Print_William Mark Simmons - The Halflife Chronicles
Monster-Stories zum Totlachen
Das Vampir-Genre steht wieder einmal an der Kippe zur Belanglosigkeit, seit blutleere TV-Serien die Wesen der Nacht auf das Format handlicher Fernsehdetektive reduzieren - und "Twilight" sie im Kino als liebeskranke Romantiker daherschnulzen läßt. Wie gut, daß uns wenigstens dieser Autor etwas zu beißen gibt.
12.01.2009
Chris Csejthe ist ein glücklicher Mann. Der Professor für englische Literatur hat eine reizende Frau, eine süße Tochter und einen Job, der ihm richtig Spaß macht. Was will man mehr?
Definitiv keine brennende Scheune ... Doch genau eine solche reißt ihn während eines Familienausflugs aus der Idylle. Als er einem vermeintlichen Opfer zu Hilfe eilt, entpuppt dieses sich als uralter Vampirfürst, der vor lauter Durst schon im Sterben liegt. Der Blutsauger ernennt Csejthe zum unfreiwilligen Blutspender; nur mit allerletzter Kraft entkommt der Professor dem bissigen Monster. Es folgt ein unschöner Autounfall, bei dem nicht nur seine geliebte Familie ums Leben kommt, sondern er gleich mit in der Pathologie landet. Anders als Frau und Kind wacht Chris aber wieder auf - ohne Erinnerung an die Gründe für seinen Unfall und ohne die geringste Ahnung, wieso ausgerechnet er noch am Leben ist.
Der gebrochene Witwer zieht sich in sein Haus zurück, brütet vor sich hin und stellt dabei einige seltsame Veränderungen an sich fest. Er hat ständig Hunger, verträgt aber keine Nahrung und kann wegen zunehmender Lichtempfindlichkeit nur noch nachts arbeiten. Der Genre-Fan weiß es längst: Chris mutiert langsam, aber sicher zum Vampir - wovon er natürlich nichts ahnt. Auch die Ärzte stehen vor einem Rätsel, mit Ausnahme einer eigens angereisten Spezialistin, die ihn korrekt als Vampir erkennt. Doch bevor sie ihm helfen kann, tauchen schon die ersten Monster auf.
Als Literat hat der gute Professor Csejthe natürlich keine Ahnung von "things that go bump in the night" (hätte er halt mehr Zeit in Horrorromane investiert!). Nun bekommt er aber einen Schnellkurs verpaßt, der ihn mit Werwölfen, Vampirklans und den Gesetzen der Wesen zwischen Nacht und Tag bekanntmacht. Die höllische Brut ist zwar meist reichlich zerstritten, doch in einem sind sich alle einig: Jeder will Csejthes außergewöhnliches Blut. Da er nämlich nicht ganz in einen Vampir verwandelt wurde, ist er weder Mensch noch übernatürliches Wesen der Nacht und wandelt daher problemlos in beiden Welten.
Die Mischung macht´s
Schön, diese Story gab´s schon öfter. Doch der amerikanische Autor William Mark Simmons kennt die Zutaten, die eine zeitgemäße Vampirgeschichte schmackhaft machen: Blut, Leidenschaft, Spannung und, ja, auch Humor. Mit den vier Romanen seiner "Halflife Chronicles" legt er einen furiosen Ritt durch die gesammelten Alpträume des Horrorgenres hin und hetzt seinen Helden von einer dramatischen Szene in die nächste. Csejthe schlägt sich durch seine Abenteuer, bewaffnet "nur" mit literarischer Bildung, Galgenhumor und Chuzpe. Wie er bei allem, was ihm passiert, seinen "gesunden Menschenverstand" behält, ist einfach großartig und spannend erzählt.
Die gelungene Mixtur aus Tragödie (Tod der Familie), Panik (Monster jeder Couleur hinter jeder Ecke) und Komik (der Held hat ein loses Mundwerk, das ihn regelmäßig noch tiefer in die Scheiße reitet) sorgt beim Leser für schlaflose Nächte. Simmons bedient sich dabei ungeniert an allem, was der einschlägige Horror zu bieten hat: Von Stoker und Shelley über exotische Mythen bis hin zu Verschwörungstheorien und einer ganzen Latte an Filmerzeugnissen bleibt beim Kampf um das Seelenheil des Helden kein noch so schräges Genre-Machwerk unzitiert. Das ist zuweilen skurril, aber stets dramatisch, da die unkonventionellen Methoden, mit denen unser Held dem bluttriefenden Horror die Stirn bietet, keineswegs immer Wirkung zeigen. Und weil er sich mit jedem anlegt, der seinen Weg kreuzt, vergrätzt er nicht nur die finsteren Mächte, sondern auch Wesen, die ihm wohlgesinnt sind. Selbst die erwachende Zuneigung zu einer temperamentvollen Werwölfin sorgt für Ärger, als sexy Konkurrentinnen mit spitzen Zähnen und scharfen Klauen den geplagten Akademiker ebenfalls flachlegen wollen.
Der Monsterjäger wider Willen wächst im Laufe der Zeit in seine neue Rolle hinein - und oft genug über sich hinaus. Er gewöhnt sich an die Einnahme von Blut, natürlich aus der Konserve, und findet neue Freunde, etwa die Zombies auf dem Friedhof hinter seinem Haus, die sich öfter mal vor seinem Wohnzimmerfenster zusammenrotten, um gemeinsam alte Horrorschinken zu glotzen. Aber er hat auch neue Feinde am Hacken, unter anderem einen extrem blutrünstigen aztekischen Dämon, eine Vincent-Price-würdige, unsterbliche Mumie, einen eiskalten Original-Nazi, der mit Gentechnik experimentiert, und den Fürsten der Finsternis persönlich.
Natürlich bringt unser Held alles mit, was ein Mann im Kampf gegen die dunkle Seite so braucht. Er ist dickköpfig, eigenbrötlerisch und uneinsichtig, dabei auch smart, liebevoll und gütig. Er sucht sich seinen eigenen Weg zwischen Tag und Nacht und läßt sich ums Verrecken nicht zum Spielball der dunklen Mächte machen. Und bei all dem Grauen, das sich ihm in den Weg stellt, darf (ab und zu) herzlich gelacht werden. Sagen wir es mit Simmons, der den alten Yeats zitiert: "such men as come proud, open-eyed and laughing to the tomb".
Die "Halflife Chronicles" umfassen bislang vier in sich abgeschlossene Bände, die in der richtigen Reihenfolge (Bd. 1: One Foot in the Grave, Bd. 2: Dead on my Feet, Bd. 3: Habeas Corpses, Bd. 4: Dead Easy) gelesen am meisten Spaß machen. Jedes Buch setzt sich mit einem anderen Horror auseinander, den Chris Csejthe natürlich nur mit Ach und Krach übersteht. Mal dreht sich die Story um Vampire, dann um Frankenstein-ähnliche Kreaturen, und selbst H. P. Lovecrafts Cthulhu hat (in Band 4) einen spektakulären Auftritt, der endlich erklärt, wer dieses Wesen eigentlich ist und woher es kommt. Simmons hat damit ein kleines Meisterwerk hingelegt.
Leider liegen die "Halflife Chronicles" bisher nicht in deutscher Übersetzung vor, aber das macht nichts. Die Original-Cover sind nämlich - typisch Baen Books - von beeindruckend konsistenter Peinlichkeit. Und genau so gehört sich das.
Anette Keiser
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