Mieze Medusa - Freischnorcheln
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(Photo © Markus Köhle)
Milena (Ö 2009)
Jeder Sommer hat ein Ende. Auch dieser. Wenn ein Buch es aber schafft, ihn im Kopf der Leser andauern zu lassen, hat die Autorin eigentlich schon gewonnen - und die Leser auch. 15.09.2009
Mein Kleid fängt spät an und hört früh wieder auf.
Am Anfang steht der Zweifel. Liest man als EVOLVER-Rezensent, der jederzeit einen finsteren Serienkiller anstatt eines "Schöner Tag heute, wa?"-brüllenden Gute-Laune-Gurus als Nachbarn bevorzugt, den Klappentext des vorliegenden Werks ("Ein Roman voll flirrender Eloquenz und spritzigem Humor für alle, die noch nicht so ganz erwachsen sind, es lange Zeit nicht waren oder niemals werden wollen!"), meldet sich sanftes Hirnsausen im Frühstadium an. Hat man es etwa mit einem sogenannten "Wohlfühlbuch" zu tun? Der österreichischen Antwort auf "Sex and the City"? Gar einer Befindlichkeitsstudie der Generation Berufsjugendlich?
Man darf getrost Entwarnung geben: Hat man nicht.
Vielmehr handelt es sich bei der Erzählung "Freischnorcheln" der Poetry-Slam-Meisterin und HipHopperin Mieze Medusa (eigentlich: Doris Mitterbacher) um eine wunderschön erzählte Sommergeschichte, die in ihrer scheinbaren Leichtigkeit über ein paar recht ausgiebige - und dramaturgisch perfekt eingesetzte - Untiefen verfügt.
Zur Story: Es ist wieder einmal Sommer in Wien. Alles erscheint lichtdurchflutet und im Fluß. Nur die Fließrichtung stimmt nicht. Da das Schwimmen gegen den Strom nicht klappt, übt sich die Heldin des Buches, Nora Klein, im Kopf-über-Wasser-halten. Und das Wasser ist leider im Steigen begriffen: Rechnungen und Steuerzahlungsnachforderungen trudeln ein, Aufträge für die junge, selbständige Graphikerin sind aber Mangelware. Nur die Raubzüge an öffentlichen Büffets und das Plündern von Werbeständen mit Gratis-Joghurtdrinks garantieren ein erträgliches Alltagsleben trotz der gähnenden Leere im Portemonnaie. Die Existenzangst wird mit Sonnenbaden, zurückgeschraubten Ansprüchen und Zimmeruntervermietung bekämpft, bis Nora beschließt, auch ihrem Privatleben neue Impulse zu verschaffen. Der One-Night-Stand mit ihrem Verehrer und Auftraggeber Frank sorgt allerdings prompt für mehr Abwechslung, als Nora sich eigentlich wünscht ...
Der Schreiber dieser Zeilen gibt zu: Ihm ist´s schon lange nicht mehr passiert, daß er - lesend im Zug sitzend - mehrmals und trotz ÖBB-Öffentlichkeit ungehemmt laut losgelacht hat. Was in den ersten beiden Dritteln des Buches unglaublich witzig und pointiert aufbereitet ist, macht im letzten Drittel, nun mit Schauplatz Portugal, einer leisen Melancholie Platz, die aber das Grinsen im Gesicht des Lesers niemals völlig verjagt. Dafür sorgen schon die mitunter im Stakkato-Rhythmus dargebotenen One-Liner, die den Poetry-Slam-Background von Mieze Medusa nicht leugnen und auch nicht leugnen wollen. Wozu auch?
Nicht zuletzt die Dialoge zwischen Nora und ihrem ständig quengelnden Karma, das sich unaufgefordert - und prinzipiell in den unpassendsten Situationen - einmischt und fies-bissige Kommentare Richtung Nora abgibt, tun ein übriges, um die Mundwinkel oben zu lassen.
"Freischnorcheln" ist im besten Sinne des Wortes ein Sommerbuch. Und zwar eines, das einen auch halbwegs wohlbehalten durch den hiesigen Herbst und Winter bringen kann. Oder man macht es einfach gleich der Protagonistin Nora nach - und fährt nach Portugal.
Mieze Medusa - Freischnorcheln
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(Photo © Markus Köhle)
Milena (Ö 2009)
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