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Schmauchspuren #54

Dieses Jahr nimmt es unser Krimiexperte Peter Hiess persönlich - und kann nicht umhin, auch ein bißchen persönlich zu werden. Beim privaten Ermitteln bekommt man es ja nicht nur mit Gangstern, Killern und Spionen zu tun, sondern auch mit Verlegern ...    16.06.2016

Peter Hiess

Stephen King - Joyland

Hard Case Crime (Titan Books) 2013

Leserbewertung: (bewerten)

Leser dieser Zeitschrift werden sich eventuell gefragt haben, warum der Mann, der sonst immer die Stephen-King-Bücher bespricht (also ich), vergangenen Sommer den Roman "Joyland" ausgelassen hat. Ganz einfach: weil der im Original bei Hard Case Crime erschienen ist - der Reihe, die hierorts chronologisch rezensiert wird. Und jetzt ist eben der King dran.

"Joyland" ist weniger Noir-Krimi als eine Geschichte übers Erwachsenwerden, wie King sie so perfekt draufhat. Devin Jones erinnert sich darin an den Sommer, als er in einem Vergnügungspark arbeitete - einem der letzten unabhängigen Konkurrenten von Disneyworld und ähnlichen Entertainment-Fabriken - und seine erste Liebe verlor, neue Freunde fand, die Welt der "carnies" (Schausteller) kennenlernte und ein großes Abenteuer erlebte. Naturgemäß kommt dann ein Mord vor, und logischerweise gibt es auch ein Gespenst und ein Kind mit übernatürlichen Kräften, weil das Buch halt von King stammt.

Die Überraschung dabei ist, wie kompakt, berührend und spannend der Meister seine Story erzählt und den Leser wieder einmal denken läßt: "Na zack, der kann schreiben!" Da man als King-Fan auch immer versucht ist, ein neues Buch ins Gesamtwerk einzuordnen, sei kurz erwähnt: besser als "The Colorado Kid", Stephens erster Pulp-Versuch bei Hard Case - und um einiges überzeugender als sein vor kurzem erschienener Wälzer "Doctor Sleep", mit dem er eine enttäuschende Fortsetzung zu "Shining" lieferte. Hätte er die so angelegt wie "Joyland", dann hätte sie funktioniert ...

Links:

Kriminelles Duo


Gordon Ferris - Mord ist nur ein Spiel

Festa Pb. 2013

 

Ben Coes - Power Down – Zielscheibe USA

Festa Pb. 2013

 

Weiter zu einem anderen Wegbegleiter: Frank Festa, um dessen Publikationen man als Pulp- und Horror-Freund seit Jahren nicht herumkommt - vor allem, seit er mit der Reihe "Festa Crime" das Hardboiled-Genre für deutschsprachige Leser neu aufrollt. Fazit für "Schmauchspuren"-Leser: sechs Festa-Krimis gelesen und rezensiert, alle gelobt und für mehr als gut befunden; nur ein-, zweimal habe ich es gewagt, ein bissl über die Übersetzungen zu stänkern. Fazit für Frank Festa: "Ich schicke Ihnen keine Rezensionsexemplare mehr, Sie mögen die Bücher eh nicht."

Auch gut - kauf´ ich sie mir halt selber. Recht haben Sie, Herr Festa, machen Sie einen armen Journalisten noch ein wenig ärmer, nur weil er auf ihre Krimis nicht verzichten will!

Er tut ja gut daran, der besagte Journalist: Festa Crime Band 7 ist nämlich wieder ein absoluter Treffer: "Mord ist nur ein Spiel" vom schottischen Autor Gordon Ferris (der mit "Galgenfrist für einen Toten" in dieser Reihe bereits seinen Helden Douglas Brodie vorstellte) handelt ebenfalls kurz nach dem Zweiten Weltkrieg und hat als Protagonisten einen noch viel schwerer Kriegsgeschädigten: Danny McRae, britischer Spion, verraten und im KZ Dachau mißhandelt, nunmehr schwer traumatisiert und Privatdetektiv im halb zerstörten London. Die attraktive Klientin hätte den Chandler-Fan McRae warnen sollen - doch er läßt sich trotz Femme fatale in eine grausliche Mordgeschichte hineinziehen, die mit seiner eigenen Vergangenheit, Huren und perversen Polizisten zu tun hat und in ihm die Furcht weckt, er selbst könnte vielleicht der Killer sein. Brillant und endlich auch für den deutschsprachigen Krimimarkt entdeckt.

Der achte Band der Reihe, Ben Coes´ mehr als 600 Seiten starker Polit/Action-Thriller "Power Down - Zielscheibe USA", weckt anfangs Zweifel, weil er doch ein ganz anderes Genre bedient als gewohnt - aber trotz etwas zäher Passagen wird die Geschichte um Terroranschläge auf Bohrinseln und Staudämme, Intrigen in Konzernen und Geheimdiensten sowie eine Verschwörung, die den "totalen Stromausfall" in den USA herbeiführen will, bald sehr spannend. Insgesamt eher ein Buch für längere Flugreisen als für dunkle Großstadtstraßen. Also trotzdem danke, Frank Festa!

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Gerhard Loibelsberger - Todeswalzer

Gmeiner Tb. 2013

Leserbewertung: (bewerten)

"Eilfertig schlurfte der Diensttrampel mit einem Teller voll köstlichem Rindfleisch daher."

Einen solchen Satz kann man selbst als Vegetarier, dem das Rindfleisch (tofu)wurscht ist, genüßlich auskosten. Und sich freuen, daß Gerhard Loibelsberger wieder einmal einen seiner Romane um Inspector Nechyba geschrieben hat. "Todeswalzer" beginnt kurz nach dem Attentat auf den Thronfolger Franz Ferdinand und zieht sich bis in den Beginn des Ersten Weltkriegs hinein. Den Kriegsvorbereitungen und patriotischen Anfällen ihrer Mitbürger stehen Nechyba, dessen Gattin Aurelia und der befreundete Journalist Goldblatt eher mißtrauisch gegenüber. Schließlich gibt´s in der Wienerstadt genug zu erledigen - dort sticht nämlich ein Mörder die Huren und Strizzis der Leopoldstadt extrabrutal ab. Daß der wohlbeleibte Kieberer trotz seiner Jagd auf den Serienkiller noch zum Essen, Kochen, zu Kaffeehaus- und Heurigenbesuchen kommt, macht ihn und die Loibelsbergerschen Werke - nebst Milieuschilderungen, der exzellenten Sprache und dem historischen Kontext - so sympathisch und zu den derzeit besten Wien-Krimis.

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"Schmauchspuren"


... erscheint in gedruckter Form seit 2005 in der höchst empfehlenswerten österreichischen Literaturzeitschrift "Buchkultur" - für Menschen, die beim Lesen noch nicht die Lippen bewegen müssen - und wird zeitversetzt Web-exklusiv im EVOLVER veröffentlicht.

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