Mariela Sartorius - Die hohe Schule der Einsamkeit
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Gütersloher Verlagshaus/Random House (München 2006)
In ihrem neuen Buch beschreibt die studierte Psychologin eines der letzten großen Abenteuer. Und das ist noch spannender, als nackt mit dem Fallschirm abzuspringen. 13.09.2006
Heilsames Alleinsein - oder: Warum der Käfig von Rilkes Panther nicht mit Marmelade beschmiert sein muß. Das könnte das Motto sein, das über diesem Buch steht. Doch es ist nicht alles eitel Wonne. Bereits im ersten Kapitel spricht die Autorin eine Warnung an die Leserschaft aus.
Vorsätzlich allein sein zu wollen, kann und wird die unmittelbare soziale Umgebung einer tiefgreifenden Irritation aussetzen. Seit Kindertagen werden wir alle auf ein schwer definierbares, aber umso hartnäckigeres Gemeinschaftsgefühl eingeschworen. Jedes Kind, das im Schulhof abseits steht, verbirgt nach der herrschenden Gesellschaftstheorie entweder einen "unappetitlichen" körperlichen Makel oder leidet an einem psychischen Defizit.
Was aus solchen Kindern werden soll? Mariela Sartorius macht ihren Lesern Mut. Einzelgänger müssen sich nicht zwingend in kettenrauchende Sonderlinge verwandeln, die ihren verkorksten Leben mittels "Bilanz-Suizid" ein vorzeitiges, unrühmliches Ende setzen. Jedenfalls besteht diese Gefahr nicht, wenn wir uns auf die "Hohe Schule der Einsamkeit" einlassen, wenn wir das loslassen, was uns einengt und limitiert, uns ständig "in Beziehung" hält, wie etwa die Familie, die ihre Neurosen am vermeintlich Schwächsten ihrer Mitglieder austobt. Ähnliches gilt auch für Partnerschaften, die zu einem endlosen Nervenkrieg um die Position des Überlegenen verkommen, oder für Freunde, die diese Bezeichnung nicht verdienen, weil sie statt Freundschaft nur eine schwatzhafte Sorte "Grabsteinpflege" betreiben.
Sartorius schützt sich und uns vor derartigen Übergriffen philosophisch, indem sie ihre ganz individuelle Einsamkeit zu einer Art Freundin erhebt, mit der sie gut und ohne Leidensdruck leben kann; literarisch, weil sie die von sinnlosem Geplapper gesäuberte Zeit nützt, um kreativ zu sein; und geographisch, wenn sie auf ihre Almhütte flüchtet. All jenen, die nicht der schreibenden Zunft angehören und/oder keinen Zugriff auf eine Almhütte haben, widmet die in München lebende Autorin statt eines Nachworts einen Brief an eine imaginäre Freundin, die über Einsamkeit klagt.
"Wenn du frei sein willst vom Leiden, mußt du es umarmen", zitiert sie dabei den gängigen Rat der Psychologie - und meint damit, sich auf die Einsamkeit als Chance einzulassen, das eigene Leben nach fixen Parametern neu zu ordnen, Überflüssiges auszusortieren und den freigewordenen Raum "neu zu möblieren".
Nur mit dieser neuen Kühnheit und Abenteuerlust schafft es Rilkes Panther (das poetische Symbol für resignierende Einsamkeit), seinen Käfig zu verlassen und ein freies, selbstbestimmtes Leben zu führen - so wie Ferdinand der Stier oder Robinson Crusoe oder Mariela Sartorius.
Sie haben die Wahl.
Mariela Sartorius - Die hohe Schule der Einsamkeit
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Gütersloher Verlagshaus/Random House (München 2006)
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