Bret Easton Ellis - Lunar Park
Ø 1/2
Kiepenheuer & Witsch (Köln 2006)
Der Autor des eiskalten Yuppie-Killerromans "American Psycho" hat wieder einmal einen Roman geschrieben. Und das tut ihm wohl ganz furchtbar leid. Andreas Winterer auch. 15.02.2006
"Mit so einem Satz hatte ich nie eine Rezension anfangen wollen."
Aber der Rezensent hat es nun doch getan. Absichtlich, natürlich. Denn er, also ich, der ja nur ein mickriger Literaturkritiker war, wollte Easton Ellis nicht nur verreißen und auf diese Weise in der Sonne seines Ruhmes ein bißchen mitglänzen, sondern auch gleich formal zeigen, was an seinem Roman so mißlungen ist.
Ja, solcherart textverspielt knistert die käsige Kunst-Kruste, unter der man auf den ersten 50 Seiten von "Lunar Park" trotz wachsenden Mißtrauens noch eine saftige Lasagne vermutet. Denn es sind - trotz bemühter Textebenenspielereien - 50 gute Seiten, nach deren Lektüre der Rezensent eigentlich folgenden ersten Satz im Sinn hatte: "Der Mann ist ein Genie, das ist gar keine Frage."
Bret Easton Ellis liefert am Beginn seines neuen Romans einen kurzen Abriß seines Lebens als Schriftsteller, mit dem gewohnten Schmiß und ohne gestelzte Erfindungen, sofern man die eine oder andere Übertreibung oder Auslassung nicht zählt.
Fans kommen 50 Seiten lang auf ihre Kosten, und wer Ellis noch nicht kennt, erfährt alles über seinen Aufstieg ins Literatur-Bret-Pack. Wie er sich mit "Unter Null" einen Namen machte. Wie er ihn mit "Einfach unwiderstehlich" festigte. Dann mit "American Psycho" ordentlich abräumte und sich dabei in zahlreiche Nesseln setzte. Wie er dann eher lustlos die "Die Informanten" nachschob, danach nichts mehr zusammenbrachte und schließlich mit "Glamorama" reüssierte. Etc. pepe. Mit diesen 50 Seiten hätte Ellis eine nette Autobiographie geschrieben - ja, hätte, wenn er eine solche denn hätte schreiben wollen. Aber das schien selbst ihm mit seinen zarten 41 Jahren ein wenig verfrüht. 41, da blickt man noch nicht auf ein Leben zurück. 41, da kann man höchstens eine Midlife-Crisis haben.
Und davon gibt´s in "Lunar Park" reichlich. Geradezu gnadenlos füllt Ellis nach dem guten Einstieg weitere 400 Seiten mit müdem Geweine, Geschluchze und Geheule. Der erste Entwurf von "Lunar Park" war bestimmt mit Rotz und Tränen über sein ach so verpfuschtes Leben getränkt. Es muß seine Agentin gewesen sein, die ihn am Telefon beschworen hat: "Bitte, Bret, dieses Gejammer ist ja unerträglich! Kannst du das nicht ein bißchen aufpeppen? Weniger dröge, dafür mehr Drogen? Ein wenig 'American Psycho' reinmixen? Einen Schuß 'Glamorama'? Hast du nicht ein paar weggeworfene Kapitel von deinem alten College-Zeug, die du recyclen kannst?"
Bret Easton Ellis war schlau und hat auf seine Agentin gehört. (Das fabuliert nun wieder der Rezensent.) Anders ist nicht zu erklären, daß Patrick Bateman (im Buch erneut gespielt von Christian "Batman" Bale) ab und zu durchs Bild latscht. Postmoderne light, leider überwiegend lustlos. Bloße Staffage, ebenso wie die angebliche Auseinandersetzung mit der "Moral schriftstellerischer Erfindungen", die gewiß jede Spießer-Rezension eilfertig in "Lunar Park" hineininterpretieren wird. Denn jenen Kritikern, die sich bei "American Psycho" - aus Angst vor den Kollegen aus dem literarischen Establishment - noch vor einem "Wow!" gedrückt haben, wirft Ellis gnädig ein paar Message-Würmer hin, damit sie jetzt auch mal was zum Rauspicken haben. Dabei lacht er sich ins Fäustchen, aber leider nicht so, daß es für uns Leser amüsant wäre.
Also zurück zu Ellis, dem Helden von Ellis´ Roman und dem laut Ellis von seinen Rezensenten erfundenen Autor Ellis, der so ja gar nicht existiert. Nachdem der arme, nunmehr völlig dekonstruierte Autor sich mit ein paar Stephen-King-Romanen von seiner Schreibblockade erholt und plötzlich eine Vision von Spannungsliteratur hatte, muß ihm sein eigenes Gewimmer so furchtbar öde vorkommen sein, daß er sich dachte: "Hey, genau! Die Stephen-King-Masche! Ich wurste einfach ein paar Kinder rein, das gibt Emotionen, plus doppelten Vater-Sohn-Konflikt, natürlich postmodern ineinander gespiegelt, he he, und ein Spielzeugmonster muß her, au ja!, und dann lasse ich ab und zu die Lampen flackern, das ist ja sooooo gruselig, und stelle täglich die Möbel um (huch!), und am Ende ... äh..." - zufällig lief gerade "Polstergeist" in der Glotze – "... genau: Am Ende kommt - buh! - der Exorzist!"
Wie geht es denn nun weiter in dieser verfluchten Rezension? Vielleicht so: Seine Literaturagentin - eine Figur aus meiner Rezension von Ellis´ vielleicht lesenwertestem Roman "Teenage Pussy" - hat dann möglicherweise Bret angerufen (reine Spekulation!) und gesagt: "Bret, wirklich, 'Lunar Park' ist immer noch ein absolut unerträglicher Quark, und jetzt auch noch ein furchtbar wirrer! Was willst du eigentlich sagen?" Und Bret Easton Ellis wird geantwortet haben: "Alles, was ich sagen will, steht in meinen Romanen." ("Die Zeit"-Interview) "Ich bin kein besonders guter Schriftsteller. Ich bin auch nicht besonders ambitioniert." ("Neon"-Interview) "Ich hatte nie viele Ideen für Romane." (Amazon.com-Interview) Aber: "Ich klinge auf Deutsch sowieso immer viel klüger als auf Englisch." ("SZ"-Interview). Und "Alles, was ich bisher geschrieben habe, war echt." ("Stern"-Interview) Aber nachdem man mich, den wichtigsten US-amerikanischen Gegenwartsschriftsteller, jahrelang mit Hype gequält hat, wird mich die Presse nun mit hämischer Freude runterschreiben und "Lunar Park" als Mein Großes Scheitern handeln." (So ist es.) "Allen voran die mickrigen Literaturkritiker, die mich bloß verreißen, um auf diese Weise in der Sonne meines Ruhmes auch mal ein wenig mitglänzen zu dürfen." (Ja!) "Aber das macht gar nichts. Denn die Fans kaufen sich den Mist ohnehin. Und egal, wie sie es finden: Das nächste Buch werden sie auch kaufen. Denn da werde ich" - und darauf traut sich der Rezensent sogar zu wetten - "mit einem Knaller wie Phönix aus der Asche steigen! Versprochen!"
Eine wirre, verkunstete, langweilige Rezension? Der Autor dieser Zeilen rät passend dazu und ganz im Ernst: Sparen Sie sich dieses wirre, verkunstete, langweilige Buch! Bret Easton Ellis kombiniert lauwarme Satire mit inkompetentem Thriller, und das möglicherweise absichtlich. Er inszeniert wahrscheinlich bloß sein Scheitern, weil er auch mal einen fetten Flop in seiner Bio haben will. Also Finger weg! Warten Sie lieber aufs nächste. Oder lesen Sie was von Chuck Palahniuk, das ist nie verkehrt.
Bret Easton Ellis - Lunar Park
Ø 1/2
Kiepenheuer & Witsch (Köln 2006)
Das Ende war verführerisch nah, aber leider geht die Welt schon wieder nicht unter. Irgendwie mindestens teilbedauerlich. Eine Bestandsaufnahme mit tagebuchartigen Einsprengseln und völlig unbegründeten Hawaii-Erwähnungen.
Einsames Aufräumen ist das gemeinschaftliche Feiern unserer Zeit. Entsprechend miste auch ich ununterbrochen aus - Medien zum Beispiel, weil die sowieso verzichtbar sind. Vor allem Bücher werden völlig überschätzt.
Einige wenige Wohlgesonnene, es werden wöchentlich weniger, warten seit gefühlten Äonen auf diese neue Kolumne - und dabei wird es auch bleiben, und ich rate sowieso ab.
Immer wieder ist von junger Literatur die Rede, und wenn davon die Rede ist, dann nicht von uns. Und das ist nur einer der vielen Vorteile des Alters, über die unser gealterter Star-Kolumnist Sie heute informieren wird.
Wenn Sie nicht wissen, was "Social Media" oder "K2-18b" sind, dann können Sie eigentlich gleich aufhören zu lesen. Aber auch sonst raten wir wie immer von der Lektüre dieser irrelevanten Kolumne ab, in der es zwar heute mal um was geht, aber um nichts Wichtiges.
Immer wieder fallen uns Sprachzombies mit halbverrotteten Phrasen an. Zumindest dieser einen sollten wir einen Headshot verpassen.
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