA-Werten ist auch im Falle kleiner, früher Tumoren nicht immer ganz einfach und erfordert das Heranziehen verschiedener anderer Parameter bzw. Verlaufsuntersuchungen, was für den Urologen zum täglichen Brot gehört.
Kommen wir, bevor wir uns dem Geschrei der "Patientenschützer" zuwenden, zu einigen Daten bezüglich des Stellenwertes der PSA-Bestimmung: Im Rahmen einer Schweizer Studie wurde bei 3652 Männern der PSA-Wert ermittelt. 395 (11,1 %) hatten dabei einen als verdächtig eingestuften Wert (> 3 ng/ml), 372 (10,5 %) wurden dann einer Biopsie unterzogen. Bei etwa einem Viertel der Biopsierten (89 Patienten) fand sich ein Karzinom, wobei die Häufigkeit von Karzinombefunden mit der Höhe des PSA-Wertes korrelierte. Insgesamt wurde in dieser Studie durch die PSA-Bestimmung (eine unaufwendige Blutabnahme!) bei 2,4 % der Untersuchten ein Prostatakarzinom entdeckt, von denen im weiteren 93 % kurativ behandelt, also geheilt werden konnten. (Freilich mußten mehr als 3000 ach so arme Menschen einen ach so schlimmen Piks in den Arm ertragen, und drei Viertel der PSA-Auffälligen mußten "umsonst" biopsiert werden, siehe die Fußnote im vorhergehenden EVOLVER/"Ketzerbriefe"-Beitrag zur "evidenz-basierten Medizin").
Weiterer Beleg für die Effektivität des PSA-Tests sind die Zahlen aus den USA, wo zehn Jahre nach Einführung des PSA-Tests die Sterblichkeit an Prostatakarzinom deutlich zurückgegangen ist (um ca. 20 Prozent); ähnlich sieht es in Kanada und Tirol aus (in Tirol ist zudem der Vergleich mit dem restlichen Österreich, wo das PSA-Screening noch nicht eingeführt wurde, instruktiv). Schlußendlich wurden die Ergebnisse der großangelegten ERSPC-Studie 4) - seit 1994 waren 182.000 Männer aus sieben europäischen Ländern in die Studie einbezogen worden (bezeichnenderweise war Deutschland nicht beteiligt) - gerade frisch im "New England Journal of Medicine" publiziert. Es konnte gezeigt werden, daß durch ein alle vier Jahre durchgeführtes PSA-Screening die Rate der Todesfälle an Prostatakarzinom um mehr als 20 Prozent gesenkt wird (und das, obwohl bei einem Screening-Intervall von vier Jahren schnell wachsende Tumoren häufig zu spät entdeckt werden; ein engeres Intervall könnte also sicher weitere Todesfälle verhindern). Damit wurden die bekannten Zahlen also gerade nochmals bestätigt.
Trotzdem wird die in Deutschland seit Jahren immer wieder mittels der Medien aufgekochte Kampagne gegen das PSA-Screening ungebrochen fortgesetzt. Die entsprechenden Wortführer, von denen wir oben zwei vorgeführt haben, werden in wechselnder Rollenverteilung immer wieder neu aufs Parkett geschickt, die Presse berichtet dann immer wohlwollend zugunsten der Vorsorgefeinde. Schauen wir uns deren "Argumentation" gegen die PSA-Testung einmal genauer an.
Es wird behauptet, daß die steigende Inzidenz des Prostatakarzinoms eine durch zunehmende PSA-Bestimmungen künstlich herbeigeführte Welle sei, weil damit hauptsächlich harmlose Tumoren (solche, die praktisch ein Leben lang in Ruhe verharren, also nie krebsartig wachsen und wuchern) entdeckt würden, die man also sonst gar nicht erfaßt hätte und die auch nicht behandelt werden müßten. Es ist richtig, daß man mit der PSA-Bestimmung auch solche kleinen (Vor-)Krebse erfaßt, auch, aber eben nicht hauptsächlich oder gar nur solche; im übrigen liegt der Anteil operabler bösartiger Karzinome (solche, die wachsen, gesundes Gewebe wuchernd zerstören und den Menschen schließlich töten, wenn man sie nicht vor Überschreiten der Organgrenze diagnostiziert und behandelt) an der Gesamtheit der diagnostizierten Prostatakarzinome seit Jahren konstant bei ca. 60 Prozent. Aus der Tatsache, daß nicht jeder (Vor-)Krebs zu einem richtigen wird, kann nur ein eiskalter Zyniker ableiten wollen, gar keine Diagnostik zu betreiben. Natürlich greifen die Apologeten des billigen Frühablebens hier gern auf wissenschaftlich noch nicht endgültig gelöste Probleme zurück. 5)
Mit der PSA-Bestimmung läßt sich derzeit tatsächlich noch kein sicherer Rückschluß auf den Grad der Bösartigkeit (wie schnell und wie wahrscheinlich wird ein früher Befund zu einem gefährlichen Krebs oder verbleibt im [Vor-]Krebsstadium) kleiner Tumoren ziehen. Man steht hier natürlich vor einer im Sinne des Patienten verantwortlichen Aufgabe, denn auf der einen Seite darf man ja den Schritt zur Bösartigkeit des Tumors nicht verpassen, auf der anderen möchte man keinem Patienten eine potentiell einschränkende Therapie wie die Prostataentfernung unnötigerweise zumuten. Diese grauen Haare lassen sich besagte Zyniker natürlich nicht wachsen. In Wahrheit kann aber mittels weiterer Diagnostik (u. a. eben die erwähnte TRUS und die Probebiopsie) die Antwort, ob abwartendes Beobachten oder Operation (bzw. Hormontherapie) anzuraten ist - entscheiden tut dann selbstredend der Patient -, in aller Regel sehr wohl gegeben werden; hier gilt es allerdings, die Forschung auszubauen, statt wie die Zyniker im Dienste des Rentnerberg-Abbaus das Gegenteil zu fordern.
Jeder kann ja vor diesem Hintergrund die Schlagworte zum Thema, die einem gerade aktuell massiv um die Ohren gehauen werden, mal durchleuchten: "Prostata-Krebsvorsorge - Unzuverlässig, risikoreich und oft überflüssig" titelte der "Spiegel" (24 .4. 2009); "Krebstest der Prostata liegt meist daneben - Viele Therapien überflüssig" - posaunt die BZ (19. 3. 2009); die Senkung der Todesrate um 20 Prozent wird im selben Artikel als unbedeutende Sache ganz am Schluß behandelt. 6) Zwei von drei Männern mit erhöhtem PSA hätten gar keinen Krebs, tönt unser Biometriker unentwegt in seinen Broschüren. Nun, das wird von niemandem bestritten, allerdings wird auch niemandem allein aufgrund eines erhöhten PSA-Wertes die Prostata herausgerissen, was latent ja untergeschoben werden soll.
Ein durch PSA-Bestimmung entdeckter Krebs sei "meist ungefährlich" (siehe hierzu die obigen Ausführungen), für die meisten Männer sei eine "Behandlung überflüssig". (Unter dem Aspekt, daß jeder irgendwann sterben muß, mag das für jede Behandlung gelten; unter dem Aspekt, ob man es durch Verhinderung ordentlicher Diagnostik und Therapie vorher muß, sind allerdings weder die PSA-Diagnostik noch die angemessene Therapie überflüssig; erinnern wir uns an mehr als 10.000 Todesfälle an Prostatakarzinom pro Jahr.) "Der PSA-Test übersieht jeden fünften Tumor." Na, dann hat man wenigstens vier gefunden! Außerdem sollte man den Test deshalb ja auch jährlich wiederholen, weil damit die Lücke weitgehend geschlossen werden kann. Nach dieser Logik müßte auch die Diagnostik der Blinddarmentzündung (und entsprechende Operationen) abgeschafft werden, da leider immer wieder einzelne Blinddarmentzündungen übersehen werden. Lassen wir es dabei. Wer will, hat ausreichend Material zur Urteilsbildung beisammen, wer nicht, den soll der Herr eben zu sich nehmen.
Wir bleiben bei der Prostata und kommen zu einem weiteren, die Menschenverachtung und Verlogenheit dieses Staates verdeutlichenden Beispiel.
Bis März 2003 fand an der University of Texas (Health Science Center, San Antonio, USA) eine mit 18.882 Männern großangelegte, auf zehn Jahre konzipierte Studie zur Prävention des Prostatakarzinoms statt - hier ging es also nicht um frühzeitige Erkennung, sondern um Verhinderung der Entstehung des Prostatakarzinoms (Prostata Cancer Prevention Trial, abgekürzt PCPT). Eingesetzt wurde das schon seit Jahren bekannte, bisher aber nur für die Therapie von gutartigen Prostatavergrößerungen zugelassene Medikament Finasterid. Diese Studie wurde nach sieben statt nach zehn Jahren vorzeitig abgebrochen, da ihre Ergebnisse schon zu diesem Zeitpunkt eindeutig waren. Von den fast 19.000 Männern im Alter ab 55 Jahren hatte ein Teil der Probanden das Medikament Finasterid erhalten, die anderen bekamen ein Placebopräparat. Innerhalb dieser 7 Jahre erkrankten in der Plazebogruppe 24,8 Prozent mehr an einem Prostatakarzinom als in der Finasterid-Gruppe, ein ausgesprochen beeindruckendes und eindeutiges Ergebnis, wird man sagen dürfen. 7) Seit Bekanntwerden des Ergebnisses der PCPT-Studie wurde sie auf Mark und Bein geprüft. Seit 2005 steht endgültig fest:
I. Die prophylaktische Einnahme von Finasterid verhindert bei einem Viertel der Männer das Auftreten eines Prostatakarzinoms!
II. Die Einnahme von Finasterid erhöht die Trefferquote bei einer Prostatapunktion zum Nachweis eines schon bestehenden Karzinoms, was einen früheren Beginn von therapeutischen Maßnahmen ermöglicht und damit die Heilungschancen erhöht!
Spätestens zu diesem Zeitpunkt, so wird jeder unvoreingenommene Mensch vom Mars sicherlich erwarten, hätte eine breite Öffentlichkeitskampagne sowohl durch den Staat als auch durch "Patientenschützer" einsetzen müssen, um alle betroffenen Männer über ihre Chance, 25 Prozent seltener an einem Prostatakarzinom zu erkranken, zu informieren - von wegen "zu teuer" (denken wir nochmal an die Antiraucherplakate!). Nichts dergleichen ist geschehen. Nun, wer nicht vom Mars ist, den wundert das nicht wirklich. Dafür hat die am 15. 12. 2005 in Paris tagende Konferenz der Europäischen Gesellschaft für Urologie (EAU) ihre Empfehlungen zur PCPT-Studie verabschiedet. Die Eindeutigkeit der Ergebnisse stellte auch diese Konferenz keine Sekunde in Frage, bemerkenswert sind allerdings die praktischen Konsequenzen, die daraus abgeleitet werden: Die ersten beiden benennen richtig die o. g. Ergebnisse der Studie, dann heißt es aber weiter:
III. Eine kritische Information von Ärzten und Laien über die Ergebnisse der PCPT-Studie ist erforderlich.
IV. Männer, die eine Information zur Prävention eines Prostatakarzinoms wünschen, sind über die Ergebnisse der PCPT-Studie zu informieren.
Alle nicht explizit fragenden Patienten - und fragen kann ja nur jemand, der den Sachverhalt schon kennt, aber woher kennt man ihn denn (außer aus den "Ketzerbriefen")? - sollen also nicht informiert werden und unnötig leiden und sterben. Normalerweise findet man ja als Patient den im vorauseilenden Gehorsam geübten Arzt vor, und der hat ja vor allem im Kopf: Wer soll daaas bezahlen?! - das war es in der Regel dann mit der »kritischen« Information.
Natürlich trifft es hier, und das ist das zynisch-schweinische Kalkül, die aus der Sicht der Propagandisten und ihrer Auftraggeber nutzlosen und teuren Rentenverzehrer. In gleichem Kontext steht die Verketzerung der lebenserwartungsverlängernden Cholesterinsenker und die kürzlich eingeführte Beschränkung des Mammographie-Screenings zur Brustkrebs-Früherkennung auf ein Alter bis 69 Jahre, um nur zwei weitere von inzwischen endlosen Beispielen zu nennen. Hören wir dazu den Leiter des IQWiG ("Spiegel" vom 20. 4. 2009), einen gewissen Peter Sawicki, der uns als "oberster Gesundheitsprüfer in Deutschland" vorgestellt wird: "In den meisten Fällen sind der Nutzen und der Schaden relativ gering. Ob man die Früherkennung macht oder nicht, hat für den Einzelnen keine große Bedeutung. Die Effekte werden erst sichtbar, wenn man sie auf die Gesellschaft hochrechnet." Und was kann diese "Gesellschaft" nicht alles machen mit den schönen Renten, die den Rentnern, als sie noch Tag für Tag arbeiteten, Monat für Monat vom Gehalt abgezwackt wurden? - Regierungspappnasen durchfüttern, die Welt mit Überwachungskameras zupflastern, Tornados bauen ... Sawicki weiter: "Gesunden Menschen Lebensmut und Hoffnung zu geben, ist aber nicht Aufgabe der Medizin. Dafür ist die Religion da."
Die Vorsorge- und Früherkennungsprogramme stehen entgegen großspurig verlogener, gegenteiliger Verlautbarungen in Wahrheit auf der Abschußliste, weil sie in einer Gesellschaft, in der die meisten Infektionskrankheiten durch Antibiotika effektiv behandelt werden können, einen wesentlichen Einflußfaktor auf die durchschnittliche Lebenserwartung darstellen. Sie stören also beim planmäßigen Abbau des Rentnerbergs.
Ketzerbriefe
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