Print_Print-Tips 2/2007

Modesty, Engel und Sektierer

Wenn ausgerechnet ein Grazer Verlag in andere Welten entführt, müssen unsere restlichen Lesetips zurückstehen. Aber nur ein bißchen - dann kommen Agenten, Mammuts und liebenswerte Irre.    17.07.2007

Jürgen Fichtinger & Peter Hiess

Verlags-Tip: Otherworld


Ausnahmsweise eröffnen wir unsere aktuellen Buchempfehlungen nicht mit einem dringend lesenswerten Roman, sondern stellen gleich einen ganzen Grazer Verlag vor. Der nennt sich Otherworld und hat im Gegensatz zur heimischen "Konkurrenz" erwartungsgemäß nichts mit literarischen Langweilern zu tun. Stattdessen findet man dort eine sorgfältige Zusammenstellung aus den Bereichen Horror, Phantastik und Fantasy, die sogar den Festa-Verlag blaß werden lassen sollte. Unter anderem mit an Bord: Bram-Stoker-Award-Gewinner Owl Goingback (ja, ein echter Indianer), David Moody und Dave Duncan - aber auch einige deutschsprachige Autoren, die hier ihren Einstand feiern.

Natürlich müssen wir die meisten Werke erst ausführlich studieren, um Ihnen danach Bericht zu erstatten, doch einen Titel wollen wir unseren Lesern gleich ans Herz legen: "Das Reich der Siqqusim" von Brian Keene (auch dieser Herr hat schon zweimal den begehrten Stoker-Award erhalten). Sollten manche jetzt murmeln "Ja, der hat doch 'The Rising' geschrieben", dann haben sie recht. "Das Reich der Siqqusim" vereint "The Rising" und dessen Nachfolger "City of the Dead" in einer Doppelausgabe - und ist nicht nur für Freunde der fleischfressenden Untoten Pflichtlektüre. Obwohl das Sequel nicht ganz mit "The Rising" mithalten kann, sollte man diese "I Am Legend"-Variation unbedingt gelesen haben: Hier haben Zombies nicht nur die Welt überrannt, wie der einsame Protagonist gleich zu Beginn erkennt, sie können sich sogar miteinander verständigen. Keenes sprechende Untote sind nämlich weder durch einen Virus noch durch seltsame Satellitenstrahlen enstanden und zählen erstmals auch die Tierwelt zu ihren Legionen. Das Ergebnis ist mit Sicherheit eines der besten Zombie-Epen neben David Wellingtons "Monster"-Trilogie. Die können Sie übrigens auch gleich mitbestellen oder gratis auf der Website des Autors nachlesen.

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Greg Bear - Quantico

(Heyne)


Angefangen hat Greg Bear als relativ begabter Autor von Hard SF, dem mit seinem Durchbruchsroman "Blood Music" (Blutzellen werden intelligent und verändern die Menschheit) 1985 ein sehr erinnernswertes Werk gelang. Mit "Quantico" versucht sich der Schriftsteller - der sich nach dem ach-so-traumatisierenden 11. 9. 2001 auch als Bioterrorismusberater für die US-Regierung wichtigmachen durfte - allerdings auf dem Terrain von Michael Crichton & Co.: dem Techno- bzw. Wissenschafts-Thriller.

Wie schon der Titel verrät, geht es in dem Buch um heldenhafte FBI-Agenten, die die Pläne verrückter Sektierer und (Rechts-)Radikaler vereiteln müssen. Diesmal haben die Wahnsinnigen vor, die religiösen Hauptstädte der Welt mittels eines maßgeschneiderten Virus in die Demenz zu treiben (als ob das Fernsehen nicht genügte). Der Testlauf der Bösewichte ist erfolgreich, aber am Hauptplan scheitern sie, weil die edlen Geheimdienstler wie wild um die Welt fliegen, recherchieren, kombinieren, bombardieren und eliminieren, um am Schluß ausgerechnet Mekka vor der Verblödung zu bewahren. Das liest sich recht flüssig und amüsant, am besten während eines Fluges oder einer Eisenbahnfahrt, ist aber genauso schnell wieder vergessen - zumal es Bear trotz einiger Seitenhiebe auf Paranoia, Unfähigkeit und Intrigen innerhalb der amerikanischen Behörden nicht schafft, sich vom nervenden Jubelpatriotimus zu lösen, der allzuvielen Werken dieses Genres innewohnt.

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Peter O´Donnell - Modesty Blaise: Ein Hauch von Tod

("A Taste for Death"; Unionsverlag/metro)


Welchen Leinwand-Bond Sie auch immer bevorzugen, Peter O´Donnells Schöpfung würde jeden der Herren in der selbstgeschnitzten Elfenbeinpfeife rauchen - und dabei auch noch teuflisch gut aussehen. Modesty Blaise war ursprünglich Hauptfigur eines Comic-Strips, eroberte gemeinsam mit ihrem Sidekick Willie Garvin rasch auch Kinosäle und Bücherregale und hat auch mehr als 40 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung 1962 nichts an Faszination eingebüßt - ebensowenig wie O´Donnells Romane um die Heldin.

In ihrem fünften Abenteuer verschlägt es die ehemalige Syndikats-Chefin samt Willie in die Sahara, wo die beiden nicht nur ein blindes Mädchen retten, sondern auch den bisher garstigsten Schurken ihrer Laufbahn das Handwerk legen müssen. Der Unionsverlag hat sich mit seinen Neuauflagen mindestens einen verführerischen Augenaufschlag der Blaise verdient, wenn nicht sogar einen sinnlichen Schlag ins Genick. Großartig - Konsumverweigerung kommt nicht in Frage. Und wenn Sie schon dabei sind, bestellen Sie auch gleich die genauso lesenswerten Vorgänger.

Die Chancen darauf, daß Ian Flemings Doppelnull in naher Zukunft auch auf der Leinwand Konkurrenz bekommt, stehen übrigens gar nicht so schlecht. Fragt sich nur, wer Modesty spielen soll ... (Wir hoffen auf Elisabeth Hurley, wären aber auch mit anderen Damen einverstanden - Hauptsache, es wird nicht die nutzlose Halle Berry). Und falls Sie beim nächsten DVD-Einkaufsbummel zufällig über Scott Spiegels "My Name Is Modesty" stolpern sollten, raten wir Ihnen ebenfalls dringend zum Kauf: Auf der Scheibe findet sich ein einstündiges Interview mit Peter O´Donnell.

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Michael Marshall - Engel des Todes

("The Lonely Dead"; Knaur)


Auch dieser Autor ist ein Umsteiger: Unter dem Namen Michael Marshall Smith veröffentlichte der Brite ein paar interessante SF-Romane (u. a. "Der sechste Klon"), bevor er sich dem Serienkiller/Verschwörungstheorie-Genre zuwandte. Der erste Band seiner "Straw Men"-Trilogie erschien auf deutsch unter dem Titel "Der zweite Schöpfer"; das vorliegende Buch ist - obwohl das eher schamhaft im Klappentext erwähnt wird - die direkte Fortsetzung. Und das ist auch genau das Problem: Wer den Vorgänger nicht gelesen hat, wird von diesem Roman eher verwirrt sein. Ward Hopkins, ehemaliger CIA-Agent, jagt hier - gemeinsam mit einem Detective auf Rachefeldzug - seinen mörderischen Bruder, der eine blutige Spur quer durch die Vereinigten Staaten hinterläßt und dem er sich diesmal in einer direkten Konfrontation stellen muß. Hinter all den Leichenbergen, Komplotten und Fallen steckt eine Geheimgesellschaft, die den amerikanischen Kontinent für sich beansprucht und jede Spur von Zivilisation oder Ordnung ausrotten will. Was im ersten Teil noch spannend und vielversprechend war, liest sich hier allerdings eher verwirrend und langatmig, als hätte Smith selbst Mühe, seine Handlungsstränge überzeugend zusammenzuführen. Das Ergebnis ist zwar immer noch besser als der normale Durchschnitts-Thriller, aber von Michael Marshall darf man ruhig mehr erwarten ...

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Tobias O. Meißner - Das vergessene Zepter

(Piper)


Wer sich nur schwer vorstellen kann, daß ein neues Subgenre wie "Öko-Fantasy" funktionieren kann, der hat nicht mit Tobias O. Meißner, einem der interessantesten deutschen Autoren fernab des Feuilleton-Literaturbetriebs, gerechnet. Sein Zyklus "Im Zeichen des Mammuts" liest sich auf erfreuliche Weise so, als hätten da ein paar Freunde im Zuge eines "Pen & Paper"-Rollenspiels eine überzeugende Welt und eine ebensolche Heldengruppe geschaffen - und dann Abenteuer ersonnen, in denen es um die Rettung ihres Phantasiekontinents vor Umweltproblemen geht. Natürlich spielen auch dabei wieder das Wirken böser Kräfte, alte und neue Rassen, Magie und Heldentaten wichtige Rollen, doch die einzelnen Mitglieder des Mammut-Geheimbunds bleiben trotzdem in jeder Zeile glaubhaft und werden nie zu übermenschlichen Charakteren. Gerade ihre liebevoll und realistisch geschilderten Alltagsprobleme sowie die Missionen, auf die das Mammut geht (im ersten Band sollen sie eine umweltverschmutzende Mine schließen; im zweiten ein Wal-Massensterben verhindern; im dritten die freundlichen Riesen vor der Ausrottung bewahren), machen Meißners Romane so sympathisch und sind ein exzellentes Gegengewicht zur Fantasy-Elfen-und-Drachen-Massenware, die einzig und allein auf die internationale Hausfrau abzielt.

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Marc Hempel - Gregory, Bd. 1: Ich, Gregory!

("Gregory"; Cross Cult)


Wozu noch auf Godot warten, wenn man auch den kleinen Gregory treffen kann? Der ist Insasse in einer Nervenheilanstalt, höchst schweigsam und ziemlich "mental herausgefordert". Unterhält er sich nicht gerade mit einer sprechenden Ratte, so widersteht er sämtlichen Therapieversuchen durch Gutmenschen und brabbelt fröhlich vor sich hin. Ein verrücktes Vergnügen.

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