Print_Chantal Pelletier - More is less

Tödliches Tai-Chi

Ein toter Chinese im Park und keine Verdächtigen, keine Spuren, kein Motiv. Kommissar Laice ermittelt diesmal im französischen Chinatown und gerät selbst in die Schußlinie.    21.07.2004

Chantal Pelletier ließ ihren Kommissar Maurice Laice, auch "Momo" genannt, bereits in der Normandie ("Eros und Thalasso") und im Montmartre-Viertel ("Der Bockgesang") ermitteln. Nun wurde er ins 19. Arrondissement von Paris versetzt. Dummerweise erwartet ihn im französischen Chinatown statt Multikulti-Charme ein Verbrechen. Momo soll den Mord an einem Chinesen im Park Buttes Chaumont aufklären, der beim Tai-Chi-Praktizieren erschossen wurde. Es gibt keinerlei Spuren, Verdächtige oder Motive - dafür aber eine unverschämt reiche asiatische Bildhauerin, die Verwirrung und Faszination in privater und beruflicher Hinsicht bringt und ein mysteriöses, gefährliches Doppelleben zu führen scheint. Bald steht Momo vor seinem mit Graffiti beschmierten Auto, das eine deutliche Morddrohung gegen ihn verkündet.

Geschickt versteht es Chantal Pelletier - wie schon in den beiden anderen Maurice-Laice-Romanen - die Spannung bis zur letzten Seite nicht abreißen zu lassen. Die für alle Werke der französischen "Serie noir" typische Sozialkritik erscheint bei Pelletier nicht als pathosgeladene Anklage, sondern beiläufig, trocken und daher umso stärker. Ihr einsamer, grantiger und von der Welt enttäuschter Held Momo kämpft sich oft mit Alkohol und meist mit tiefschwarzen Gedanken durchs Leben und seine Ermittlungen. Man versteht ja, daß er sich aufgeben will, angesichts seiner zynischen, männerverachtenden Chefin, die ihn "More is less" nennt, eines großkotzigen Polizistencousins, des schmerzenden linken Hodens (Impotenz? Krebs?) und vor allem der unzähligen sinnlosen und brutalen Gewaltdelikte im Bezirk.

Umso mehr ist der Leser von Momos vorsichtig geknüpfter Freundschaft mit einem zwölfjährigen Buben und seiner scheuen und ängstlichen Liebe zur Künstlerin Anna berührt - noch viel mehr nach dem überraschenden Ende des Buches.

 

Tanja Korn

Chantal Pelletier - More is less

ØØØØØ


Distel Literatur Verlag (Heilbronn 2004)

Links:

Kommentare_

Print
Chantal Pelletier - More is less

Tödliches Tai-Chi

Ein toter Chinese im Park und keine Verdächtigen, keine Spuren, kein Motiv. Kommissar Laice ermittelt diesmal im französischen Chinatown und gerät selbst in die Schußlinie.  

Print
Anna Kalman - Nichts als dein Schatten

Wiederholungstäter

Das zweite Abenteuer der attraktiven Privatdetektivin Malina Maltzan ist zwar unterhaltsam und spannend, bringt aber leider nichts Neues.  

Print
Jean-Patrick Manchette - Position: Anschlag liegend

Keine Gefühle

Profikiller Martin Terrier will aussteigen, sein Boß hält davon wenig - womit ein spannender Krimi der "Série noire" beginnt.  

Print
Renate Dorrestein - Zurück auf los!

Spielbrett des Lebens

Wie kann man den Schmerz beim Verlust eines Kindes beschreiben? Wahrscheinlich gar nicht. Oder so wie Renate Dorrestein in ihrem grandiosen Roman "Zurück auf los!"  

Print
Nancy Kilpatrick - Todessehnsucht

Blutleere Vampirgeschichte

Der erste Horrorroman von Short-Story-Autorin Nancy Kilpatrick ist eine moderne Vampirgeschichte mit sehr viel Brutalität und kaum Überraschungen.  

Print
Leïla Marouane - Entführer

Gestohlene Leben

Ein packender, mit schwarzem Humor angereicherter Roman über eine zerfallende algerische Familie läßt den Leser zwischen Lachen und Weinen schwanken.