Paul Auster - Mann Im Dunkel
ØØØØ
("Man in the Dark", Rowohlt; Photo © Alexandra Klever)
Der 72jährige August Brill, ehemaliger Literaturkritiker und angesehener Journalist, sitzt morgens um drei schlaflos in seinem Rollstuhl im dunklen Wohnzimmer und wartet auf den Sonnenaufgang. Seit dem Krebstod seiner Frau und einem Autounfall, der ihn beinahe komplett bewegungsunfähig gemacht hat, sieht sich der desillusionierte Protagonist zwischen Wachen und Alptraumdelirien gefangen, wie sie aus der Feder des amerikanischen Erfolgsautors Paul Auster nicht unüblich sind.
Um sich abzulenken, erfindet Brill eine Person, die zunehmend von seiner eigenen Realität Besitz ergreift - einen gewissen Owen Brick, der in einem tiefen Erdloch erwacht. Wie er dort hineingekommen ist, weiß er nicht. Zufällig hat er noch seine Brieftasche bei sich, die Rückschlüsse auf eine Identität als Illusionist aus Queens zuläßt. Bei Tagesanbruch schließlich brechen endgültig alle Dämme zwischen Fiktion und Realität: Owen kriecht ans Licht und sieht sich inmitten des zweiten (!) amerikanischen Bürgerkriegs, der seit 2001 tobt, als sich nach einem offensichtlichen Wahlbetrug einige Staaten aus der Union verabschiedet haben. Und Brick hat eine Mission. Nur er nämlich kann diese Katastrophe beenden, indem er jenen Mann exekutiert, der dafür verantwortlich ist. Und der heißt Brill und sitzt, die Chronik dieses Bürgerkriegs niederschreibend, in seinem Elfenbein-Twin-Tower schlaflos im Dunkel!
In einem ähnlichen Zustand liest sich der Leser durch eine tiefschwarze Geschichte, in der einige der Grundthemen Austers - Unsicherheit, Identitätsfindung/-verlust und die Möglichkeit paralleler Leben(sentwürfe) - zutage (oder besser: in die Finsternis) treten. Mit "Mann im Dunkel" gelang Paul Auster eine weitere seiner stimmigen Parabeln, die sich mit dem auseinandersetzen, was wir gemeinhin "unser Leben" nennen.
Nach diesem Buch ist man dann ernsthaft versucht zu fragen: "Welches denn?"
Kommentare_