Klaus Ferentschik - Kalininberg & Königsgrad: Große Miniaturen
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PalmArtPress, Berlin
Ein für seine Bücher über 'Pataphysik, die steirische Weltmaschine und die Welt der Kabel bekannter Autor ergeht sich mit seinen großen kleinen Geschichten über eine ehemals deutsche und heute russische Stadt nicht in larmoyanter Vergangenheitsbewältigung, sondern verpackt Kaliningrad in ein literarisches Meisterstück. 03.09.2020
Königsberg, die Hauptstadt von Ostpreußen, wurde im Frühjahr 1945 von der Roten Armee eingenommen und im Sommer desselben Jahres offiziell Rußland zugesprochen. Somit verlor Deutschland die Stadt, deren liberale Freigeister ab Mitte des 18. Jahrhunderts Philosophie, Kunst, Theologie, Politik usw. maßgeblich prägten.
Im Frühjahr 1946 wurde Königsberg in Kaliningrad umbenannt, wenngleich der stalintreue Politiker Kalinin absolut nichts mit der Stadt zu tun hatte - doch er war kurz zuvor verstorben, und man brauchte dringend einen neuen Namen für sie. Ein Jahr später wurden alle Deutschen vertrieben und durch Russen ersetzt, deren heimatliche Dörfer und Städte im Krieg zerstört worden waren. Zerstört wurde auch manch großes Gebäude von Königsberg, sofern dafür nicht schon gegen Ende des 2. Weltkriegs die englische Royal Air Force während zweier Bombennächte gesorgt hatte.
Mit den Jahrzehnten änderte sich das Denken der sowjetischen Politiker: sie akzeptierten die Vergangenheit der Stadt, erkannten die Bedeutung der einstigen Persönlichkeiten an, ließen manch großes Gebäude renovieren, alte und neue Denkmäler restaurieren oder auftellen und schufen so eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die in dieser Stadt untrennbar zusammen gehören.
Genau das zeigt Klaus Ferentschiks Buch Kalininberg & Königsgrad - Große Miniaturen auf - oder weist ebendiese Verbindung sogar nach. Bei den hier versammelten literarischen Miniaturen handelt es sich um kurze bzw. Kürzestgeschichten über historische Ereignisse, berühmte Persönlichkeiten, bestimmte Begebenheiten, aktuelle Zustände und Monumente, die alle eng mit dem einstigen Königsberg und dem jetzigen Kaliningrad sowie seiner Umgebung zusammenhängen. So verknüpfen diese Geschichten Geschichte und Gegenwart, da die Aktualität dieser Stadt ohne ihre Historie nicht auskommt.
Die Texte sind teilweise mit Photos illustriert, die der Autor während zweier Aufenthalte im Abstand von acht Jahren (2011 und 2019) vor Ort aufgenommen hat und die sich dezidiert auf die jeweiligen Geschichten beziehen. Zusätzlich sind die Miniaturen mit Erläuterungen bzw. Anmerkungen versehen, die auf Daten, Begebenheiten und Anspielungen hinweisen. Besagte Anmerkungen befinden sich am Ende des Buches, da die Texte auch ohne sie gelesen werden können - und manche der Erläuterungen könnten sogar als eigene Miniatur für sich stehen.
Doch die Texte und Bilder in "Kalininberg & Königsgrad" verweisen nicht nur auf Persönlichkeiten, Monumente, Gebäude, Gedenksteine, Denkmäler usw., sondern befassen sich auch mit dem heutigen Leben in der Stadt. Sie schildern beispielsweise die überall herumstreunenden wilden Katzen, fischende Menschen an den Teichen, das allseits verbreitete und höchst eifrig betriebene Marktwesen und so weiter und so fort.
Bleibt die Frage, was der Autor uns mit dem Untertitel "Große Miniaturen" sagen will ... Nun ja, einerseits beziehen sich etliche der kurzen Texte auf sogenannte Geistesgrößen und große Künstler, (Philosophen, Politiker, Theologen, Dichter, Maler, Musiker) aus bzw. in Königsberg, denen dort Denkmäler, Gedenksteine, Plaketten und ähnliches gewidmet sind. Andererseits verweisen etliche der Geschichten auf Persönlichkeiten und Monumente mit konkretem Bezug zu Kaliningrad. Erwähnt sei an dieser Stelle das riesige Bronzedenkmal zu Ehren von Alexej Archipowitsch Leonow, dem ersten Menschen, der (am 18. März 1965) ein Raumschiff verlassen, mit einem langen Seil damit verbunden sich frei im All bewegt und verkündet hat: "Im All läßt es sich leben und arbeiten." Leonow lebte lange Zeit in der Nähe von Kaliningrad und schrieb nicht nur Raumfahrtgeschichte, sondern schuf auch die Vorlagen für viele Drehbücher und Erzählungen.
Letztlich bleibt noch, die literarische exakte Sprache hervorzuheben, in der Ferentschiks Miniaturen verfaßt sind. Gerade sie macht dieses Werk, wie auch die früheren Bücher des Autors, so besonders wertvoll. Sie ist weit über eine bittere Ernsthaftigkeit erhaben, sondern ganz im Gegenteil flüssig, locker und kompakt. Als Leser hat man nach der Lektüre einer dieser Miniaturen oft den Eindruck, einen ganzen Roman in sich aufgesaugt zu haben. Jede der Geschichten ist für sich so kurz, daß es kürzer nicht geht - und trotzdem steht alles drin.
Klaus Ferentschik - Kalininberg & Königsgrad: Große Miniaturen
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PalmArtPress, Berlin
In seinem neuen Roman erzählt Klaus Ferentschik von Spionen, verschwundenen USB-Sticks, Hagelkörnersammlern und Eisleichen. Das Ergebnis ist ein philosophisch-psychologischer Agententhriller, der mehr als doppelbödig daherkommt.
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