Print_Wes Craven - Identity

Eins, zwei, Jance kommt vorbei ...

Wes Craven, geistiger Vater von Freddy Krueger, Erstbewohner der "Hügel der blutigen Augen" und dank "Scream" amtlich anerkannter Serien-Teenie-Slasher-Onkel, hat vor ein paar Jahren seinen ersten Roman geschrieben. Jetzt liegt "Fountain Society" auch auf deutsch vor.    11.09.2007

Peter Jance ist ein alternder, nichtsdestoweniger brillanter Wissenschaftler. Die von ihm im Regierungsauftrag in New Mexico entwickelte Wunderwaffe steht kurz vor der Vollendung, doch Jance leidet an Krebs im Endstadium und hat nur noch wenige Wochen zu leben. Rettung bietet ihm sein Freund, der Neurobiologe Dr. Wolfe: Er will Jances Gehirn (bzw. die gespeicherten Inhalte auf dessen mentaler Festplatte) in einen jungen, gesunden Körper verpflanzen. Jance willigt ein. Wolfe läßt den jungen Banker Hans Brinkmann kidnappen, da sich angeblich dessen DNS perfekt für Jances Anforderungen eigne. Nach einer komplikationsträchtigen Operation entsteigt ein verjüngter Peter Jance im Körper von Hans Brinkmann der Prozedur - sehr zur Verwunderung seiner Gattin sowie Brinkmanns erst vor kurzem begonnenen Verhältnis Elizabeth. Und auch die "Zusammenarbeit" von Jance und Brinkmann beginnt zu holpern ...

Nun ja: Was hier als "Wissenschafts-Thriller" unter die Leute gebracht werden soll, ist der ins Deutsche übersetzte Erstlingsroman - und zugleich die ziemlich durchwachsene Story - eines Autors, der sich nicht entscheiden konnte, ob er jetzt eine seriöse SF-Geschichte, eine Pulp-Fiktion à la "Donovan´s Brain" oder gleich eine Pilcher-Schmonzette (inklusive Elementen aus "Universal Soldier" mit unser aller Jean Claude Van Damme) schreiben sollte. Der 1999 im angloamerikanischen Raum unter dem Titel "Fountain Society" erschienene Roman "Identity" (warum bekommen wir eigentlich in letzter Zeit beinahe ausschließlich dumme, nichtssagende englische Titel als "deutsche" Titel statt der meistens passenderen englischen Originaltitel vorgesetzt?) ist ein mitunter sehr vorhersehbarer Genremix, der aber keinen einzigen seiner oben erwähnten literarischen Bauklötze zu einem funktionierenden Ganzen zusammenzufügen imstande ist.

Um Mißverständnisse zu vermeiden: Es ist nicht so, daß "Identity" überhaupt nicht unterhaltsam wäre. Fernab jeglicher aufgesetzter Ironie nimmt Craven die Chose durchaus ernst, was der langsam einsetzenden Spannung sicher nicht abträglich ist. Auch ermöglichen einzelne politische Unkorrektheiten (wie die Idee, daß der CIA mithilfe des Mossad palästinensische Kämpfer entführen läßt, um sie als pure Körperhüllen zum späteren Gebrauch in, eh klar, dunklen unterirdischen Laboratorien einzulagern) den einen oder anderen dreckigen Lacher auf Seiten der Leserschaft. Doch ändert das alles nichts daran, daß man sich nach erfolgter Lektüre überlegt, ob man die Zeit nicht vielleicht mit anderem g´scheiter verbracht hätte. Und es macht sich der dringende Verdacht breit, daß der Schuster Craven bei seinen Film-Leisten bleiben sollte.

Für Craven-Komplettisten notwendig - allen anderen empfehlen wir stattdessen ein Wiedersehen mit Cravens frühen Zelluloid-Machwerken wie "Last House On The Left" oder dem wunderbaren Original-"The Hills Have Eyes".

Romane schreiben muß ja echt nicht jeder.

Thomas Fröhlich

Wes Craven - Identity

Ø 1/2

(Fountain Society)


Ullstein (D 2007)

 

Photo © Kerry Hayes

Links:

Kommentare_

Video
Blood on Méliès Moon

All you need is Love

Beim Festival des Phantastischen Films 2016 im katalanischen Sitges sorgte er für Standing Ovations: "Blood on Méliès Moon" von Luigi Cozzi gehört zum Eigenwilligsten und möglicherweise Schönsten, was einem Filmnerd, der im klassischen Genrekino zu Hause ist, derzeit passieren kann. Österreichs Kino- und Festivalbetreiber haben dieses Kleinod (bis auf eine einzige Ausnahme) völlig verschlafen. Gott sei Dank gibt´s seit kurzem die DVD.  

Termine
Termin-Tip: Konzert Paul Roland & Frenk Lebel

Professor Moriarty´s Jukebox

Zwischen Steampunk und Spukhaus, Sherlock Holmes und Jack the Ripper, Cthulhu und Captain Blood: Der britische Exzentriker Paul Roland gastiert mit seinen geisterhaften Klängen endlich wieder in Wien. Das sollte man sich wirklich nicht entgehen lassen.  

Print
Print-Tips Frühling 2015

Kellerkinder

"Es märzelt!" meinte Karl Farkas einst, wenn der Frühling nach Österreich kam. Wir bleiben ebenfalls im Lande, nähren uns redlich und führen uns drei frische Bücher aus heimischer Wortschmiede zu Gemüte. In denen wird A. gern gestorben und B. noch lieber in den Keller/Untergrund gegangen ...  

Print
Zöe Angel & Charly Blood - Morbus im Doppelpack

Wien ist anders

There´s more to a picture than meets the eye. Das sang schon Neil Young damals, als die 1980er vor der Tür standen. Er wußte nur nicht, wie recht er damit hatte. Klar: Er lebt(e) ja nicht in Wien. Denn gegen die Wiener Achtziger verblaßt selbst die Twilight Zone. Sie glauben uns nicht? Lassen Sie sich eines Besseren belehren ...
 

Print
Lisa Lercher - Mord im besten Alter

Waldesruh

Daß Seniorenheime einen Vorhof zur Hölle darstellen, fürchtet jeder, der einmal ein gewisses Alter erreicht. Daß es dort allerdings so zugeht wie in Lisa Lerchers neuem Krimi, wollen wir doch nicht hoffen. Schließlich ist auch der Rezensent nicht mehr der Jüngste ...
 

Print
EVOLVER-Porträt: Lisa Lercher

"Ich bin immer wieder grauslich"

Mit ihrer Mumien-Kurzgeschichte "Heimkehr" ist sie die Gewinnerin des EVOLVER-Literaturwettbewerbs 2012 "Harte Bandagen". Doch Lisa Lercher zieht schon seit mehr als zehn Jahren ihre dunklen Spuren durch die deutschsprachige Literaturlandschaft, als Krimiautorin und - exklusiv im EVOLVER - jetzt auch als frischgebackene Horrorschriftstellerin.