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Der kriminelle Adventkalender 2010

Auch in diesem Jahr stellt Ihnen der EVOLVER wieder einen bunten Strauß aus spannenden Storys zusammen, die mit angemessenem Grauen durch lange Winternächte begleiten. Marcel Feige hat dafür drei aktuelle Sammlungen mit Kurzgeschichten für Sie ausgesucht.    30.11.2010

Marcel Feige

Sebastian Fitzek (Hrsg.): P.S. Ich töte dich: 13 Zehn-Minuten-Thriller

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Droemer (D 2010)

 

Wahrscheinlich die außergewöhnlichste Buchveröffentlichung dieses Winters - jedenfalls, was die Optik betrifft. "P.S. Ich töte dich" schaut aus wie in Moleskin gebunden (inklusive Gummiband, das das Notizbuch verschließt). Herausgeber Fitzek offeriert aber noch weitere Absonderlichkeiten: Offenbar hat er von allen 13 beteiligten Autoren handschriftliche Proben ihrer Kurzgeschichten verlangt und seitens einer Graphologin begutachten lassen. Interesssant - manchmal sogar beängstigend - zu erfahren, was sich hinter den Frauen und Männern verbirgt, in deren Köpfen solch scheußliche Geschichte entstehen.

Und es sind nicht einfach nur irgendwelche Autoren. Fitzek hat die Crème de la Crème des internationalen Thriller-Biz gewonnen: Jilliane Hoffman, Jens Lapidus, Steve Mosby, Torkil Damhaug ... um nur einige zu nennen. Außerdem steuerte Val McDermid eine Tony Hill-Story bei, und Michael Connelly eine Harry Bosch-Erzählung.

Was auffällt: Die besten Zehn-Minuten-Thriller stammen aus deutscher Feder; unter anderem von Markus Heitz, Thomas Thiemeyer, Petra Busch und Markus Stromiedel.

 

EVOLVER-Lesetip: "Monopoly" von Judith Merchant. Alles im Leben hat seinen Preis. Nicht immer ist er fair oder exakt definiert. Aber meistens ist er tödlich. Hier kann man nachlesen, warum die Autorin für ihre Story den Glauser-Preis 2009 für die beste Kurzgeschichte erhalten hat.

Links:

Cornelia Kuhnert & Richard Birkefeld (Hrsg.): Bock auf Wild

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Heyne (D 2010)

 

Dieser Band kommt ungleich schlichter daher. Doch aufgepaßt: Die Anthologie hat es in sich. Jeder der 15 beteiligten Autoren stellt im Anhang ausführlich sein Lieblingsrezept vor. Da finden sich solche Schmankerl wie "Wisent Baltasar", das mittelalterliche "Pot-au-feu à la Walhall" (auch bekannt als "Ullers Grapen"), das "Balsamico-Kaninchen mit Honig", "Tortelloni mit Kaninchenleberfüllung und Salbei-Spargel-Butte" oder ganz einfach der Hasenbraten für vier Personen - empfohlen von Ingrid Noll, der Grand Dame des deutschsprachigen Krimis. Allein schon für diese vortrefflichen Anleitungen verdient das Buch die volle Punktezahl.

Immerhin, die Rezepte sind ja nur das Dessert; in "Bock auf Wild" sind die Short Stories das eigentliche Hauptmenü. Dafür haben die Köche (pardon: Herausgeber) ebensogute Arbeit geleistet und die Elite der deutschsprachigen Autoren eingeladen. Unter anderem Jacques Berndorf, Susanne Mischke, Gisbert Haefs, Anne Chaplet, Karr & Wehner und Sandra Lüpkes.

Na denn - guten Appetit!

 

EVOLVER-Lesetip: "Der Minister und der Bär" von Horst Eckert. Amüsant, wie der Autor die stillen Verflechtungen von Medien, Politik und Kultur enthüllt. Erfreulich, daß diesen korrupten Bastarden zum Ende ihr gerechtes Schicksal winkt. Der hungrige Bär freut sich.

Links:

H.P. Karr, Herbert Knorr, Sigrun Krauß (Hrsg.): Mords. Metropole. Ruhr

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Grafit (D 2010)

 

Im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Sammelbänden ist die fünfte Ausgabe der "Mord am Hellweg"-Anthologie fast enttäuschend - denn sie kommt nicht nur ohne jegliches Extra aus, sondern präsentiert sich halt auch in dem klassisch-nüchteren Design der Grafit-Bücher. Aber sie nur deshalb nicht zu beachten, wäre eine Sünde. Denn die Herausgeber (zugleich auch Veranstalter des größten Krimifestivals Europas) haben sage und schreibe 25 nationale und interationale Top-Autoren gewonnen, wie sie abwechslungsreicher nicht sein könnten: Jussi Adler-Olsen, Xavier-Marie Bonnot, Louise Welsh, Domingo Villar, Maj Sjöwall, Anne Chaplet, Bernhard Jaumann, Helene Tursten, Raoul Biltgen, Tatjana Kruse, Doris Gerke, Oliver Bottini, Thomas Raab ... Noch Fragen?

"Mords. Metropole. Ruhr" ist damit die von allen vorgestellten Anthologien die umfangreichste (noch dazu zu einem sagenhaft günstigen Preis!) und bietet sich deshalb förmlich als krimineller Adventkalender an.

Da kann man gar nichts falsch machen. Ehrlich.

 

EVOLVER-Lesetip: "Der Warstein-Code oder: Im Bier liegt die Wahrheit" von Ralf Kramp. Nein, keine Schleichwerbung, die der Autor hier betreibt, sondern die schonungslose Enthüllung aller Verschwörungen zwischen Rhein, Ruhr und darüber hinaus. Und wer nach der Lektüre noch eine Flasche Bier trinkt, ist selber schuld.

Links:

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Michael Connelly - Götter der Schuld

Der schmale Grat

"Götter der Schuld" werden die zwölf Geschworenen genannt, die im Gerichtssaal über die Schuld eines Angeklagten entscheiden. Nur was, wenn der unschuldig ist, die Beweise dafür aber fehlen? Marcel Feige klärt auf.  

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Katja Bohnet - Messertanz

Kleine Welt

Das Romandebüt der deutschen Autorin ist vieles: ein Thriller, ein Familiendrama, eine Rachestory. Vor allem ist es jedoch unbedingt lesenswert, wie Marcel Feige findet.  

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Stephen King - Basar der bösen Träume

Königliches Gemenschel

Hat´s der Schöpfer von Klassikern wie "The Shining", "Carrie" oder "Misery" nach all den Jahrzehnten immer noch drauf? Marcel Feige hat sich in seine neue Kurzgeschichtensammlung vertieft.  

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Mut und Konsequenz

Mit einem Robotham kann man für gewöhnlich nichts falsch machen, findet Marcel Feige. Sein neuer Roman ist allerdings eine Ausnahme.  

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Seifenblase

Das muß einem Autor erst einmal gelingen: einen Roman schreiben, in dem nichts passiert. John Grisham hat es geschafft.  

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WTF?

Der Rassenwahn in den Südstaaten Amerikas ist ein Thema, das den US-Autor Greg Iles nicht zum ersten Mal beschäftigt - diesmal allerdings ambitioniert und (fast) ohne Kompromisse.