Print_Deon Meyer - Sieben Tage

Ein Land wie jedes andere

Hoffnungsträger Deon Meyer liefert in seinem dritten Bennie-Griessel-Roman "nur" einen konventionellen Thrillerplot. Mit dem entsprechenden Gespür für Figuren und Kulissen liegt der Südafrikaner aber immer noch weit über dem Krimistandard.    26.02.2013

Bennie Griessel, gestürzter, mit sich und der Welt hadernder Held aus "Der Atem des Jägers" und "Dreizehn Stunden", hat seit fast einem Jahr keinen Alkohol mehr angerührt. Auch seine neue Freundin Alexa Barnard, einst eine erfolgreiche Sängerin, ist seit mehreren Monaten trocken. Der bevorstehende Abend ist deshalb ein besonderer: Alexas Comeback steht bevor.

Doch daraus wird nichts, denn Bennies Kommandeur bestellt ihn zum Dienst. Ein Heckenschütze droht, alle 24 Stunden auf einen Beamten in Kapstadt zu schießen, sollte die Polizei nicht endlich den Mörder der erfolgreichen Juristin Hanneke Sloet verhaften. Angeblich, so behauptet der Attentäter, stehe der Mörder unter dem Schutz der südafrikanischen Politik.

Tatsächlich aber scheinen die mit dem Fall betrauten Beamten trotz intensivster Bemühungen nicht einen einzigen Hinweis auf Sloets Mörder gefunden zu haben, zumindest ist dies Bennies Erkenntnis, nachdem er sich durch die Ermittlungsakten gewühlt und die Gespräche mit Sloets Angehörigen und Kollegen wiederholt hat.

Dieses Aufkochen bereits bekannter Fakten ist notwendig, lähmt die eigentliche Thrillerhandlung allerdings auf den ersten 50, 60 Seiten. Trotzdem legt man den Roman nicht aus den Händen, denn natürlich ist klar, daß Bennie früher oder später auf eine neue Spur stoßen wird. Außerdem überspielt Deon Meyer den dramaturgischen Hänger geschickt, indem er Bennie immer wieder auch mit seinen privaten Problemen konfrontiert: mit seinem Sohn Fritz (der sich ein Tattoo stechen lassen möchte, was seine Schwester Carla gar nicht toll findet), mit seiner Tochter Carla (die sich über ihren Bruder echauffiert, aber selbst einen tätowierten Freund hat) und mit Alexa, die - alleine gelassen - wieder rückfällig wird. Sowieso ist dies eine der Stärken Meyers: das Ausleuchten seiner Figuren, nicht zu intensiv, daß es langweilt, aber trotzdem fesselnd genug, daß der Leser mitleidet.

Und dann ist da natürlich noch der Heckenschütze, in dessen Kopf der Leser immer wieder blicken darf und dort allerlei Widersprüchlichkeiten feststellt. Was treibt diesen Attentäter an? Sind es tatsächlich Korruption und Gewalt, die seit dem Ende der Fußball-WM wieder an jeder Ecke lauern, seit die Bemühungen, das Land auf Hochglanz zu polieren, erloschen sind? Ist wieder alles beim Alten?

 

 "Hautfarbe, ständig ging es um die Hautfarbe, egal was man tat oder dachte, oder sagte, schon war es wieder ein Thema. Jissis!"

 

Umso überraschender, daß die Auflösung von "Sieben" Tage konventionell daherkommt. Die Anschlagserie und der Mord an Hanneke Sloet haben weder mit den Seilschaften zu tun, die das Ende der Apartheid überdauerten, noch mit den gesellschaftlichen  Zuständen im heutigen Südafrika, die Deon Meyer über weite Teile seines Romans ausbreitet. Es sind vielmehr die bereits aus anderen Kriminalromanen sattsam bekannten, zwischenmenschlichen Motive: Sex, Eifersucht, Rache, angeheizt durch moderne Medien wie Facebook oder Twitter, die auch in Südafrika den Alltag der Menschen bestimmen.

Vielleicht ist genau das auch die Moral der Geschichte: Am Ende ist Südafrika ein Land wie jedes andere auch.

Denn wenn Roger Smith so etwas ist wie der Totengräber Südafrikas, dann ist Deon Meyer der Hoffnungsträger. Zwar fließen in seine Romanen die politischen und sozialen Mißstände seines Heimatlandes ein, aber er zeichnet bei weitem kein so gnadenloses und dystopisches Bild wie Kollege Smith. Deon Meyer läßt den Leser immer auch die Schönheiten Südafrikas erkennen.

Nur konsequent, daß Bennie Griessel zu guter Letzt auch wieder zu seiner Alexa findet - und beide zu dem Glauben, daß ihnen und ihrem Land eine Zukunft vergönnt ist.

Fazit: zwar ein konventioneller Thrillerplot, aber dank Deon Meyers Gespür für Figuren und Kulissen immer noch weit über dem Krimistandard, der ansonsten unsere Buchregale flutet.

Marcel Feige

Deon Meyer - Sieben Tage

ØØØØ

(7 Dae)

Leserbewertung: (bewerten)

Ruetten & Loening (D 2012)

Links:

Kommentare_

Print
Michael Connelly - Götter der Schuld

Der schmale Grat

"Götter der Schuld" werden die zwölf Geschworenen genannt, die im Gerichtssaal über die Schuld eines Angeklagten entscheiden. Nur was, wenn der unschuldig ist, die Beweise dafür aber fehlen? Marcel Feige klärt auf.  

Print
Katja Bohnet - Messertanz

Kleine Welt

Das Romandebüt der deutschen Autorin ist vieles: ein Thriller, ein Familiendrama, eine Rachestory. Vor allem ist es jedoch unbedingt lesenswert, wie Marcel Feige findet.  

Print
Stephen King - Basar der bösen Träume

Königliches Gemenschel

Hat´s der Schöpfer von Klassikern wie "The Shining", "Carrie" oder "Misery" nach all den Jahrzehnten immer noch drauf? Marcel Feige hat sich in seine neue Kurzgeschichtensammlung vertieft.  

Print
Michael Robotham - Der Schlafmacher

Mut und Konsequenz

Mit einem Robotham kann man für gewöhnlich nichts falsch machen, findet Marcel Feige. Sein neuer Roman ist allerdings eine Ausnahme.  

Print
John Grisham - Anklage

Seifenblase

Das muß einem Autor erst einmal gelingen: einen Roman schreiben, in dem nichts passiert. John Grisham hat es geschafft.  

Print
Greg Iles - Natchez Burning

WTF?

Der Rassenwahn in den Südstaaten Amerikas ist ein Thema, das den US-Autor Greg Iles nicht zum ersten Mal beschäftigt - diesmal allerdings ambitioniert und (fast) ohne Kompromisse.