Print_Karin Duve - Taxi

Mit "Zwodoppelvier" zur Reeperbahn

Eine Taxifahrerin in Hamburg - das war in den 80er Jahren noch etwas Besonderes. Diese Autorin war so eine Rarität und saß 13 Jahre lang am Steuer von Wagen 244. Nun beschreibt sie in Romanform ihren Arbeitsalltag vor der Karriere als Schriftstellerin. Die abstrus-kuriosen Anekdoten lesen sich spannender und witziger, als man glauben möchte.    23.09.2008

Die junge, gutaussehende Alex beschließt aus Geldnot, den Taxischein zu machen. Nach bestandener Prüfung gilt es, einen Arbeitgeber zu finden: "Ich meldete mich auf eine Anzeige, in der nicht nur Taxifahrer, sondern ausdrücklich auch Taxifahrerinnen gesucht wurden. 1983 war es in Stellenanzeigen noch nicht üblich, jedem Beruf auch eine weibliche Endung anzufügen. Man tat es nur, wenn man andeuten wollte, daß man praktisch jeden nahm."

Was folgt, ist die Schilderung ihres zunächst sehr abenteuerlichen Berufsalltags: Alex lugt hinter die Kulissen der Reeperbahn und lernt, sich gegen zahlungsunwillige Fahrgäste und betrunkene Grabscher zu behaupten. In ihrem Mercedes mit der Rufnummer "Zwodoppelvier" macht sie regelmäßig die ganze Nacht Dienst und kommt hinterm Steuer so sehr in Fahrt, daß sie nicht einmal anhält, um mit ihren Kollegen zu frühstücken. Bald ist sie dennoch Teil der eingefleischten Taxifahrer-Gemeinschaft, einer Gruppe junger Männer, die allesamt daran gescheitert sind, sich ein bürgerliches Leben aufzubauen. Mit einem von ihnen - dem Intellektuellen Dietrich - beginnt sie sogar eine Affäre, die jedoch bald zur reinen Zweckbeziehung verkommt. Anstatt einfach Schluß zu machen, flüchtet sich Alex jedoch in sexuelle Abstinenz und später in eine Affäre mit einem gewissen Marco. Doch der kleinwüchsige Mann kann der selbstbewußten Alex nicht das Wasser reichen - und das läßt sie ihn spüren. Sie wohnt weiterhin bei Dietrich und besucht Marco, wenn sie gerade Lust auf Sex hat. Später lernt sie den extravertierten Majewski, einen sportlichen Journalisten und Frauenschwarm, näher kennen. Der meint zwar bald, in Alex verliebt zu sein, aber das hält letztendlich nicht lange an; ähnlich, wie es Alex mit Marco geht.

Alex denkt gar nicht daran, auch nur eine der allesamt mehr als unglücklichen Liebschaften zu beenden - Veränderung ist nicht ihr Ding. Das zieht sich durch alle Lebensbereiche: Nach einigen Jahren stinkt ihr das Taxifahren, die Fahrgäste ekeln sie an, sie fühlt sich ständig so müde wie antriebslos und ist unfähig, mehrere Stunden durchzuarbeiten. Daher bleibt das Geld aus, und Ärger mit Taxler-Kollegen sowie Rangeleien mit Fahrgästen machen ihr das Leben schwer. Es braucht erst einen handgreiflichen Schimpansen als Fahrgast, der ihrem Totenstarre-Dasein durch einen plötzlichen Totalschaden ein Ende bereitet.

Die Autorin Karen Duve saß selbst 13 Jahre lang vor dem Funkgerät, um auf Kommando Fahrgäste durch Hamburg zu chauffieren - kein Wunder, daß sie einiges aufzuarbeiten hatte. In ihrem vierten Werk beschreibt sie mit viel Selbstironie und anschaulicher Bildsprache den Taxi-Alltag. Daß der in Romanform spannender ist, als man vermuten würde, liegt wohl daran, daß sie sich durch autobiographischen Schnickschnack nicht festnageln läßt. Dabei bleibt die Glaubwürdigkeit zwar gelegentlich auf der Strecke, aber das muß der Leser eben in Kauf nehmen; je weiter man liest, desto dicker aufgetragen wirken die Handlungsstränge.

Das schmälert den Unterhaltungswert allerdings gar nicht. Sogar Allgemeingültiges bekommt man serviert, wenn man zwischen den Zeilen liest: Alex wehrt sich dagegen, "etwas Gescheites" aus ihrem Leben zu machen, und ist zu faul, um aus beruflichen und sozialen Mißständen auszubrechen. Das ist symptomatisch für nicht wenige Twens und paßt in die Nullerjahre genauso wie in die 80er.

Dazu kommt die offensichtliche Wehrlosigkeit der Protagonistin gegen ihre sexuellen Abhängigkeiten. Das macht sie zwar nicht sympathischer, aber die Ratio behält in Liebesdingen sowieso selten die Oberhand - nicht nur bei Frauen in dem Alter ... oder bei Taxifahrerinnen.

Bettina Figl

Karin Duve - Taxi

ØØØØ

(Photo © Ralf Gellert)

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Verlag Eichborn Berlin (Berlin 2008)

 

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