Musik_Mozart und Zeitgenossen
Musikalische Liebeswirren
Innerhalb weniger Tage hatte man im Theater an der Wien Gelegenheit, Mozart und zwei seiner Fast-Zeitgenossen zu hören. Ein genial musizierter und inszenierter "Figaro" sowie zwei konzertante Opern von Rameau und Hasse zeigten sehr deutlich, wer der wahre Meister war - und immer noch ist.
28.05.2015
Der Franzose Jean-Philippe Rameau und der deutsche Hofkomponist Johann Adolf Hasse waren Zeitgenossen und wirkten fast gleichzeitig mit Wolfgang Amadeus Mozart. Trotzdem könnten sie nicht unterschiedlicher sein: Während der Franzose sehr an der Ballett-Tradition hing, war der Deutsche für die italienisch orientierte Virtuosität zuständig.
Rameaus "Zaïs" aus seiner mittleren Schaffensperiode (uraufgeführt 1748) ist eigentlich keine Oper, sondern ein "heroisches Schäferspiel". Letztlich handelt es sich um eine eher verworrene und verwirrende Erzählung mit märchenhaften Einlagen, die inhaltlich etwas an Haydns Oratorium "Die Schöpfung" erinnert. Rameau leitet sein Werk wie Haydn mit einem "Chaos" ein, das sogar recht interessant komponiert ist. Im Verlauf des Prologs und der vier Akte schleicht sich dann immer mehr Ermüdung ein - nicht zuletzt auch wegen der Kompositionsart. Aufgebaut ist das Werk hauptsächlich auf Rezitativen, Tanzszenen und verhältnismäßig wenigen durchkomponierten Musikstücken. Da geraten die auch stellenweise schön gesetzten Stellen (grandios die Flöten und Geigen, die den Vogelgesang imitierten) leider zu sehr ins Hintertreffen.
Exzellent war an diesem Abend das Orchester Les Talens Lyriques und der Choeur de Chambre de Namur unter Christophe Rousset. Jules, der Sohn Christoph Prégardiens, sang die Hauptrolle mit einer wunderschönen Stimme, wobei gewisse Verzierungen vielleicht noch besser hätten gelingen können. Sandrine Piau war seine weibliche Gefährtin, die mit ihrer silbrigen Stimme brillierte, aber leider sehr wortundeutlich sang.
Alles in allem war es eine interessante Produktion - doch ob man die für Herbst 2015 angekündigte CD wirklich haben muß, bleibt offen. Offenbar wird das ein Tonträger für eingefleischte Fans.
Eine Promotour für eine bereits erschienene CD war die konzertante Aufführung von Johann Adolph Hasses Oper "Siroe". In fast identischer Besetzung wie auf der Aufnahme spielte das griechische Barockensemble Armonia Ateneau unter George Petrou. Bei den Sängerinnen triumphierten Julia Lezhneva und die junge Amerikanerin Lauren Snouffer, bei den Herren vor allem der Tenor Juan Sancho und der Counter von Max Emanuel Cencic.
Aus der Bio von Hasse kann man erfahren, daß er ein geschickter Stratege und beinahe schon Opportunist war. Die Liaison mit der italienischen Primadonna Fausta Bordoni war seine Eintrittskarte in die italienische Opernwelt und öffnete ihm vor allem die Türen bis ins sächsische Königshaus, wo er schließlich Hofkomponist wurde.
Sein Karriereweg ist letztlich egal; Hasse war ein großer Komponist, auch wenn beispielsweise seine Musik zur Oper "Siroe" kein bißchen die Handlung von Intrige, Liebe und Haß auch nur ansatzweise widerspiegelt. Hier wird die Musik nur zur Selbstdarstellung der Sänger verwendet. Nicht nur die bereits genannten Künstler begeisterten an diesem Abend, auch Orchester und Dirigent überzeugten - obwohl sie mit den Sängern nicht immer mithalten konnten. Begeisterungswürdig war dafür die Continuo-Gruppe (Laute, zwei Cembali und Cello), die den oft so trägen Rezitativen tatsächlich Leben einhauchte.
Zur szenischen Produktion des Jahres müßte man Mozarts "Le Nozze di Figaro" ernennen, die der als Dokumentarfilmer bekannte Grazer Felix Breisach inszenierte. In einer psychiatrischen Klinik wird die Oper "Figaro" als Therapie für die Patienten angesetzt, wobei der Graf den Psychiater gibt.
Es war großartig, wie Breisach das komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen den handelnden Personen auflöste und jeder mitspielenden Person ihren eigenen Charakter verlieh (beispielsweise den Choristen im dritten Akt, die als Zwangsneurotiker auftraten). Breisach teilte dem Publikum auf sehr subtile Art mit, wie zeitlos und ortsunabhängig Beaumarchais´ Vorlage in ein Opernlibretto umsetzbar ist.
Eine Regie in Worten zu beschreiben, ist nicht nur schwierig, sondern auch sinnlos. Trotzdem muß man vor allem die szenische Lösung von Cherubinos Canzonetta im zweiten Akt loben, als die vier Damen der Oper in der Bühnenmitte einen Kreis bildeten, sich zur Musik drehten und immer zu einem anderen Partner wechselten. Ebenso beeindruckend war der pseudo-versöhnliche Schluß (wie in "Così fan Tutte"), der letztlich nur noch den endgültigen Bruch zwischen Graf und Gräfin demonstrierte.
Beispiellos gut spielte auch das Orchester Les Musiciens de Louvre unter Marc Minkowski auf. Mit einem Sängerensemble, in dem alle auf gleichem Spitzenniveau waren, brachten die Künstler einen Abend auf Festspielniveau.
Hier wurde dank eines begabten Regisseurs und eines ebensolchen Dirigenten Mozarts Meisterwerk, an dem sich schon viel zu viele versucht haben, wieder auf diskussionswürdigem Niveau gebracht. Diese Produktion war und ist ein großer Glücksfall für das Theater an der Wien.
Herbert Hiess
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