Print_Tana French - Geheimer Ort

Aus der Klamottenkiste

Die irische Autorin steht für spannende Psychogramme, die sie in opulenter Sprache entwickelt. In ihrem neuen Kriminalroman greift sie dagegen etwas zu tief in die Klischeekiste.    28.01.2015

Schock im altehrwürdigen Mädchengymnasium St. Kilda: Im Park wird der sechzehnjährige Chris Harper, der das benachbarte Jungengymnasium St. Colm besuchte, erschlagen aufgefunden. Die polizeilichen Ermittlungen verbrauchen »genügend Manpower, um einen Büroblock hochzuziehen, genug Überstunden, um Hypotheken abzubezahlen, genug Papier, um einen Fluss aufzustauen. Ein zwielichtiger Hausmeister, Mädchen für alles, irgendwas: ausgeschlossen. Ein Klassenkamerad, der sich mit dem Opfer geprügelt hatte: ausgeschlossen. Irgendwelche finsteren Ausländer, die bei irgendwelchen finsteren Dingen beobachtet wurden: ausgeschlossen.«

Ein Jahr ist seitdem vergangen, und noch immer fehlt vom Täter jede Spur - bis eines Morgens Holly Mackey bei dem jungen Detective Stephen Moran vor dem Schreibtisch steht. Moran kennt das Mädchen noch aus einem früheren Fall; es ist die Tochter seines ehemaligen Kollegen, des Mord- und Undercover-Ermittlers Frank Mackey (siehe dazu: "Sterbenskalt").

Holly hat am Schwarzen Brett der Schule eine Postkarte gefunden, mit einem Bild des ermordeten Jungen und folgender Nachricht: ICH WEISS, WER IHN GETÖTET HAT. Moran, der sich in der Abteilung für ungelöste Fälle unterfordert fühlt, wittert seine Chance und überredet die toughe, aber spröde Ermittlungsleiterin Antoinette Conway, ihn nach St. Kilda mitzunehmen. Dort zeigt sich rasch, daß für die Postkarte und den Mord nur eines von acht Mädchen in Frage kommt, die einander noch dazu in zwei Cliquen gegenüberstehen. Fortan enfaltet sich vor den Augen der beiden Detectives ein böser Zickenkrieg - und damit das erste Problem von "Geheimer Ort".

Wußte Tana French in ihren früheren Romanen wie zum Beispiel "Schattenstill" oder "Grabesgrün" durchaus mit aufwühlenden Psychogrammen zu überzeugen, so greift sie diesmal tief in die Klischeekiste. Nicht nur das Mädchengymnasium mit Internat, die Privatschule, die Villengegend und die Nonnen, sondern auch die acht jungen Mädchen wirken von Anfang an wie einer scripted soap aus dem Trash-TV entnommen: auf der einen Seite die arroganten Gören um Prinzeßchen Joanne, auf der anderen die Alternatives um Holly. Zwischentöne existieren nicht.

Daran scheitert schlußendlich auch der Plot, der ein Jugenddrama sein soll, eine Coming-of-Age-Geschichte, die aber ob ihrer platten Figuren zu keiner Zeit auch nur ansatzweise glaubwürdig wirkt. Dank endloser Vernehmungen mit ständigen Wiederholungen, in denen sich sogar die beiden Detectives verlieren, geht der Geschichte schon bald die Spannung aus. Da hilft auch Frenchs Sprache - "glühend", wie Stephen King behauptet - leider nicht. Sie erzeugt keine lebendigen Bilder, sondern auf Dauer nur Langeweile.

 Fazit: Schade, Tana French, aber manchmal sollten nicht nur Orte, sondern auch Geschichten besser geheim bleiben.

Marcel Feige

Tana French - Geheimer Ort

Ø

(The Secret Place)

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Scherz (D 2014)

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