Musik_Königsdrama von Donizetti und Neuentdeckungen
Englische Frauenpower
Mit "Maria Stuarda" setzte das Theater an der Wien seine bis jetzt erfolgreiche Saison fort und begeisterte damit alle Belcanto-Fans. Die Oper "Giulietta e Romeo" des Mozart-Zeitgenossen Zingarelli war wiederum ein Fest für Countertenor-Anbeter - und nicht zuletzt konnte man im Stammhaus der Wiener Sängerknaben das Grafenegger Auftragswerk "Carmina Austriaca" wieder hören.
12.02.2018
Neben "Anna Bolena" ist "Maria Stuarda" eines der beiden großen Tudor-Dramen des italienischen Komponisten Gaetano Donizetti. Das Werk war zuletzt 1996 an der Wiener Staatsoper (Produktion von 1985) immer hochkarätig besetzt zu sehen. Gut, daß das Haus an der Wien sich dieser Oper wieder annahm ...
Die Protagonistinnen sind Maria Stuart, Königin von Schottland, und ihre (Halb-)Schwester Elisabeth, Königin von England sowie Tochter von Heinrich VIII. und Anne Boleyn. Nach allerlei Intrigen, Gerüchten, Liebes- und Eifersuchtswirren wird Maria letztlich von ihrer Schwester Elisabeth zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Donizetti packte dieses Drama in mitreißende und hochvirtuose Melodien, wobei hier natürlich die beiden Damen die ganze Oper dominieren. Und niemand macht das heute besser als die unglaublich vielseitige Marlies Petersen als Maria und Alexandra Deshorties als Elisabeth. Deshorties war übrigens schon 2017 als "Elisabetta" in Rossinis gleichnamiger Oper im Theater an der Wien zu sehen und zu hören. Es war famos, wie die Sängerinnen einander zu Höchstleistungen motivierten. Deshorties als unglücklich liebende und eifersüchtige Elisabeth und Petersen als impulsive und zunehmend zerbrechende Maria machten aus der Aufführung ein betörendes Belcantofest. Sehr gut war auch Norman Reinhardt als tenoraler Leicester und exzellent der Wiener Stefan Cerny als Talbot mit seinem profunden Baß. Cerny empfiehlt sich auch hier wieder einmal für große Rollen für "schwarze Bässe".
Nach dem Motto "Weniger ist mehr" gestaltete das Team Christof Loy und Katrin Lea Tag die Bühne, die von einer überdimensionalen und fast dauernd in Bewegung befindlichen Drehscheibe (leider manchmal von lauten Geräuschen begleitet) ausgefüllt wurde. Interessant war der Ansatz, daß im ersten Akt die Darsteller in historisierenden Kostümen und im zweiten dann (warum auch immer) in zeitgenössischen zu sehen waren. Egal - Personenführung und Darstellung waren stets schlüssig, mitreißend und sinnvoll. Regiemäßig darf die Aufführung als Geniestreich gelten.
Musikalisch wurde die Oper vom ORF-Orchester und dem Schoenberg-Chor unter Paolo Arrivabeni begleitet. Während das Orchester bei der Wagner-Trilogie brillierte, war es hier bei der Dernière offenbar etwas müde. Irgendwie fehlte Arrivabeni auch der zündende Funke, der das Orchester vielleicht hätte mitreißen können. Die Buh-Rufe beim Schlußvorhang waren dennoch etwas überzogen und ungerecht. Trotz allem war "Maria Stuarda" nämlich eine phantastische und geniale Produktion - und leider nach nur sechs Aufführungen schon wieder vorbei.
Niccolò Antonio Zingarelli war ein Zeitgenosse Mozarts und ist Musikfreunden leider weitgehend unbekannt. Seine Vertonung des Shakespeare-Dramas "Romeo und Julia" ist insofern interessant, als sie mit den zwei Counter-Partien einen Rückblick auf die barocke Kastratentradition und andererseits mit einer Art "Mozart-Stil" (kaum Wiederholungen in den Arien, flüssiger Komponierstil) einen Blick in die damalige Zeit gewährt. Angeblich komponierte Zingarelli die Oper "Giuletta e Romeo" in kürzester Zeit (nur acht Tage!); heute wird sie wegen der schwierig zu besetzenden Partien nur selten aufgeführt. Die Kompositionsweise ist vielleicht mehr gefällig als tiefgehend. Oft hat man den Eindruck, daß der Komponist sich eher an die "Verkaufbarkeit" als an den Inhalt des Librettos hielt - gegenwärtig würde man das vielleicht als "Kommerzmusik" bezeichnen.
Dem Countertenor Max Emanuel Cencic ist es zu verdanken, daß man das Werk im Theater an der Wien wieder hören konnte. In einer konzertanten Aufführung brillierte ein hervorragendes Sängerensemble auf der offenen "Maria Stuarda"-Bühne. Dem Schicksal und dem Grippevirus war es zuzuschreiben, daß gerade der Initiator der Produktion bei dem Konzert nicht auftreten konnte; der hervorragende Russe Yuriy Mynenko rettete die Aufführung aber bravourös. Neben ihm waren unter anderem Ann Hallenberg und Daniel Behle ebenbürtige Protagonisten. Der gern gesehene Gast George Petrou und sein Ensemble Anima Atenea fungierten als souveräne Begleiter.
In Grafenegg konnte man 2016 ein Auftragswerk namens "Carmina Austriaca" erleben, das von den Komponisten Michael Korth und Gerald Wirth, dem künstlerischen Leiter der Wiener Sängerknaben, verfaßt wurde. Als eine Art Reminiszenz an die Orffschen "Carmina Burana" vertonten die beiden mittelalterliche Texte für Orchester, Solisten, Chor und Kinderchor. Im "Muth", der Heimstätte der Sängerknaben, dirigierte - im Gegensatz zu Grafenegg - der Komponist selbst und bewies, daß diese "Carmina" eigentlich öfter zu hören und sehen sein sollten. Neben den hervorragenden Musikern begeisterten die Tanzgruppe Das Collectif und die Solisten (allen voran Michael Schade). Es waren äußerst kurzweilige zwei Stunden - und Chapeau, wie grandios die Sängerknaben und der Chor Juventus für das extrem schwierige Stück vorbereitet waren!
Herbert Hiess
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