Jörg Fauser: Marlon Brando
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Der versilberte Rebell
Alexander Verlag (D 2007)
Vor nicht ganz 25 Jahren starb der deutsche Literat, Ex-Junkie, Burroughs-, Beat- und Bukowski-Fan, Journalist und Rebell Jörg Fauser bei einem nächtlichen Spaziergang auf der Autobahn. Bis heute sind die Umstände seines Todes nicht ganz geklärt. Fest steht jedoch, daß Fauser den amerikanischen Noir-Roman als erster gekonnt nach Deutschland transponierte und sich bis an sein Lebensende nicht von der beamteten Kulturmafia vereinnahmen ließ. Michael Wildberg erinnert an einen großen deutschen Schriftsteller. 07.04.2012
Jörg Fauser lief am 17. Juli 1987 eine Autobahn entlang, um vier Uhr morgens, graue Schleier vor den Augen und auf den Straßen. 43 war er geworden und hatte sich in der Nacht zuvor ein Getränk nach dem anderen in den Hals geschüttet, genau dorthin, wo die Kollegen von den Zeitungen noch hinschlagen konnten, bamm, bamm, bamm, damals, als man in bundesdeutschen Feuilletonisten-Kammern die Weisheit lieber mit Löffeln fraß, anstatt sie in die Venen zu spritzen.
Fauser mußte sich alles anhören, "Keine Literatur!", "Kriminalliteratur!", "Gossenliteratur!", die Feigheit der vierten Gewalt, immer mit der Angst, der Chefredakteur könnte einen zerpflücken, würde man nur den zweiten Teil des Wortes verwenden. "Fauser ist keine Literatur!" tönte es gelegentlich noch aus miefigen Redaktionen, als ein LKW ihn erfaßte und seinen Körper zerriß.
Bamm. Aus und vorbei, dieses Leben, gestorben zwischen den Konvois der Realität und den Staub der Baustellen im Rücken. Eigentlich wie gemalt, der Dichter der Straße von einem Lastkraftwagen zermalmt und erschlagen. "Einen trink ich noch, dann geh ich nach Hause", der letzte Knall im Angesicht des Suffs und des suizidtrüben Morgens, der einsetzende Kater und kein Aufstehen mehr, als er das letzte Mal auf den Asphalt fiel und danach nicht mehr aufstehen wollte.
Daß er auf der Straße umkommen würde, war eine Wette, die man eingehen konnte - er, der der Straße wie kein anderer seine Aufmerksamkeit schenkte, dort, wo er wühlte und hinfiel, sich ermüdet auf dem Asphalt niederließ und wieder aufstand, von einem langen Atem getragen, aus dem man die Nacht noch herausriechen konnte, Den Rest erzählten die Flecken auf dem Mantel oder seine verwüsteten Hände, die Löcher in den Armen oder der Roulettekessel, in dem er sie versenkte.
Und wer Fauser morgens begegnete, wußte "Jörg war wieder on tour", vielleicht noch einen Schnaps in der Bahnhofskaschemme und zwei Gespräche; oder, wie Wolf Wondratschek über die Todesnacht spekulierte: "Er war aus dem Puff rausgeworfen worden - zwischen München und dem Flughafen Riem im Gewerbegebiet -, dort draußen gibt es kein Taxi, und dann ist er auf der Autobahn Richtung München gegangen, betrunken."
Fauser war bis dato schon über viele Straßen gegangen. Hatte sich mit 20 in Istanbul alles in die Venen gejagt, was er auftreiben konnte, jobbte für kurze Zeit als Pfleger in London, schaute sich die Menschen beim Dahinsiechen an, während er selber sechs Jahre lang seinen Körper und Geist malträtierte und siedelte über, nach Frankfurt, Berlin, reiste durch Griechenland und die Türkei, anscheinend genug Energie für mehrere Leben.
Mit 16, 17 hatte er Jack Kerouac gelesen, "On the Road", die Bibel des Driftwood und der Highway-Surfer, im Benzedrin- und Be-Bop-Rausch in die Tasten gehauen, auf jeder Seite die Energie eines sich im Aufbruch befindenden Lebens. Die Beatniks machten es vor, und Fauser hechelte hinterher, die Gier, die schon in den Expressionisten um Gottfried Benn, in Frankreichs Verbrecherdichtern Rimbaud und Baudelaire loderte, Helden der Jugend Jörg Fausers, literarische Vorbilder auf dem Weg in ein eigenständiges Leben und Bodensatz, auf dem sich alles weitere ablegen, ansetzen und fortpflanzen konnte.
Als er sich in Istanbul für ein paar Jahre aus der Realität schießt, ist es William S. Burroughs, der ihn begeistert und den er verschlingt, sein Frühwerk Junkie als die purste Form der Drogenliteratur und Schrift eines Seelenverwandten, das Meisterwerk Naked Lunch als alptraumhaftes Kaleidoskop über die Abhängigkeit und die Sucht, einen besseren Freund konnte man für diese Reise nicht haben, definitiv. Fauser hechelte hinterher, schrieb Aqualunge und Tophane, sperrige Werke für sperrige Menschen, und von denen gibt es bekanntlich nicht viele.
Auflagen auf Schülerzeitungsniveau prägten den Anfang, aber wenigstens einen Fuß in der Tür. "Go, man, go", würde Kerouac wohl dazu sagen.
Als Fauser lernte, daß er langsam, aber sicher mit dem Tod aufs Parkett ging, entledigte er sich seiner Kleidung, verschloß die Löcher in seinen Armen und begab sich auf andere Wege, bog an der Kreuzung anders ab und schritt doch immer weiter. Er war knapp an die 30, die Taschen leer, als er sich aufs Zeilenschinden verlegte und kapierte, daß die Kunst einen nicht von alleine ernährt.
"Ohne Eltern, ohne Freundinnen, ohne Freunde und ohne die üblichen Handlangerjobs wäre ich, als freier Schriftsteller, alsbald in meiner Bude verhungert: Wie alle mittleren Talente, die arm zur Welt gekommen und nichts dazuerworben hatten, auch", schrieb er irgendwann. Aber den Szenenapplaus der Rotweinbande um Reich-Ranicki & Co. wollte er sich immer noch nicht erwerben; die Gruppe 47 und Leute wie Walser, Grass und Enzensberger stießen ihn mit ihrer spießbürgerlichen Betroffenheitsliteratur eher ab, als daß sie ihn für einen neuen Trip anfixen konnten. Selbst als er anfing, regelmäßig für die Basler "National-Zeitung "zu schreiben, die ersten Hörspiele für den WDR verfaßte und zusammen mit anderen seine eigene Literaturzeitung gründete, konnte ihn der Verwaltungsmoloch des Kulturbetriebs nicht vereinnahmen. Fauser war zu schnell und wechselte zu oft die Strecke, um sich von nur einer Sache beeindrucken zu lassen.
Und er war radikal genug, um solche Gedanken zu Ende zu denken: "Man muß, will man sich trotzdem behaupten, gegen die alles fressende, alles wiederkäuende, alles ausspeiende, alles verderbende Maschinerie des Molochs Kulturbetrieb noch einmal soviel Kraft, soviel Integrität, soviel Widerstand einsetzen, wie man zum Schreiben verbraucht. Das freilich bringen nur wenige fertig."Der Mief der Büros war ihm immer suspekt, ihm, dem Sohn eines Malers und einer Schauspielerin, einstmals ein zärtliches Kind, jetzt drauf und dran, den Schweiß und den Dreck als Melodie aufzufassen.
Der neue Held der Rennbahn hieß Bukowski, und wieder war da dieses Eifern und diese Pose. Aus dem 45-Kilo-Junkie, der 1968 vor der elterlichen Haustür auftauchte, wurde ein Säufer, jemand, der die Theken in aller Brutalität okkupierte, aus dem Burroughs-Kostüm wurde die Bukowski-Maskerade. Fauser verließ das Wunderland, um auf der Straße des kleinen Mannes und des Suffs fortzufahren. Er hatte mittlerweile genug weiße Kaninchen gesehen und schlechte Trips überstanden.
"Ich habe einen ganz neuen Nervenkitzel, neu für mich, aufgetan, playing the horses, sonntags beim Buchmacher oder draußen auf der Rennbahn, das ist wirklich eine Welt, die mir noch gefehlt hat", wird er sagen, und dem Ex-Junkie, Nachtschwärmer, Grenzgänger und Milieuspezialisten noch den Zocker zur Seite stellen, Archteypen der Realität, des echten Lebens zwischen Hinfallen und Aufstehen, dort, wo Gewinn und Verlust noch wirklich wehtun können, schillernd genug, um an ihnen die Wirklichkeit in all ihren Facetten durchspielen zu können. Gab es bei Bukowski zwischen Bier und Rotwein gleich noch den Blick in die Trailerparks, Kneipen und Fabriken, die schonungslose Offenbarung des White Trash und Kehrseite des amerikanischen Traums, holt Fauser zum ganz großen Wurf aus, geht mit Wondratschek in den Boxkeller, hält sich fit und knallt sich alltäglich an die Schreibmaschine, um endlich vom Schreiben leben zu können.
Als er sich journalistisch quer durch die Republik schreibt, sind es Joseph Roth und Hans Fallada, die ihn begeistern und seinem Panoptikum einverleibt werden, Meister der Sprache, zumindest Roth auf der Kurzstrecke eine Klasse für sich und mit der Legende vom heiligen Trinker genau auf Fausers Linie. Es sind Jahre unfaßbaren Ausstoßes und alltäglicher Produktion, Morgen für Morgen an der Maschine und in der Nacht dort, wo die Handwerker und Angestellten sich für ein paar Mark ein wenig Glanz für ihre graubraune Patina abholen können und all jene verkehren, die sich ganz abgewandt haben und nur noch ihr eigenes Spiel spielen wollen, die Huren und Dealer, die Zocker und das Milieu, Schattengestalten, die vielleicht die Literatur kurz ins Licht holen kann, bevor sie wieder in ihren dunklen Ecken oder trüben Fabriken verschwinden.
Fauser schaut sich alles an, liest alles, säuft alles, schreibt alles, immer noch ein Getriebener, der Ex-Junkie, der zum Marathonläufer mutiert. Mit Roth, Fallada und Bukowski findet er radikale Vertreter in den eigenen Reihen. "Buy the ticket, take the ride", würde Hunter S. Thompson jetzt sagen, "Zieh es erbarmungslos durch", oder wie Fauser über Bukowski zu Protokoll gab:
"Bukowski war eine starke Erfahrung für mich. Der hat einfach gesagt: Du mußt das machen, und da kannst du noch so abfucken dabei, wenn du weißt, du hast auch nur einen guten Satz zu schreiben, mußt du vierzig Jahre durch den Dreck gehen. Und das fand ich doch gut."
Er schreibt für mehrere Zeitungen, geht beim Rundfunk ein und aus, übersetzt Songbücher und Biographien, nur sein Name will über Jahre hinweg auf keinem weiteren Buch mehr erscheinen. Mit 34 darf er dann endlich durch die Flügeltür treten, man hatte ihm den Autrag erteilt, eine Marlon-Brando-Biographie zu verfassen - für Fauser Anlaß genug, ab jetzt erbarmungslos Vollgas zu geben.
Er steigert sich in die Arbeit, geht durch Auf und Abs, ist manchmal morgens schon betrunken und verzweifelt, bevor er sich den Brocken wieder zur Brust nimmt und weiter am Ball bleibt. Das Leiden gehört zum Leben wie zur Literatur, er hatte es gelesen und am eigenen Leib erfahren, aber wenn er schon durch den Dreck mußte, dann wollte er es wenigstens auf seine eigene Art machen. Als er mit der Brando-Biographie auch noch gleich die Bundesrepublik, Hollywood und den Kulturbetrieb demontiert, steht Carl Weissner, der als Übersetzer und Verleger Thompson, Bukowski und Burroughs in Deutschland etablierte und als langjähriger und loyaler Freund Fauser durchs Leben begleitete, fassungslos vor diesem Pamphlet, angetan von der Radikalität und dem Aufbegehren einer Stimme:
"Leichenfledderei, Hirnverpestung […] Das schreibt normalerweise kein deutscher Feuilletonist. Und das schreibt auch kein deutscher Literat, weil er entweder die Schere schon im Kopf hat, oder weil er automatisch zurückzuckt. Mit dieser Entschiedenheit und Haltung, mit diesem radikal persönlichen Einstieg schreibt nur einer, der es nicht nötig hat, sich auf die Verwertungsmechanismen des Kulturbetriebs einzulassen."
Fauser hatte sich eingenistet zwischen den Stühlen, die perfekte Position für einen Pistolero und Grund genug, sich erneut mit dem Kulturbetrieb anzulegen, den Revolver zu ziehen und loszuschießen. Diesmal aber für bare Münze und mehr als Erfahrung,
Während Deutschland sich immer noch an der Biederkeit der Literatur für Arztpraxen und Hochschulen erfreute, bekam Fauser seinen literarischen Auftrag von ganz unten. Und nachdem er den Essay, das Hörspiel, das Gedicht, Cut-up und etliches anderes ausprobiert hatte, ging es jetzt ans Erzählen und den Plot, an klare Literatur, von Anfang bis Ende. Da Fauser schon immer im Denken schneller war als alle anderen, riß er für sich freistehend die Mauer zwischen Unterhaltung und Hochkultur ein und widmete sich dem Krimi - Reich-Ranicki und Walser zum Trotz.
Er verschlang Hammett und Chandler, liebte und lobte Chester Himes, der seine Wut als Afroamerikaner in seinen Krimis zur Schau stellte, und verteidigte alle drei bis aufs Blut, als wenige in Deutschland erkannten, daß man auch ohne SS und Gestapo die großen Dramen abhandeln kann. Fauser hatte gelernt, für ein Publikum zu schreiben, ohne sich dadurch korrumpieren zu lassen, dem Journalismus sei Dank, und hatte damit den vielleicht gewagtesten Schritt eines Literaten gemacht.
Mit "Der Schneemann" zeigt er, was er drauf hat. Die Geschichte Siegfried Blums, der drei Kilo Koks an den Mann bringen will und dabei vom Kölner Bahnhof bis zur Münchener Schickeria alles mitmachen muß, ist Zeugnis dieser Stimme. "Schmierige Hotelportiers, versoffene Partys und knappe Dialoge: Das ist der dreckige Realismus von Jörg Fauser, einem Schriftsteller, der nur deshalb einen Krimi geschrieben hat, weil er endlich mal mit einem Buch Geld verdienen wollte. Jedes einzelne Satzzeichen folgt einer strengen Kosten-Nutzung-Rechnung, die aus einer anständigen Geschichte - wie verkauft man drei Kilo Koks? - den besten deutschen Thriller aller Zeiten gemacht hat", schreibt ein Rezensent. Das Buch verkauft sich wie geschnitten Brot, drei Jahre später wird es verfilmt. Fauser hatte zum ersten Mal den Jackpot abgeräumt; spätestens jetzt hatte er die Zeit, sich einen größeren Brocken vorzunehmen.
Alles, was sich in Fauser bereits andeutete, in seinen unzähligen journalistischen Arbeiten und seinen Geschichten, in den Drogen und dem Suff, in der Demontage des Kulturbetriebs und dem Hunger auf rohes Leben, in seinen unendlichen Auseinandersetzungen mit dem Land, das ihn umgab, sein Getrieben-Sein und seine Reisen, in seinen Gedichten und dem Cut-up, auf der Mindmap mit Charles Bukowski, William S. Burroughs, Jack Kerouac, Gottfried Benn und den Expressionisten reisend, mit Chandler und Hammett melancholisch den Whiskey saufend und mit Fallada durchs Leben streifend, in Joseph Roth, im Milieu, in den Zuhältern und kleinen Leuten; all das findet sich wieder in "Rohstoff".
Die Geschichte vom angehenden Schriftsteller Harry Gelb, der sich aufmacht, die Welt zu erobern, dabei oft genug hinfällt und sich als Gepäckarbeiter und Nachtwächter verdingt, ist Sittengemälde von oben bis unten und von links nach rechts, Fausers Rundumschlag und ein einziges Fest. Fauser jagt die Odysee zwischen Drogensucht, Berlin und Frankfurt am Main an Linksspießern vorbei und durch die Zeitungsredaktionen, nimmt sich Getränke, die Politik und die Rauhheit der Stehausschänke und Eckkneipen vor. Der 40jährige hatte alles gesammelt, Wissen wie Erfahrung, Stoff von allen Seiten, Gesprächsfetzen und Cut-up wie straight story. Das Gepäck war gepackt, und jetzt war es an der Zeit, die Nummer zu Ende zu bringen, "Buy the ticket, take the ride" oder "Go, man, go".
Reist man auf Fausers mindmap mit, dann ist "Rohstoff" das "On the Road" der deutschen Literatur, das "Der Mann mit der Ledertasche" und "Faktotum", da ist Fallada und auch Roth, und dabei so sehr Fauser, daß man die Vorbilder vergißt, während man auf sie draufstarrt. Es sitzt so sehr zwischen allen Stühlen, daß es nahezu zwanzig Jahre brauchte, bis eine neue Generation Jörg Fauser in den Olymp hob - Leute, die mit Odyseen und Rollenwechseln zurechtkommen konnten. Aber da gab es ja noch die anderen, in die Jahre gekommene Männer, die immer noch die alte Thomas-Mann-Kulturfahne hochhielten.
Als er 1984 beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb einen Text vorliest, zerreißt ihn Reich-Ranicki, krakeelt: "Mit Kunst hat das nichts zu tun. Wir sind hier für andere Literatur zuständig", und gibt Fauser damit den größten Ritterschlag seiner Karriere.
Drei Jahre später hatte Fauser mindestens sieben Leben gelebt, er hatte sich gehäutet und gewandelt, seine Helden einverleibt und besungen, er hatte die Massen mit seinen Krimis zum Kochen gebracht und mit "Rohstoff" erst einen unverdaulichen Genickschlag und dann einen Klassiker der deutschen Literatur hingelegt, er war durch die Drogen und den Suff, durch die Bahnhofskaschemmen und an den Nutten vorbeigegangen, er hatte alles aufgesaugt und aufgeschrieben, den Habitus und die Pose übernommen und sich dabei ein eigenes Gesicht gegeben: unverkennbar Fauser-Sound.
Vielleicht war es einfach zuviel. Wenn ein Großteil der Selbstmorde Kurzschlußreaktionen, unterstützt von Halluzinogenen oder sonstigen Rauschmitteln sind, dann hatte Fauser immer auf des Messers Schneide getanzt. Es würde nur zu gut passen, ihn sich vorzustellen, wie er persönlich die Schlußszene malt und sich seinen letzten Sound gibt, bamm, aus und vorbei diese Leben.
Nur hatte Aufgeben nie zu Fausers Masche gehört. Harry Gelb war noch immer aufgestanden und hatte sich den Dreck von den Ärmeln geschüttelt. Wenn andere 40 Jahre durch den Dreck gehen mußten, um einen guten Satz zu schreiben, dann hatte er in seinen 43 Jahren davon hunderte bis tausende in die Maschine geprügelt, und es war nicht davon auszugehen, daß er jetzt schon die letzte Kurve nehmen wollte. Sein Roman "Die Tournee" blieb unvollendet; Fauser befand sich mal wieder in Hochform: "Schreiben war gut. Besser als die Gemeinschaft mit Menschen war, über sie zu schreiben, und dann nicht an ihnen haften zu bleiben, sondern weiterzuhüpfen wie die Kugel im Roulettekessel."
Jemand wie Jörg Fauser hätte sich sicherlich lieber in den Kessel als vor einen LKW geworfen, soviel ist sicher.
Jörg Fauser: Marlon Brando
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Der versilberte Rebell
Alexander Verlag (D 2007)
Jörg Fauser: Der Strand der Städte
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Gesammelte journalistische Arbeiten 1959-1987
Alexander Verlag (D 2008)
Jörg Fauser und Martin Compart
Auf literarischer Zechtour
EVOLVER (Ö 2005)
Vor nicht ganz 25 Jahren starb der deutsche Literat, Ex-Junkie, Burroughs-, Beat- und Bukowski-Fan, Journalist und Rebell Jörg Fauser bei einem nächtlichen Spaziergang auf der Autobahn. Bis heute sind die Umstände seines Todes nicht ganz geklärt. Fest steht jedoch, daß Fauser den amerikanischen Noir-Roman als erster gekonnt nach Deutschland transponierte und sich bis an sein Lebensende nicht von der beamteten Kulturmafia vereinnahmen ließ. Michael Wildberg erinnert an einen großen deutschen Schriftsteller.
Nicht nur, weil wir Ihnen hier ein Buch über Fußball vorstellen (das Hochjubeln stumpfsinniger Massenspektakel überlassen wir ja sonst den Intellektuellen bei "Falter" & Co). Wir haben zudem - aus Gründen der Neutralität - einen Kollegen aus Deutschland gebeten, sich des Werkes anzunehmen ...
Warum es 27 Jahre gedauert hat, bis dieses Buch des ebenso genialen wie manischen Journalisten und Autors bei uns erscheinen konnte, versteht kein Mensch. Aber jetzt ist es endlich soweit ...
... schrieb "der Duke" 2003 über die Bush-Regierung - und solche Sätze waren typisch für ihn. Was bei diversen Interviews mit dem Mann herauskam, der den Gonzo-Journalismus erfunden hat, ist in einem soeben auf Deutsch erschienenen Buch nachzulesen.
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