Robert Harris: Angst
ØØØ
The Fear Index
Heyne (D 2011)
Der Autorenname steht für anspruchsvolle Spannungsliteratur. Doch sein neuer Thriller überzeugt nicht – der Clou, der ihm zugrunde liegt, ist trotz aktuellem Aufhänger viel zu schnell durchschaut. 02.02.2012
Dr. Alexander Hoffmann ist ein verschrobenes Mathematikgenie, das seinen hochdotierten Job am Schweizer CERN-Institut an den Nagel hängt, um fortan auf eigene Faust zu forschen.Sein Ziel: ein Algorithmus, der mit beinahe perfekter Präzision die Bewegungen der Finanzmärkte vorausberechnet. Trotz aller Unwägbarkeiten, die ein solches Vorhaben mit sich bringt, erweist sich Hoffmanns Computerprogramm schon bald als eine Lizenz zum Gelddrucken.
Obwohl es dem Doktor, anders als seinem Partner und den Investoren, kaum ums große Kapital geht, sondern um die Herausforderung an sich: Er möchte auch den letzten Rest Unsicherheit ausmerzen, der dem Algorithmus zur Perfektion fehlt – zur künstlichen Intelligenz, die eigenständig jedwedes Geldgeschäft tätigt.
Und tatsächlich, nach Jahren langer Forschungen wähnt Hoffmann sich am Ziel. Seine Formel für den Erfolg läßt sich reduzieren auf ein Wort: Angst.
"Wie war das möglich? Sehr einfach. An den Märkten herrschte zwei Jahre lang Panik, und unsere Algorithmen sind gerade bei Panik erfolgreich, weil nämlich der Mensch, wenn er Angst hat, immer auf vorhersehbare Weise reagiert."
Falls es daran noch einen Zweifel gibt, bereinigt ihn der Absturz eines Flugzeugs, eine Terrorattacke islamistischer Fundamentalisten. Hoffmanns Algorithmus kauft und verkauft Aktien, Anleihen, Anlagen und Fonds Sekunden später, nein, schon in der Sekunde, bevor die Bombe an Bord des Flugzeugs explodiert.
"Jede Straße der Welt ist kartografiert, jedes Gebäude fotografiert. Wohin wir Menschen auch gehen oder fahren, was wir kaufen, welche Website wir anklicken, wir hinterlassen eine digitale Spur wie eine Schnecke ihre Schleimspur. Und Computer können diese Daten lesen, durchsuchen, analysieren und schließlich auf verschiedene Arten verwerten, die wir uns heute noch nicht einmal ansatzweise vorstellen können."
In Zeiten unermüdlicher Debatten über Facebook, Datenschutz und Vorratsdatenspeicherung also durchaus ein aktuelles und brisantes Thema, das Robert Harris als Hintergrund für seinen neuen Roman auserkoren hat. Trotzdem zählt "Angst" nicht zu den besten Werken des britischen Bestsellerautors. Wer sich nämlich nicht auf den Aktienmärkten mit den Risikoanlagen und Hedgefonds auskennt, gerät bei der Lektüre ein ums andere Mal ins Stocken, weil es Harris nicht gelingt, das Thema begreiflich zu machen. Etwas mehr Aufklärung wäre wünschenswert gewesen.
Außerdem ist die eigentliche Thrillerstory zu schlicht und durchschaubar. Erst ist es ein Einbruch in Dr. Hoffmanns Haus, dann ein versuchter Mordanschlag. Kurz darauf Spionage und Datenklau. Nicht viel später gibt es einen ersten Toten. Der Verdacht fällt auf Hoffmann selbst. Doch keiner glaubt ihm und seinen Erklärungen, stattdessen halten alle ihn, den verschrobenen Doktor, für verrückt. Zum ersten Mal in seinem Leben verspürt er selber Angst.
Schon frühzeitig ahnt der Leser, was (oder wer) hinter allem steckt. Das Ende ist daher nicht nur absehbar, sondern – vor allem in der SF-Literatur – bereits vielfach abgehandelt: Die Geschichte von der Kreatur (oder Maschine), die sich gegen ihren Schöpfer wendet.
"Früher stellten wir uns vor, daß Computer – Roboter – die Hilfsarbeiten in unserem Leben übernehmen würden, daß sie sich eine Schürze umbinden und als Roboterdienstmagd herumlaufen und für uns die Hausarbeit oder sonst was erledigen würden, damit wir unsere freie Zeit genießen können. In Wahrheit geschieht das Gegenteil. Wir verfügen über ein riesiges Potenzial an überschüssigen, einfachen Arbeitskräften, die diese simplen Hilfsarbeiten verrichten, oft bei schlechter Bezahlung an sehr langen Arbeitstagen. Stattdessen verdrängen Computer Menschen mit Berufsausbildung: Übersetzer, Medizintechniker, Kanzleiangestellte, Buchhalter, Börsenhändler."
Daß Harris kurz vorm Finale plötzlich ein weiteres Kaninchen aus dem Hut zaubert, quasi darum bemüht ist, seinem Thriller doch noch eine überraschende Wendung zu verleihen (und dem Leser ein alternatives Motiv für Hoffmanns Tour de force zu unterbreiten), wirkt nicht nur aufgesetzt, sondern verpaßt dem Roman zugleich ein unbefriedigendes, offenes Ende.
"Götter der Schuld" werden die zwölf Geschworenen genannt, die im Gerichtssaal über die Schuld eines Angeklagten entscheiden. Nur was, wenn der unschuldig ist, die Beweise dafür aber fehlen? Marcel Feige klärt auf.
Das Romandebüt der deutschen Autorin ist vieles: ein Thriller, ein Familiendrama, eine Rachestory. Vor allem ist es jedoch unbedingt lesenswert, wie Marcel Feige findet.
Hat´s der Schöpfer von Klassikern wie "The Shining", "Carrie" oder "Misery" nach all den Jahrzehnten immer noch drauf? Marcel Feige hat sich in seine neue Kurzgeschichtensammlung vertieft.
Mit einem Robotham kann man für gewöhnlich nichts falsch machen, findet Marcel Feige. Sein neuer Roman ist allerdings eine Ausnahme.
Das muß einem Autor erst einmal gelingen: einen Roman schreiben, in dem nichts passiert. John Grisham hat es geschafft.
Kommentare_