Musik_"Holländer" mit Minkowski
Wagner im Originalklangrausch
Auch die dritte szenische Produktion der Saison 2015/2016 im Theater an der Wien war eine Meisterleistung. Mit dem "Fliegenden Holländer" wurde Wagner endlich wieder für das Haus am Naschmarkt salonfähig gemacht. Andererseits wurde aber auch die ziemlich unnötige konzertante Aufführung einer zu Recht unbedeutenden Barockoper gegeben ...
25.11.2015
Wenn René Jacobs, Spezialist für alte Musik und ehemaliger Countertenor, das Dirigentenpodium betritt, ist meist Feiertagsstimmung angesagt. Das hätte auch bei der konzertanten Aufführung von Francesco Contis "Don Chisciotte" so sein können, wäre nicht ein derart sperriges Werk auf dem Programm gestanden.
Francesco Bartolomeo Conti wurde 1681 in Florenz geboren und starb 1732 in Wien; er war unter anderem ein Zeitgenosse von Georg Philipp Telemann. Contis "Chisciotte" ist eine Persiflage auf Cervantes "Don Quijote" und soll den Ritter von der "traurigen Gestalt" zeigen - nur daß hier ein verarmter Landjunker im Zentrum des Stücks steht, der von Rittererzählungen träumt. Conti vertonte diese Geschichte musikalisch und technisch sehr geschickt, wobei leider die Rezitative allzusehr dominierten. Bei einer szenischen Aufführung kann das durch eine gute Inszenierung beeindrucken; in einer konzertanten wirkt es einfach nur lähmend - auch wenn die Darsteller versuchten, ihre Rezitative mit spielerischen Einlagen zu würzen.
Musikalisch war die Produktion natürlich hervorragend, allen voran René Jacobs und das belgische Ensemble B´rock Orchestra. In Sachen Gesangsleistung beeindruckten in erster Linie die Herren, allen voran Stéphane Degout als Chisciotte und Marcos Fink als Sancho Pansa.
Vielleicht kann man die Ausführenden einmal bei einem anderen Werk "zu Wort kommen" lassen; solche großartigen Musiker hat man selten auf einer Bühne beisammen.
Eine Meisterleistung (sowohl szenisch als auch musikalisch) war die Produktion von Richard Wagners "Der Fliegende Holländer" in der Urfassung von 1841 (also ohne "Erlösungsmotiv" und "Erlösungsschluß"). Der vielseitige Originalklangspezialist Marc Minkowski zauberte mit seinen hervorragenden Musiciens de Louvre einen gut zweistündigen edlen Klangteppich. Der Vorteil im Theater an der Wien ist die geringe Größe des Hauses; wahrscheinlich hätte das Originalklangorchester in einem "großen" Opernhaus nicht das notwendige Klangvolumen. Durch die großartige Akustik und das reduzierte Klangvolumen des Orchsters wurden die Sänger hier jedoch nie zum Forcieren genötigt.
Regisseur Olivier Py setzte die Handlung in eine (alp-)träumerische Szenerie, wobei man nie wissen kann und soll, ob sich das Gespielte für die handelnden Personen in der Realität oder in der Traumwelt abspielt. Es war erstaunlich, wie mit kleinen Effekten eine beeindruckende und berührende Szenerie geschaffen wurde.
Auch die Sänger waren beeindruckend, vom Bayreuther "Holländer" Samuel Youn und der hochdramatischen Senta von Ingela Brimberg über Lars Woldt als sonorer Donald (Daland) bis hin zu Bernard Richter als wunderschön singender und phrasierender Georg (Erik).
Solche Wagner-Sternstunden könnte man in Wien öfters vertragen. Diese großartige Produktion sollte eigentlich wiederholt werden und als Startschuß für mehr Wagner-Abenteuer an der Wien dienen.
Herbert Hiess
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