Print_Voodoo Press

I Walked With A Publisher

Haben Sie schon einmal ein Buch verlegt? Gut, damit stehen Sie nicht allein.
Wie - und warum - man so etwas hingegen professionell angeht und damit eine Nische schafft, die für Fans Ostern, Weihnachten, Geburtstag und Erbschaftsbenachrichtigung gleichzeitig darstellt, erfahren Sie hier; und auch die Titel einiger höchst lesenswerter Bände dieses rührigen Verlages.    09.04.2012

Horror- und Phantastikliteratur in und aus Österreich? Üblicherweise - mit einigen wenigen Ausnahmen -: kaum zu finden. Nicht, daß es hierzulande keine Anhänger mitunter blutig umflorter Düsternis gäbe, aber etwaige Produktionen einschlägigen Schrifttums haben in unserem Alpenbalkan leider mit vielerlei zu kämpfen.

Da wäre einmal die immer noch zutage tretende Ahnungslosigkeit der offiziellen Literaturrezeption (vulgo: Das Feuilleton), die sich lieber mit der 1001. Schilderung einer einbeinigen Roma muslimischen Glaubens im naziverseuchten Österreich von heute abspeisen läßt (auch wenn die noch so erbärmlich geschrieben ist), als sich in die Niederungen eines Genres oder eines professionellen Autors zu begeben, vor allem, wenn sich letzterer - pfui Teufel - auch noch untersteht, unterhaltsam zu schreiben.

 

Der politisch korrekte Wille zählt bekanntlich fürs Subventionswerk; und wer seinem Lamento auch noch eine passende Biographie überstülpt (vornehmlich osteuropäischen Ursprungs - Leiden braucht Herkunft und Raum), hat diverse Preise und einträgliche Einladungen zu öffentlich-rechtlichen Literaturzirkeln beinahe schon in der Tasche.

Die in unseren Breiten immer noch geltende, im angloamerikanischen Bereich hingegen völlig obsolete Trennung von "hoher", ernsthafter Literatur einerseits und Genre-Literatur andererseits zeitigt da nach wie vor eigenartige Ergebnisse. Da wird dann beispielsweise in schöner Regelmäßigkeit das aktuell hingeworfene gesellschaftspolitisch über alle Maßen relevante Nichts eines verdienten "Gewissens der Nation" höher bewertet als ein spannend geschriebener Krimi (oder Horrorroman) eines handwerklich versierten Schriftstellers - obwohl letzterer vielleicht mehr Wahrheit über den Status quo menschlicher Befindlichkeit verbreitet als der zu Tode gelobte und geförderte Dichterfürsten-Kasperl gutmenschelnder Prägung. Wobei das mit der Befindlichkeit aber auch kein Muß darstellt - sozialkritisch übergossenen Hobbypsychologen-Schmarrn im Thriller-Mäntelchen gibt’s ebenfalls bis zum Erbrechen im globalisierten Buchhandelsangebot.

Und dann haben wir natürlich die Leser, auch jene, die sich auf Phantastik und Horror einlassen; sich aber nicht selten lieber mit dem medial ausgetrommelten Mainstream zufriedengeben, anstatt auch einmal bereit zu sein, einem unbekannten Autor (dafür aber mit einer wunderbaren und noch nicht zu Tode geschriebenen Idee) eine Chance zu geben. Oder einem, der Altbekanntes in einem neuen Licht erscheinen läßt. Oder ...

Phantastikautoren (jenseits des auch in Drogeriemärkten verscherbelten Eso-Elfen-Mulchs) haben es bei uns nicht leicht. Verlage, gar Kleinverlage schon gar nicht, vor allem, wenn sie sich im Horrorbereich ansiedeln – und das ohne Zugeständnisse an den 100.000. formelhaften CSI-Serienkiller-Thriller oder möchtegern-romantisches Blutsaugerschmalz. 

 

Da nimmt es gleich doppelt und dreifach Wunder, daß sich da doch wieder jemand über so ein De-facto-Himmelfahrtskommando drübertraut. Sein Name ist Michael Preissl, und sein Verlag heißt Voodoo Press. Obwohl Preissl sich all des oben Gesagten durchaus bewußt ist: "Horrorliteratur hat es generell nicht leicht. Alle Verlage, die sich diesem Genre widmen, füllen mit ihrem Programm nur eine Nische. Aber es stimmt schon, Österreich ist ein hartes Pflaster; und als Phantastikverlag ist man hierzulande sowieso schon unten durch. Die Leute schrecken regelrecht zurück, wenn sie erfahren, daß man Horror verlegt. Nicht jede Buchhandlung möchte Phantastik führen. Noch weniger Horror. Und noch weniger von Kleinverlagen."

Warum er sich das dennoch antut?

"Der Wunsch, einen Verlag zu gründen, entstand während der Planungsphase zu meiner ersten Anthologie, 'Rose Noire'. Ich wollte 'Rose Noire' selbst vertreiben und knüpfte die ersten Kontakte zu den Vertrieben. Nachdem dann die ersten Manuskripte eintrudelten, ging es richtig los."

Anfangs dachte der Mittdreißiger Preissl, der mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen im niederösterreichischen Traiskirchen lebt, ausschließlich an das Verlegen von Anthologien, doch dann erhielt er Michael Knokes Lovecraft-goes-Lost-World-Manuskript "Das Tal des Grauens", das ihn, wie er meint, sofort fesselte. "Somit stand für mich fest, Voodoo Press wird kein Verlag, der nur Anthologien verlegt, sondern einer, der Horror, dunkle Phantastik, Urban Fantasy, Thriller und Dark SF in seinem Programm haben wird."

2009 kam es zur Verlagsgründung; im selben Jahr erschien besagte Horror- und Dark Fantasy-Anthologie "Rose Noire". 2010 kamen dann weitere Titel deutschsprachiger Autoren heraus - und auch die ersten Übersetzungen standen an. "Die Autoren stammen inzwischen aus England, Australien und den USA. Die Mischung aus Bestsellern, Newcomern und auch erfolgreichen nationalen Schriftstellern ermöglicht ein abwechslungsreiches Lesevergnügen," ist Preissl überzeugt. "Dabei haben wir es uns zum Ziel gesetzt, ungekürzte wie auch werkgetreue Übersetzungen zu publizieren."

2011 wurden alleine 10 Titel veröffentlicht, etwa 15 sind derzeit in Vorbereitung. Darunter finden sich durchaus klingende Namen wie Wayne Simmons, Jeremy Shipp, Edward Lee oder Cyberpunk-Urgestein John Shirley. Sowohl die Übersetzungen als auch die Covergestaltung übernimmt oft Preissl selbst.

"Not macht erfinderisch," meint er und grinst. "Wir haben uns alles rund ums Buch angeeignet. Oftmals habe ich schon Bilder im Kopf, die während des Lesens eines Buches entstehen. Dann setze ich mich an einen Coverentwurf und feile solange, bis es paßt." Und er ergänzt: "Als Übersetzer bin ich auch sehr aktiv. Und die Gelder, die bei Auswärtsjobs reinkommen, fließen wieder in den Verlag."

Ist Voodoo Press also ein Ein-Mann-Betrieb?

"Nein. Ich betreibe den Verlag mit meiner Frau und einer Menge freier Mitarbeiter. Darunter Übersetzer, Graphiker, Lektoren ... Alleine wäre das alles nicht mehr zu bewältigen." Und ebenso fördere er kreative Illustratoren, junge Autoren und Übersetzer.

Vom Verlegen leben?

"Nein, aber würden wir gerne." Einstweilen gebe es halt noch den Brotjob in der IT-Branche.

 

Das inhaltliche Angebot des Verlags ist in der Zwischenzeit auf jeden Fall beträchtlich angewachsen und umfaßt nun, 2012, eine Bandbreite von den von Alisha Bionda herausgegebenen Sherlock Holmes-Pastiches ("Der verwunschene Schädel") bis hin zu Jeremy Shipps bizarr-paranoider Erzählung "Der Trip".

Düstere Phantastik in all ihren verheißungsvollen Schattierungen also - und wo viel Schatten, da mag das eine oder andere irritierende (Grab-)Licht kurz aufflackern, aber nicht nachhaltig stören (dazu bei den Buchempfehlungen mehr). Eine Entdeckung ist auf jeden Fall die Verlagsreihe "Bizarro Fiction" – hier tummelt sich alles von Zombie-Katzen über freundliche Pharmafirmen (!) bis hin zu vorbildlich motivierten Lehrkörpern (!!!).

Ob es etwas gibt, was Preissl aus inhaltlichen Gründen gar nicht verlegen würde?

"Inhaltlich gibt es einige wenige Ausnahmen, auch Themen, über die Deutsche bzw. Österreicher nur bedingt lachen könnten. Da ziehen wir dann halt lieber etwas anderes vor. Ist ja nicht so, daß es an gutem Horror oder anderem mangelt. Und da ich persönlich nicht unbedingt auf todernsten Splatter stehe, also nur Hickehacke, wird dieser bei uns selten erscheinen. Ich mag’s,  wenn die ganze Story einen gewissen Schmäh besitzt, gerne auch ein bißchen Tiefgang dahintersteckt und hin und wieder ein Lacher dabei ist."

Und abschließend: "Wir verlegen das, was uns überzeugt. Als unabhängiger Kleinverlag haben wir keinen über uns, der uns vorschreibt, was wir zu tun haben; und wir lassen uns in keine Schiene pressen."

Ja gut, mag man argumentieren, sagen eh alle. Aber bei Preissl ist da eine ernsthafte Begeisterung zu spüren, die faule Kompromisse wahrscheinlich gar nicht erst zuläßt. 

 

In diesem Sinne: Support your local horror publisher!

Und im Anschluß ein paar Buchtips ...

Thomas Fröhlich

Wayne Simmons: Grippe

ØØØØØ

Flu

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Voodoo Press (Ö 2011)

 

Zombies in Nordirland.

Was recht konventionell beginnt, wird im Laufe des Buches zu einem sauspannenden Drama des Eingeschlossenseins, das durchaus Vergleichen mit "The Walking Dead" standhält. Die Personen sind überzeugend geschildert (die Zombies sowieso) - und nicht jeder, der zu Beginn ein Sympathieträger ist, bleibt zwangsläufig einer. Auch der Nordirlandkonflikt spielt übrigens keine unwesentliche Rolle ...

Einer der derzeit besten Beiträge zur immer noch auf Hochtouren laufenden Zombie-Mania.  

Links:

Michael Knoke: Das Tal des Grauens

ØØØ 1/2

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Voodoo Press (Ö 2010)

 

In einem abgelegenen Tal irgendwo in den USA gehen seltsame, im wahrsten Sinne des Wortes monströse Dinge vor. Nachdem eine Expedition auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist (bis auf einen indianischen Führer), will ein junger Wissenschaftler mit seiner Crew nach dem Rechten sehen. Großer Fehler - für die Crew.

Nicht immer ganz schlüssiger Lost World/Lovecraft-Verschnitt, in den Roaring 60s und frühen 70ern angesiedelt. Doch nicht zuletzt dank der scheibchenweise verabreichten (Fake-)Indianermystik ein garantierter Pageturner, der atmosphärisch dicht eine Geschichte webt, die vielleicht nicht neu, aber mitreißend erzählt ist.

Daß das Lektorat eine etwas kreative Grammatik durchgehen ließ ... wollen wir auch noch einmal durchgehen lassen.  

Links:

Jeremy Shipp: Der Trip

ØØØØØ

Vacation

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Voodoo Press (Ö 2011)

 

Ein junger Lehrer auf Sabbatical bereist die Welt. Oder das, was er dafür hält. Oder halten soll. Oder ... Gesponsert wird das von einer florierenden Pharmafirma. Was ja wieder einmal beweist: Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut. Oder so.

Ein irrwitzig-bizarrer Paranoia-Thriller, der für Freunde des begnadeten Junkies William Burroughs oder frühen David Cronenberg eine echte Entdeckung darstellt.

Definitive Empfehlung. Beat noir, wenn Sie so wollen.

Links:

Alisha Bionda (Hrsg.): Sherlock Holmes - Der verwunschene Schädel

ØØØ 1/2

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Voodoo Press (Ö 2011)

 

Holmes als rationaler Fels in der Brandung irrlichternden Wahnsinns.

Nicht das erste Mal in seiner Post-Doyle-Karriere wird der beratende Detektiv aus der Baker Street auf phantastische Fälle losgelassen. Werwölfe, Voodoopriesterinnen, widerwärtige Uhr(!)zeitwesen und viele(s) mehr machen ihm und seinem Boswell Dr. John H. Watson im "Verwunschenen Schädel" und dem Folgeband "Das ungelöste Rätsel" das Leben schwer. Das ist manchmal wunderbar, sehr oft gut und bisweilen (wiewohl selten) auch saublöd. Doch über Geschmack läßt sich bekanntlich nicht (oder sehr fein) streiten - manchen Stories dürfte der Holmes-Kontext allerdings einfach drübergestülpt worden sein, um Einlaß in die Anthologie(n) zu finden.

In Summe aber durchaus vergnüglich - und für Holmesianer sowieso ein Muß.

Links:

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