Musik_Britten im Theater an der Wien/Berliner Philharmoniker im Berlin
Eine allzu laue Sommernacht
Die Berliner Philharmoniker zu hören ist immer ein Erlebnis - und ein aktuelles Konzert übertraf die Erwartungen des EVOLVER-Klassikexperten sogar noch. Enttäuschend war hingegen die Aufführung von Benjamin Brittens "A Midsummer Night´s Dream" an der Wien.
08.05.2018
Brittens Oper wurde 1960 in Großbritannien uraufgeführt. Die Handlung spielt ursprünglich in Athen und einem zugehörigen Wald. Daß Regisseur Damiano Michieletto "sehr frei" mit Shakespeares Werk hantierte, überrascht nicht wirklich. Bei ihm handelt das Werk im Turnsaal einer Schule - und die Schüler spielen die zentrale Rolle.
Hier ist Puck ein widerspenstiger Schüler, der (im Traum?) seine Eltern Oberon und Titania trifft und seine Schulkollegen mit dem Blütenstaub verzaubert. Als Nebenhandlung kommt ein Theater im Theater vor, wo die Aufführung im dritten Akt stattfindet.
Michieletto macht aus dem Stück trotz aller Befürchtungen eine recht interessante Geschichte. Vor allem die unmerklichen Veränderungen auf der Bühne überraschten immer wieder. Beleuchtung und Ausstattung waren genial, die im wahrsten Sinne des Wortes "traumhafte" Ausstattung erwies sich als das Atout der Aufführung. Auch die Videosequenzen wirkten beeindruckend, begeisternd und berührend zugleich - vor allem das Video am Ende, das den tödlichen Unfall von Pucks Eltern (Oberon und Titania) zeigt.
Weniger begeisternd war die Musik des britischen Komponisten. Trotz seines exzellenten und professionellen Kompositionsstils waren die ersten beiden Akte mehr als flau - um nicht zu sagen langweilig. Es handelt sich eher um eine Art "Harry Potter"-Stimmungsmusik ohne jede dramatische Linie. Erst im dritten Akt wurde die Angelegenheit lebendiger. Köstlich waren hier vor allem die Parodie auf die italienischen Königsdramen und die phänomenale Polyphonie des Komponisten.
Sowohl die Solisten als auch der Dirigent sind zu loben, ebenso wie die Wiener Symphoniker, in erster Linie die grandiosen Harfen und Schlagwerke. Nur leider gehört diese Oper eben nicht zu den besten Werken Brittens ...
Anläßlich einer Reise nach Berlin konnte der EVOLVER-Klassikexperte ein Konzert in der grandiosen Philharmonie der Stadt erleben. Das Konzerthaus, dessen Grundstein Herbert von Karajan selbst legte und das 1963 eröffnet wurde, ist im Arenastil angelegt. Das Konzertpodium des von Hans Scharoun geplanten Gebäudes befindet sich wie in einer Arena zentral in der Mitte. Daß die Akustik dort phänomenal ist, versteht sich von selbst.
An dem von Daniel Harding geleiteten Abend war ein reines Mozart-Programm zu hören, das erfreulicherweise auch die allzu selten gespielte c-moll Messe enthielt. Die Besetzung bestand aus einem Doppelchor und einem Solistenquartett. Neu für Mozart war hier die Doppelchörigkeit - auch bei den Solisten gab es statt der klassischen Sopran-/Altbesetzung ein Duo von zwei Sopranen. Tenor und Baß haben im Gegensatz zu den beiden Damen recht wenig zu singen. Das war sicher auch der Grund, warum man die Herren im ersten Teil intelligenterweise je eine Konzertarie intonieren ließ.
Harding, der phantastische Schwedische Rundfunkchor (sein vordem letzter Auftritt in der Philharmonie fand im Jahr 2000 statt!) und die vier brillanten Solisten konnten gemeinsam mit den exzellenten Berliner Philharmonikern eine Sternstunde bescheren.
In Wien könnte man froh sein, einen solchen Chor zu haben. Allein die Chorfugen in der Messe waren eine Reise wert. Schwierig zu sagen, wer bei den Solisten am besten war - bemerkenswert war vor allem Andrew Staples, dessen Stimme in den lyrischen Passagen berührend schön klang; bei den dramatischen Passagen könnte er allerdings noch mehr Durchschlagskraft haben. Lucy Crowe und Genia Kühmeier übertrafen einander in Sachen Klangschönheit und Ausdruck. Eine Geschichte für sich war das "Et Incarnatus est", aus dem Frau Crowe und die Herren Dufour (Flöte), Kelly (Oboe) und Schweigert (Fagott) ein Ereignis machten.
Wenn Harding bei seinem Dirigat vielleicht noch mehr Akzente gesetzt hätte, wäre der Abend in vieler Hinsicht unvergeßlich gewesen. Das ist aber Beckmesserei auf höchstem Niveau. Allein das Orchester in diesem Haus lohnt den Besuch; mit so einem Programm und solchen Künstlern begibt man sich überhaupt in allerhöchste Sphären.
Herbert Hiess
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