Jonathan Lethem - Menschen und Superhelden
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(Men and Cartoons)
Tropen (Berlin 2005)
In einer Pulp-Welt stehen ganz normal-depressive Kleinbürger gleichberechtigt neben supernormal-superdepressiven Superbürgern. Das ist die Welt, in der wir leben (wollen). 08.02.2006
Die amerikanische Literatur wird seit den 20 und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts vom Genre der Kurzgeschichte als Ausdruck einer speziell nordamerikanischen Poesie geprägt. Größen wie Philip K. Dick, auf den der Autor Jonathan Lethem ("Motherless Brooklyn") sich unter anderem bezieht, hatten damals die Möglichkeit, in einer Vielzahl von Magazinen zu veröffentlichen, die ihrer mäßigen Papierqualität wegen als "Pulps" bekannt wurden - ein Schicksal, das sie mit den Comic-Heften teilten.
Und damit betreten wir auch schon die Welt des Jonathan Lethem - oder, wie William C. Williams in seinem Vorwort zu Allen Ginsbergs "Howl" schreibt: "Nehmen Sie die Säume Ihrer Gewänder hoch, meine Damen, wir gehen durch die Hölle."
Wie bereits in "Die Festung der Einsamkeit" packt Lethem
auch "Menschen und Superhelden" mit dem ihm eigenen blitzartigen Zugriff. Er zieht dabei das Detail der Metapher vor; seine Einblicke sind scharf begrenzte Ausschnitte - "glimpses", wie Williams sagt - aus den Augenwinkeln eines unbarmherzigen Beobachters. Dadurch gelingt es dem Autor, diese präzise und stellenweise auch quälende Undurchdringlichkeit seiner Figuren zu erreichen, eine poetische Technik, die Pound "opacity" nennt.
Das Spiel kann beginnen, das Risiko sucht sich seine Helden, die Abenteuer, die Lethem seinen Protagonisten zumutet, sind die trauriger Erwachsener, die einsehen müssen, daß sie ihre Körperdichte doch nicht ändern können wie die von ihnen verehrte Comicfigur "Vision", ein "grüblerischer Android" aus dem Marvel-Universum. Ähnlich ergeht es dem ebenso grüblerischen Idioten aus dem Lethem-Universum, der jeden Morgen versucht, die Welt mit Kohlköpfen zu vernichten, er ist "Der Dystopist". Die "monopermeable Membran" in "Auffahrt Fantasie" wird nur durch ein angedeutetes Verbrechen erschüttert, wohingegen das Kennedy-Attentat Ralph Gersten zum "Superziegenmann" mutieren läßt.
Die Summe aus "Menschen und Superhelden" ist tröstlicherweise dieselbe wie die Differenz aus beidem: das Lethem-Prinzip.
Abseits außergewöhnlicher skills und thrills beschreibt der Mann bislang unbesungene Heldentaten wie das richtige Aufsetzen einer Brille, bittere Einsamkeit, Armut und Aussichtslosigkeit.
Der Markt für Superhelden bricht weg - bis sie komplett aus dem Geschäft sind. Was bleibt, sind neun Geschichten, zum Teil so unheimlich wie das Kegeln mit Knochen und Totenköpfen.
Jonathan Lethem - Menschen und Superhelden
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(Men and Cartoons)
Tropen (Berlin 2005)
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