Musik_Neues vom Klassik-Markt

Klassische Frühlingsblüte

Im Frühling blühen nicht nur Bäume, sondern auch die Neuerscheinungen in den Tonträgerkatalogen. Heuer beglücken die Plattenfirmen nicht mit belanglosen Kompilationen, sondern bieten dem anspruchsvollen Musikfreund zwei ganz besondere Opernproduktionen sowie zwei herausragende Konzert-CDs an.    25.04.2012

Unser Überblick beginnt mit einem Schmankerl, das die Styriarte in Eigenregie herausbringt. In der Reihe "Styriarte - Festival Edition" erschien ein Mitschnitt der vorjährigen, sensationellen Produktion von Smetanas Oper "Die verkaufte Braut".

Über den künstlerischen Part wurde bereits alles in unserer Live-Rezension berichtet; klang- und aufmachungstechnisch sind die drei Audio-CDs und die DVD aber ebenfalls eine Sensation. Auf der CD sind die stimmlichen Schwächen des Hans - gesungen von Kurt Streit - allzu gut hörbar, was aber dem Gesamteindruck keinerlei Abbruch tut. Dank der restlichen Besetzung (allen voran Dorothea Röschmann als Marie) und vor allem der faszinierenden Leitung von Nikolaus Harnoncourt wurde die Sternstunden-Stimmung bestens eingefangen.

Auf der beigefügten DVD kann man die großartige Inszenierung miterleben und darüber staunen, wie bei Philipp Harnoncourt "halbszenisch" oft beeindruckender wirkt als so manche "vollwertige" Aufführung in einem großen Opernhaus. Harnoncourts bekannter Humor offenbart sich wieder einmal im Proben-Feature auf der DVD.

Nicht nur der Tonträger und die DVD sind technisch auf höchstem Niveau, auch das Buch und das Libretto sind liebevoll hergestellt. Alles in allem ist diese Zusammenstellung also für Harnoncourt- und Smetana-Fans ein Muß - vor allem, wenn sie 2011 nicht live dabeisein konnten.

Ebenso genial ist der Live-Mitschnitt von Mozarts "Don Giovanni" aus Aix-en Provence (1999).

In einer Neuauflage beweist das Ensemble um den Dirgenten Daniel Harding, wie man die einzigartige Musik von Mozarts "Dramma Giocoso" spannend und faszinierend präsentieren kann. Peter Mattei als Giovann und vor allem der beeindruckende Tenor Mark Padmores (Ottavio) überzeugen völlig.

Im Konzertbereich gibt es eine seltene Wiederbegegnung - nämlich mit Claudio Abbado. Mit der deutschen Stargeigerin Isabelle Faust und dem großartigen Orchestra Mozart zelebriert der schwerkranke italienische Maestro die Violinkonzerte von Alban Berg und Ludwig van Beethoven.

Die Gegenüberstellung eines spätromantisch-modernen Werks mit einem klassischen "Hit" gelingt sehr beeindruckend. Im Beethoven-Konzert spielt Isabelle Faust die Kadenz im ersten Satz im Duett mit der Pauke (was dem Klanggebilde einen besonderen Reiz gibt). Alban Bergs Violinkonzert ("Dem Andenken eines Engels") ist ein Trauergesang an seine zu früh verstorbene Geliebte Manon Gropius, die Tochter von Alma Mahler. Berg springt in dem Werk zwischen Zwölftontechnik und tonaler Komposition hin und her. Außerdem verarbeitete er im ersten Satz eine Kärntner Volksweise und im zweiten Satz einen protestantischen Choral. Faust und Abbado zelebrieren beide Konzerte aufs Schönste.

Der mehr als umtriebige Daniel Barenboim führte in Berlin mit seiner Staatskapelle Berlin die großen Bruckner-Symphonien (4-9) auf, die er zu den Wiener Festwochen 2012 auch im Musikverein bringen wird.

Rechtzeitig zu den Konzerten ist als Einstand der Live-Mitschnitt der 7. Symphonie in E-Dur erschienen, wobei der Dirigent hier die Originalversion verwendete (die aber nicht wirklich große Unterschiede zu den anderen Versionen aufweist). Obwohl der Dirigent an chronischer Überbeschäftigung "leidet", ist diese Aufnahme überraschend rund und geschlossen geworden. Zwar kein großer Wurf, wie jene von Karajan oder Giulini - aber durchaus eine empfehlenswerte Sache!

Herbert Hiess