S.J. Watson: Ich. Darf. Nicht. Schlafen.
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Before I Go To Sleep
Scherz (D 2011)
Amnesie-Thriller, in denen die Helden nach ihren verlorengegangenen Erinnerungen suchen, gibt es viele. Das Debüt des britischen Autors hebt sich hier - mit einer Einschränkung - wohltuend ab. 20.09.2011
Als Christine am Morgen erwacht, ist sie der festen Überzeugung, jung und noch voller Elan zu sein. Was zum Teufel macht also der alte Mann im Bett neben ihr? Sie flüchtet ins Bad. Die Frau, die ihr dort im Spiegel entgegenblickt, hat Speck auf den Hüften, ist faltig, grauhaarig, jenseits der 40 - und laut der Bilder und Notizen an der Wand mit eben jenem Herrn im Schlafzimmer nebenan verheiratet.
Ben, so sein Name, erklärt ihr, daß sie seit einem tragischen Unfall nicht nur ihr Gedächtnis verloren hat, sondern jede Nacht aufs Neue vergißt, was gewesen ist.
Ob eine derartige Erkrankung realistisch ist, ist nicht so wichtig; schließlich hat auch bei "Täglich grüßt das Murmeltier" oder "Memento" - Meilensteinen des Amnesie-Kinos - niemand nach logischen Erklärungen gefragt. Die biologischen Diagnosen, die Autor S.J. Watson seinen Ärzten in den Mund legt, klingen für den Laien schlüssig, das genügt. Bereitwillig läßt man sich deshalb auf den weiteren Lauf der Geschichte ein.
Kaum hat der fürsorgliche Gatte nämlich die Wohnung verlassen, um zur Arbeit zu gehen, klingelt das Telephon. Christines Psychiater ruft an und verrät ihr, daß sie seit geraumer Zeit ein Tagebuch führt, das sie vor Ben versteckt hält. Warum? Schwer zu sagen, denn sie kann sich ja nicht erinnern. Also beginnt sie zu lesen und erfährt, daß sie Tag um Tag ihrer Vergangenheit ein Stückchen mehr auf die Spur gekommen ist.
Und dies ist auch das Manko des Thriller-Debüts von Watson: Christine hat in ihren Notizen - die gut und gerne 300 der knapp 400 Seiten von "Ich. Darf. Nicht. Schlafen" umfassen - jeden Tag aufs Neue geschildert, wie sie morgens vor Schreck erwachte, ins Bad stürmte, die Bilder und Notizen entdeckte, sich von ihren Mann aufklären ließ, den Anruf ihres Doktors hielt, ihre versteckten Aufzeichnungen fand und sich dann wieder und wieder durch die ständig an Umfang zunehmende Lektüre kämpfen mußte.
Immerhin: Weil sie mit jedem neuen Tag auch einem weiteren Puzzlestein ihres Lebens auf die Spur kam, das die zuvor entdeckten Fundstücke in Frage stellte, bringt Watson langsam, aber sicher Dramatik ins Spiel.
Als Christine ans Ende ihrer Lektüre gelangt, ist sie überzeugt, ihr Leben endlich wieder beieinander zu haben. Doch weit gefehlt: Jetzt fängt der Horror erst richtig an. Die Geschichte nimmt dermaßen Fahrt auf, daß die verbliebenen 70 Seiten genau das sind, was man von einem Page-Turner erwartet: einfach nur spannend.
Sieht man also von den phasenweisen Längen ab, die wohl auch der Grundidee dieses Thrillers geschuldet sind, bleibt dennoch ein gelungenes Debüt, dessen Filmoptionen bereits nach Hollywood verkauft wurden.
S.J. Watson: Ich. Darf. Nicht. Schlafen.
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Scherz (D 2011)
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