David Safier - 28 Tage lang
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Kindler (D 2014)
Der Autor so amüsanter Romane wie "Mieses Karma", "Happy Family" und "Muh" schreibt über den Holocaust. Kann das gutgehen? Marcel Feige findet: Es kann! 08.05.2014
Daß David Safiers neues Buch "28 Tage lang" so gut funktioniert, liegt nicht nur daran, dass die Familiengeschichte des Autors eng mit den Greueltaten der Nazis verknüpft ist. Safiers Großvater kam im KZ Buchenwald ums Leben, seine Großmutter im Ghetto von Lodz. Ihnen widmet er seinen Roman.
Neben vielen historisch verbürgten Personen, Deutschen wie Juden, stellt Safier allerdings eine fiktive Figur in den Mittelpunkt seiner Geschichte: die sechzehnjährige Mira, deren Vater sich das Leben nimmt - aus Scham darüber, daß er seine Familie nicht vor dem Warschauer Ghetto bewahren konnte.
Das Ghetto war eine Stadt in der Stadt, hermetisch abgeriegelt, mit hunderttausenden Juden, denen alles geraubt wurde: Besitz, Gesundheit, Würde. Stattdessen grassieren Armut, Krankheit und Verrat, der Tod ist allgegenwärtig. Inmitten dieses hoffnungslosen Elends scheint Mira der einzige Hoffnungsträger zu sein. Sie ist ein junges Mädchen, das viel zu schnell erwachsen werden und sich nach dem Tod des Vaters um die traumatisierte Mutter und ihre kleine Schwester kümmern muß. Von ihrem Bruder darf sie keine Hilfe erwarten, der hat sich der Judenpolizei angeschlossen, jenen Kollaborateuren, die lieber ihr eigenes Volk knüppeln, als selbst geknüppelt zu werden.
Also schmuggelt Mira immer wieder Lebensmittel von der polnischen Seite ins Ghetto, bis sie dabei erwischt wird. In letzter Sekunde rettet sie ein Junge names Amos, der sich als jüdischer Widerstandkämpfer entpuppt. Schon bald, glaubt Amos, werden die Deutschen alle Juden deportieren und vernichten.
Mira will nichts davon hören. Das Leben im Ghetto mag schlecht sein, aber mit etwas zu essen, ihren Freunden und ein bißchen Schwärmerei für Amos ist es doch fast wie ein ganz normales Leben.
"28 Tage lang" sei ein Buch, so Safier, "in dem es nicht nur um die Vergangenheit geht, sondern um uns. Um die ewigen, universellen Fragen, die uns alle bewegen: Was würdest du tun, um zu überleben? Würdest du dein Leben für andere opfern, oder würdest du andere für dein Leben opfern?"
Dies sind Fragen, die schließlich auch Mira bewegen, als Amos´ Prophezeiung sich erfüllt. Tausende Juden treibt die SS zu den Zügen, die sie ins Vernichtungslager Treblinka bringen. Mira begegnet einer Frau, die nur eine der rettenden Marken besitzt, mit denen Juden als kriegswichtige Arbeiter für die deutschen Fabriken überleben dürfen. Diese Frau drückt ihr schlafendes Baby in Miras Hände: "Man kann immer ein neues Kind bekommen. Doch wenn ich mit dem Kind sterbe, kann ich kein neues Leben zur Welt bringen." Dieser Moment verschlägt nicht nur Mira, sondern auch dem Leser die Sprache.
Bevor Mira überhaupt Worte finden kann, ist die Frau durch das Tor in die Sicherheit des Ghettos verschwunden. Mira hat die Wahl: "Mit einem fremden kleinen Kind in die Züge gehen, in den letzten Stunden seines Lebens für es da sein, egal wie schwer es mir fiel. Oder es einfach zu Boden legen, wo die Soldaten es erschießen oder gar mit ihren Stiefeln zertrampeln würden.
Was für ein Mensch will man sein?"
Ein Mensch mit Stolz, findet Mira - und folgt Amos in den Widerstand: "Wenn wir gegen die Deutschen Krieg führen, werden ganze Generationen von Juden stolz auf uns sein. Dabei ist es ganz egal, wie lange wir aushalten. Einen Tag, einen Monat oder wenige Stunden. Hauptsache, wir lassen uns nicht wehrlos zur Schlachtbank führen."
Ganz so leicht fällt ihr der Kampf allerdings nicht, eben weil sie sich auch in Augenblicken schlimmster Greueltaten ihre Menschlichkeit bewahrt: "Die Deutschen bringen mich dazu, mir immer mehr Schuld aufzuladen. Bis an mein Lebensende."
Bis fast zum Ende ist "28 Tage lang" ein bewegender, zugleich aber auch fesselnder Roman, der nur gegen Ende zu sehr ins Hollywoodeske verfällt - zu viele Verfolgungsjagden, zu viele Schießereien und dann auch noch ein Happy-End. Wenn diese schreckliche Zeit für die meisten Juden etwas nicht hatte, dann ein glückliches Ende ...
Noch einmal Safier: "Dieses Buch soll eine Brücke zwischen den Generationen schlagen. Ich möchte mit ihm auch Menschen erreichen, die normalerweise nicht so ohne weiteres zu einem Roman über den Holocaust greifen würden. Deswegen habe ich '28 Tage lang' mit den Mitteln des Spannungsromans geschrieben."
Okay, vielleicht muß ein Buch über den Holocaust heutzutage tatsächlich viel Action und ein Happy-End enthalten, damit es junge Menschen noch erreicht. Aber wenn "28 Tage lang" sie dazu bewegt, sich mit der deutschen Vergangenheit auseinanderzusetzen und dafür zu sorgen, daß so etwas nie wieder geschieht, dann hat Safier sein Ziel erreicht - und die Kritik an einem ansonsten wichtigen Buch wiegt weniger schwer.
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