Print_M. Kennedy/ B. Lietaer - Regionalwährungen

Der Simmering-Dollar

Der internationale Geldverkehr verschiebt hauptsächlich real nicht existierende Werte - und richtet damit viel Schaden an. Dieses Buch zeigt einen möglichen Weg aus der Misere.    09.04.2004

98 Prozent aller globalen Geldflüsse dienen nicht dem Kauf von Waren oder Dienstleistungen, sondern der Spekulation. Aber auch der Rest verteilt sich nicht gerade gleichmäßig über die Welt: 2003 etwa gingen 70 Prozent aller Auslandsinvestitionen nach China, Hongkong oder Taiwan.

Dieser Globalisierungsdruck kippt das ökonomische Gefüge vieler Regionen, in der Ersten Welt ebenso wie in der Dritten. Aber was kann man dagegen tun? Die Autoren halten sich an die Maxime „Global denken, lokal handeln“ und schlagen die Einführung von lokalen oder regionalen Währungen vor, die zusätzlich zu unseren heißgeliebten Euros verwendet werden sollen. Dabei muß es sich nicht um eine voll konvertible Parallelwährung handeln, auch Gutscheine, Tauschringe oder durch soziale Tätigkeiten erworbene Zeitguthaben können diese Funktion erfüllen, sagen die Autoren.

So könnten wir Konsumenten zumindest einen Teil der Finanzströme beeinflußen und sie aus der internationalen Zirkulation in kleinere Systeme umleiten. Die lokale Politik bekäme wieder Steuerungsmöglichkeiten in die Hand, die ihr im Spiel der freien Kräfte am großen Markt schon längst abhanden gekommen sind.

Das ist zumindest eine interessante Idee, die den Vorteil hätte, daß man nicht auf den Tod des globalen Kasinokapitalismus warten müßte. Schon als, sagen wir, Bezirkschef des Wirtschaftsbundes in Wien-Simmering könnte man versuchen, etwas für die Klein- und Mittelbetriebe im Bezirk zu tun.

Die Autoren zählen auch einige Beispiele auf, wo solche Konzepte in Ansätzen bereits funktionieren. In ihrer Begeisterung lassen sie sich jedoch leider zu sehr gewagten Analysen hinreißen. Etwa das Beispiel aus dem brasilianischen Curitiba, wo Kinder für gesammelten Müll mit Fahrkarten für den lokalen Bus bezahlt wurden, die ihre Eltern für die Fahrt in die Arbeit einsetzen konnten. Ein erfolgreiches Beispiel, gewiß, aber daß Curitiba in den letzten Jahrzehnten eine der erfolgreichsten Boom-Städte des Landes war, kann nicht nur an dieser kreativen Motivationstechnik zum Müllsammeln liegen. So wird das aber im Buch dargestellt, und das kratzt dann doch ein wenig an der Glaubwürdigkeit.

Dennoch: ein Buch mit vielen interessanten Gedanken für Globalisierungskritiker und -innen.

 

Michel Reimon

Margrit Kennedy/Bernard A. Lietaer - Regionalwährungen

ØØØ 1/2

Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand


Riemann-Verlag (2004)

Links:

Kommentare_

Print
Peter Sloterdijk - Zorn und Zeit

In der Kürze liegt die Würze

Politiker und Philosophen haben eines gemeinsam: Beide reden gerne viel, sagen aber oft nur wenig.  

Print
James Surowiecki - Die Weisheit der Vielen

Wir haben immer recht!

"Wo der Pöbel trinkt, sind alle Brunnen vergiftet." Ein amerikanischer Journalist versucht vom Gegenteil zu überzeugen, bleibt aber den Beweis schuldig.  

Print
Mark Lynas - Sturmwarnung

Nach der Flut ist vor der Flut

Zwei Jahre reiste der Autor um die Welt, um die Antwort auf unser aller Frage zu finden: Spinnt das Wetter in letzter Zeit wirklich - oder kommt uns das nur so vor?  

Print
M. Kennedy/ B. Lietaer - Regionalwährungen

Der Simmering-Dollar

Der internationale Geldverkehr verschiebt hauptsächlich real nicht existierende Werte - und richtet damit viel Schaden an. Dieses Buch zeigt einen möglichen Weg aus der Misere.