Iain Levison - Hoffnung ist Gift
ØØØØØ
(The Cab Driver)
Deuticke (D 2012)
Der Volksmund behauptet, daß die Hoffnung zuletzt stirbt. Das gilt jedoch nicht für einen Häftling, der unschuldig in die Mühlen der Justiz geraten ist. 27.11.2012
Die Geschichte ist schnell erzählt: Jeff Sutton, Taxifahrer in Dallas, fährt eine Geschäftsfrau vom Flughafen heim. Weil sie das Geld nicht passend hat, bittet sie ihn kurz ins Haus. Jeff nutzt die Gelegenheit und sucht die Toilette auf. Während die Frau telefoniert, beschäftigt Jeff sich aus alter Gewohnheit - er war mal Monteur - mit den Fensterscheiben. Dann bekommt er sein Geld und macht Feierabend, nicht ohne auf dem Heimweg noch zwei betrunkene Teenager zurück zum College zu befördern. Sie kotzen ihm den Wagen voll, sodaß er die Plastikpolster mit dem Heißdruckreiniger waschen muß.
Zwei Tage später steht die Polizei bei ihm vor der Tür, verhaftet ihn und klagt ihn der Entführung und Ermordung eines zwölfjährigen Mädchens an. Bei dem Opfer handelt es sich um die Tochter der Geschäftsfrau. Schnell wird dem Taxilenker klar, daß niemandem an der Wahrheit liegt - nicht einmal dem jämmerlichen Pflichtverteidiger, der ihm zur Seite gestellt wird. Jeff landet im Knast; nicht bei den normalen Straftätern, sondern im Todestrakt.
Auf den nun folgenden 300 Seiten erlebt der Leser, wie Jeffs Leben Stück für Stück zerfällt, wie er all das, woran er geglaubt hat, über Bord werfen muß - bis er am Ende nur noch jene zu seinen Freunden zählt, die von der Gesellschaft geächtet sind: die schlimmsten aller Verbrecher, die Todeskandidaten. Allein den seelischen Verfall Jeffs mitzuerleben, ist tragisch. Zu sehen, wie die Öffentlichkeit sich keinen Deut um die Wahrheit schert, macht wütend.
Zwischen den Zeilen scheint immer wieder Iain Levisons Kritik an seinem Land und den dort herrschenden gesellschaftlichen Unterschieden durch. Wer sich teure Anwälte leisten kann, bekommt die Chance auf eine faire Verhandlung, von der Behandlung ganz abgesehen. Wer arm und mittellos ist, hat die Knastkarte gezogen, ob schuldig oder nicht. Levison beleuchtet aber auch die Umstände, die ein solches System erst möglich machen:
"Wenn wir alle ein wenig kritischer wären und die Polizisten wie normale Menschen mit einem schwierigen Job behandeln würden, dann hätten die vielleicht nicht das Gefühl, sie müßten wie Superman sein. Wenn wir sie als ganz normale Menschen betrachten, dann hätten sie es nicht nötig, Puzzlestücke zusammenzuzwingen, die nicht zusammenpassen, Zeugen zum Lügen anzustiften und Beweisstücke in den Papierkorb zu werfen, um sich ihren Fall zusammenzuschustern."
Gut zu wissen. Doch bieten diese Gedanken Jeff keinen Trost, während er auf seiner Pritsche in der Zelle wartet, daß endlich das passiert, was niemals geschehen wird. So bleibt ihm zum Schluß nur die Erkenntnis, daß in seiner Situation die Hoffnung ein Gift ist. Indem er sich mit seinem Schicksal arrangiert, rettet er sich über die quälend einsamen, langweiligen, unerträglichen Tage.
Wie giftig die Hoffnung tatsächlich ist, zeigt erst das Romanfinale, das den Leser überrascht wie ein heimtückischer Schlag in die Magengegend. Ihm geht nämlich eine Wendung voraus, die der Geschichte zwar die Bitterkeit, aber über Strecken auch die Glaubwürdigkeit raubt. Zu unwirklich ist Jeffs plötzliche Rettung aus dem Knast ...
Nein, ist sie nicht.
Ein großartiger Roman.
Iain Levison - Hoffnung ist Gift
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(The Cab Driver)
Deuticke (D 2012)
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