Bret Easton Ellis - Weiß
ØØØ 1/2
softer Anti-PC-Rant
Vlg. Kiepenheuer & Witsch
Der Autor von "American Psycho" hat ein neues Buch geschrieben. Der Klappentext verspricht "autobiographische Erlebnisse mit schonungslosen Beobachtungen und Erfahrungen" in "der amerikanischen Gesellschaft". Naja ... 28.06.2019
Man kann sich richtig vorstellen, wie die Lektoren sich die Hände rieben. Geiler Klappentext, alles drin: 1. Bret Easton Ellis, der Mann hinter den Blutbädern von "American Psycho"? 2. "schonungslos"!!! 3. Die "amerikanische Gesellschaft" - au ja, mit der stimmt doch sowieso was nicht, schon wegen Trump und so! Aber liefert das Buch derlei überhaupt?
Bret Easton Ellis serviert in "Weiß" im Plauderton Häppchen aus seinem Leben: Wie er in seiner Jugend Horrorfilme (und Pornos) geschaut hat, wobei ihn ersteres irgendwie "abgehärtet" haben soll im Vergleich zu heutigen Medienkonsumenten. Wie ihn unlängst ein Schwulenverband erst einlud und dann wieder auslud, weil man seine Tweets zu schwulenfeindlich fand, und das, obwohl er doch selbst schwul sei. Wie er mit seinem Lebensgefährten und mit Freunden oft wegen Trump aneinandergerät - und daß viele Superreiche in Hollywood mental Amok liefen, nur weil die US-Wahlen nicht Hillary Clinton ins Weiße Haus hoben. Etc., etc., etc., bis hin zu Anekdoten zum "American Psycho"-Musical.
Das alles ist meist interessant und man kann es in großen Teilen auch mit einem "Ja, stimmt schon!" abnicken. Bloß: "Schonungslos" ist das nicht. Im Gegenteil ist Ellis in seinem Buch so sanft wie dreilagiges Flausch-Toilettenpapier.
Gefühlt scheint er sich auf über 300 Seiten ununterbrochen zu verteidigen, etwa gegen die vielen Vorwürfe, die er vor allem wegen seiner Social-Media-Posts bekommt (in denen er aber selbst gerne ordentlich austeilt). Oder: daß er nicht gegen Trump ist (aber nein, gewählt habe er ihn natürlich nicht ... schon etwas peinlich, wie er meint, das mehrfach betonen zu müssen). Und daß der arme Donald ja furchtbar unfair behandelt würde (hier kamen mir schier die Tränen).
Ja, Trump wird von einer zunehmend realitätsfernen Elfenbeinturmpresse hier wie dort übertrieben gebasht, das stimmt schon - aber bashen Trump und sein eigener Medienhofstaat nicht selbst auch? Und überhaupt: Muß man den derzeit mächtigsten orange-blonden Superreichen der Welt wirklich in Schutz nehmen - vor ein paar Schreiberlingen?
"Weiß" wird uns auf dem Buchrücken als "Polemik gegen den grassierenden Political-Correctness-Wahn in den USA" verkauft. Ja: "Weiß" handelt von der amerikanischen Gesellschaft, weil in der befindet sich Ellis nun mal. Doch in Wahrheit geht es in dem Buch um Hollywood und L.A., vielleicht auch New York. Sind das wirklich die US of A oder reden wir hier nur von den Eliten im Showbiz? Beim Lesen wird man das Gefühl einer gewissen Irritation nicht los, daß Ellis die US-Rechten als unterdrückte Opfer der US-Linken darstellt - wo doch eben Trump gewählt wurde (auf dessen zweite Amtszeit ich wetten würde) und die Republikaner die Mehrheit im Senat haben. Ist nicht das Gegenteil der Fall: Wird Amerika nicht genau so regiert, wie die meisten Amis sich das wünschten, und nur die traditionsintellektuellen Epizentren kommen damit irgendwie nicht klar? (Und wär´ das nicht eher das Thema?)
Dennoch: Die zentralen Themen seines Buches sind durchaus auch für uns hier drüben lesenswert. Dürfen wir Kunstwerke nicht mehr gut finden, weil sie von Menschen geschaffen wurden, die in Bezug auf aktuell dominierende Moralsysteme nicht frei von Makel sind (Michael Jackson, James Brown, Richard Wagner)? Müssen wir umgekehrt ein Kunstwerk ausdrücklich gut finden, nur weil es von Menschen gemacht wurde, die einer Gruppe entstammen, die gerade und immer noch oder wenigstens bis vor kurzem marginalisiert wurde und die vor allem über ihre Marginalisierung identifiziert wird? (Ellis kritisiert hier u. a. den Oscar für "Moonlight".)
Der Autor fragt: Wenn beides passiert - darf man das nicht mehr kritisieren? Und warum haßt man ihn deswegen? Aber mich überzeugt er damit nicht. Der Oscar zum Beispiel ist und war doch ohnehin schon immer eine Mischung aus Zufall, Willkür und PR. Lohnt es sich wirklich, sich darüber aufzuregen, daß nicht immer irgendeine vage definierte Schöpfungshöhe der Kunst, sondern andere Faktoren über die Sieger entscheiden? War das - siehe Martin Scorsese, Spike Lee und Alfred Hitchcock, die allesamt lange leer ausgingen - nicht schon immer so?
Ist "Weiß" deswegen schlecht? Keineswegs! Ellis kann halt schreiben, und ich hatte bei der Lektüre viel Vergnügen. Sein Buch ist wie ein guter Kumpel, mit dem man sich über dies und das unterhalten kann - und ja, ein bißchen auch darüber jammern, wie die Welt sich verändert hat und daß sich ein gewisses Unbehagen über einige Entwicklungen durchaus einstellt. Aber so richtig "gut" ist "Weiß" leider auch nicht. Bret Easton Ellis fehlt die bösartige Wut der "Cult"-Staffel von "American Horror Story" (die ähnliches thematisiert) und im Vergleich mit dem Altersgeknarze von George McDonald Fraser ("The Light´s on at Signpost") oder den Ratschlägen von Jordan Peterson ("12 Rules for Life") wirkt er leider doch eher wie ein Fliegengewicht.
Worum geht es vielleicht wirklich? Der Rezensent vermutet, daß Ellis sich selbst offenbar als intellektuellen Freigeist sieht, einen aktiven Künstler noch dazu, und als solcher Mensch hat man oft wie von selbst links-liberal-intellektuelle Freunde. Doch eines Tages vor nicht allzulanger Zeit mußte er eben feststellen, daß er selbst konservativ geworden ist, während seine intellektuellen Freunde von früher politisch weiterhin links ticken (und sich dabei vielleicht sogar noch für eine ausgeglichene Mitte halten, wobei alle diese Schubladen ohnehin passé sind). Diese Entwicklung plötzlich bewußt wahrzunehmen (wobei Ellis sicher nicht der erste und einzige ist) kann einen Menschen natürlich ein weniger einsamer machen. Aber sind deswegen schon Freiheit, Kunst und Demokratie in Gefahr, wie Ellis zwischen den Zeilen mehrfach anmahnt? Meiden wir wirklich schon Freunde, nur weil sie anderer Meinung sind?
Lesenden, die das Buch nicht per se ablehnen, bleibt nach der Lektüre je nach persönlicher Präferenz entweder das angenehme Gefühl, daß hier jemand besonnen und ganz bewußt aus ausschließlich persönlicher Erfahrung heraus argumentierend unseren sehr wohl nervtötenden Political-Correctness-Wahn immerhin mal ganz leicht andiskutiert hat - oder eine gewisse Enttäuschung, daß der Autor lesenswerter Romane mit hohem Impact heute zum Thema Political Correctness und ihrer Auswirkungen auf Künstler, Kunst und Freiheit nicht mehr, nichts Klügeres, nichts Angriffslustigeres, nichts irgendwie Beeindruckenderes zu sagen hatte als "Weiß".
Bret Easton Ellis - Weiß
ØØØ 1/2
softer Anti-PC-Rant
Vlg. Kiepenheuer & Witsch
Das Ende war verführerisch nah, aber leider geht die Welt schon wieder nicht unter. Irgendwie mindestens teilbedauerlich. Eine Bestandsaufnahme mit tagebuchartigen Einsprengseln und völlig unbegründeten Hawaii-Erwähnungen.
Einsames Aufräumen ist das gemeinschaftliche Feiern unserer Zeit. Entsprechend miste auch ich ununterbrochen aus - Medien zum Beispiel, weil die sowieso verzichtbar sind. Vor allem Bücher werden völlig überschätzt.
Einige wenige Wohlgesonnene, es werden wöchentlich weniger, warten seit gefühlten Äonen auf diese neue Kolumne - und dabei wird es auch bleiben, und ich rate sowieso ab.
Immer wieder ist von junger Literatur die Rede, und wenn davon die Rede ist, dann nicht von uns. Und das ist nur einer der vielen Vorteile des Alters, über die unser gealterter Star-Kolumnist Sie heute informieren wird.
Wenn Sie nicht wissen, was "Social Media" oder "K2-18b" sind, dann können Sie eigentlich gleich aufhören zu lesen. Aber auch sonst raten wir wie immer von der Lektüre dieser irrelevanten Kolumne ab, in der es zwar heute mal um was geht, aber um nichts Wichtiges.
Immer wieder fallen uns Sprachzombies mit halbverrotteten Phrasen an. Zumindest dieser einen sollten wir einen Headshot verpassen.
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