Andi Appel - Keine Gnade: Die Blind Petition Story
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resonance Verlag (Ö 2014)
In seinem ersten Buch widmet sich Andi Appel den österreichischen Hardrockern von Blind Petition - und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. 17.10.2014
"A rolling stone gathers no moss." (Muddy Waters u. a.)
"LAUTER!" (Anonym)
Schlechte Nachrichten für Saitenvirtuosen, Gitarrenhexer, Soundtüftler und andere Elfenbeinturmwächter: Es geht auch anders - sehr viel anders.
Mit der nötigen räudigen Portion Dreck´n´Roll im Blut kann man durchaus seine Biographie geschrieben gekommen. Im vorliegenden Fall geht es um das Leben des Hannes "Fusel" Bartsch, den Chefmaschinisten der Wiener Hard-Rock-Institution Blind Petition. Verfaßt hat das erfreuliche Werk Andi Appel, kompetenter Szenekenner, Promoter, Metal-Fan, Clive-Barker-Leser, Sturm-Graz-Anhänger und - wie allgemein bekannt - kein Schönredner. Deswegen hat er sein erstes Buch auch gleich "Keine Gnade!" betitelt, und das ist mehr als gerechtfertigt.
Daß auf einem rollenden Stein kein Moos wächst, ist ein oft verwendetes Sinnbild in der Musik. Stellt sich die Frage: gut fürs Moos, weil das Wachstum begünstigt wird, oder schlecht für den Stein, weil ruhelos und unbeständig auf der Suche nach - im übertragenen Sinn - Verwurzelung?
Betrachtet man die Photographie, die Hannes Bartsch als Kind zeigt, also noch als "Fuselchen", so schimmert sie bereits durch, diese verbissene wilde Entschlossenheit, sich grundsätzlich um nichts und niemanden zu scheren. Eine zukünftige Grundkonstante ist hiermit bereits festgelegt. Die andere entwickelt sich nach gelungener Landflucht aus der großelterlichen Obhut in Niederösterreich nach Wien-Favoriten.
Bald genügt dem glühenden Stones-Fan das passive Konsumieren seiner geliebten Musik nicht mehr. Der Wunsch, selber ans Werk zu gehen, wird übermächtig und sollte bis zum heutigen Tag nicht oder nur sehr fragmentarisch abflauen. Blind Petition - in der Urversion Hannes Bartsch, Robert Suk, Michael Schor und Georg Martikan - erblicken 1974 das Licht einer nicht gerade freundlich gesinnten Welt. Im Oktober 1975 folgt der erste Gig, ein respektloser Pausenfüller, rein instrumental, für den Gesang hat der Mut dann doch nicht gereicht.
Völlig egal, da die an diesem Abend aufspielenden Barnies wie ihr höfliches Publikum einen garantierten Schaden fürs Leben hatten, was im Grunde Sinn und Zweck der Aktion war. Genug Motivation also für die obligatorischen nächsten Schritte: erste Single "Blind Petition/The Dealer" (1980), dann live spielen, wo auch immer sich eine Möglichkeit bietet, bekannter werden, immer größere Kreise ziehen - der Klassiker eben.
Autor Andi Appel beschreibt die folgenden Jahre und Jahrzehnte bis zum diesjährigen beachtlichen 40er-Jubiläum als wüst rumpelnde Fahrt in einer Art Hard-Rock-Geisterbahn, vorbei an Eisbärenkäfigen, Rausschmissen, nackten Putzfrauen, russischen Festivals inklusive mittelschwerem Abusus des Nationalgetränkes und seiner schmerzhaften Folgen. Dank seines mitreißenden und bewegenden Stils, der zur Geschichte paßt, wird die geneigte Leserschaft Zeugin einer der schwierigsten Unternehmungen in diesem unserem Universum: in Österreich harte Musik an den Mann bzw. die Frau bringen zu wollen.
Für Bartsch und Kollegen gibt es auch diesbezüglich keine Gnade. Gerade in dem Moment (wir sind mittlerweile in den Neunzigern des vergangenen Jahrtausends angekommen), als der internationale Erfolg zaghaft an die Bandtür zu klopfen beginnt, zerbrechen Blind Petition, rappeln sich wieder auf, stolpern, kämpfen sich weiter, kratzen, beißen und wollen nicht weichen. Gut so!
Vorläufiger Schlußpunkt dieser Chronik des Überleben-Wollens ist die kürzlich veröffentlichte CD "Law and Order Since 1974", die am 10. Mai dieses Jahres in der Szene Wien präsentiert wurde. Das zum Jubiläum erschienene Buch ist eine Chronik, in der alle, die sich mit österreichischer Musik der härteren Gangart beschäftigen, ihren speziellen Blind-Petition-Moment finden werden. Das sind nicht nur in vielerlei Hinsicht legendäre Gigs - wie der im Jahr des Herrn 1986 vor Iron Maiden, bei dem zuerst die Pyros hochgingen und dann der Strom ausfiel -, sondern auch das berüchtigte Hans-Krankl-Zitat kursiert in mindestens vier verschiedenen Versionen, von denen natürlich alle wahr sind.
Schwer zu sagen, ob für die Band und für Hannes Bartsch persönlich noch ein weiterer Vierziger möglich ist. Das wäre dann 2054. Und vielleicht spielen in der Pause ja die Barnies, wer weiß ...
Andi Appel - Keine Gnade: Die Blind Petition Story
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resonance Verlag (Ö 2014)
Den Schwebezustand zwischen Underground und größer werdendem Bekanntheitsgrad meistert die österreichische Metalband Black Inhale fast mühelos. Davon kann man sich am 7. Mai in der Szene Wien überzeugen.
Claudia Jusits ist zwar etwas aus der Übung, was Briefe an das Christkindl betrifft - beschwört den Geist der diesjährigen Weihnacht aber mit einigen Werken, die sie selbst geschenkt bekommen hat. Motto: gepflegter Kontrollverlust. Sollte ihr (und uns) das zu denken geben?
Nicht mehr ganz so böse Veteranen aus allen möglichen Metal-Spielarten, ein Ausflug in die Entstehungszeit des Rock´n´Roll sowie die Wiederkunft der UFOs und alten Götter - das alles und noch viel mehr erwartet Mutige, die sich in der finsteren Saison in den 11. Wiener Gemeindebezirk trauen.
Wer sich vom spröden Titel abschrecken lässt, begeht einen groben Fehler. Dieses Buch ist imstande, die Welt der eigenen Erfahrungen derart auf den Kopf zu stellen, daß selbst Ohrensausen zum Schellengeklingel einer bunten Narrenkappe wird.
In seinem ersten Buch widmet sich Andi Appel den österreichischen Hardrockern von Blind Petition - und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund.
Auch in diesem Thriller taucht das schmerzhaft-beliebte Thema der Entführung und des Mißbrauchs von Kindern auf. In den Medien ist zwar seit Jahren von nichts anderem mehr die Rede, doch die Autorin versucht sich an einer anderen Methode der Aufarbeitung - über den Umweg der Kunst und der wünschenswerterweise daraus resultierenden Katharsis.
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