Musik_Grafenegg: Lorin Maazel, Daniele Gatti & Esa-Pekka Salonen
Finale bei bestem Wetter
Die Saison 2013 schloß in Grafenegg exzellent mit Lorin Maazel und Daniele Gatti und leider nur mittelmäßig mit Esa-Pekka Salonen. Wettermäßig standen die Konzerte unter einem guten Stern; von den besuchten Veranstaltungen wurde nur eine ins Auditorium verlegt. Ob es 2014 regnen wird, kann man leider nicht voraussagen - doch daß es auch nächstes Jahr künstlerische Sternstunden geben wird, ist schon so gut wie sicher.
23.09.2013
Es stand hart an der Kippe: Loorin Maazels Konzert mit den Wiener Philharmonikern in Grafenegg drohte der Abbruch. Starker Wind und etwas Regen stellten die Künstler vor harte Herausforderungen. Doch das schlechtwettererprobte Orchester (siehe Schönbrunn), die Solisten und der Dirigent stellten sich der Herausforderung - und zauberten mit dem ersten Akt von Wagners Oper "Die Walküre" ein Kunsterlebnis der besonderen Art. Mit Wehmut mußte man feststellen, wie sehr man den Maestro in Wien als Operndirigent vermißt. Maazel überzeugte auf gewohnte Weise mit unvergleichlicher Klarheit, Brillanz und dennoch viel Emotion. Selten noch hat man in Siegmunds "Siegmund heiß´ ich, Siegmund bin ich" so klar jede Orchesterstimme gehört. Schade, daß Peter Seiffert als Siegmund so eindimensional sang; es gab nie ein echtes Pianissimo, und man hatte das Gefühl, er wollte sich all seine Kräfte für die "Wälsung"-Rufe im Schwertmonolog sparen. Umso mehr bestachen Eva-Maria Westbroek als Sieglinde und Matti Salminen als Hunding.
Die Belfasterin Westbroek setzte trotz der Wetterlage ihren wunderschönen Sopran mit allen Facetten ein; sie sang souverän ein extremes Pianissimo genauso wie ein Fortissimo. Kein Wunder, daß Thielemann sie 2015 als Isolde für Bayreuth will ...
Wagners musikalisches Geschenk an seine Cosima, das "Siegfried-Idyll", ist ein zu Unrecht geschmähtes Werk. In Kammermusikbesetzung verpackte der große Kompononist in 20 Minuten die wichtigsten Motive aus seiner Oper "Siegfried" darin. Maazel und die Philharmoniker servierten in Grafenegg Wagners Musik in berauschender Qualität.
Sogar mehr als berauschend war der Auftritt des Amsterdamer Concertgebouw-Orchesters unter Daniele Gatti. Bei herrlichem Wetter spielten die Musiker Mahlers todesnahe Symphonie Nr. 9 in D-Dur. Das Amsterdamer Orchester hat eine berühmte Mahler-Tradition; es spielte die Symphonien des österreichischen Komponisten unter den besten Dirigenten wie Leonard Bernstein, Bernard Haitink, Mariss Jansons. Den Italiener Gatti kann man dieser Reihe getrost hinzufügen. In bewährter Weise setzte er auf Transparenz und Emotion, was ihm bei diesem schwierigen Werk grandios gelang. Trotz der gewaltigen Orchesterformation hörte man jede Stimme und jede Nuance. Daniele Gatti sollte genauso wie Gergiev und Dutoit einen Fixplatz bei den Grafenegger Konzerten haben!
Äußerst schenant waren übrigens einige Publikumsmitglieder, die sofort nach dem Konzert ihre Plätze verließen und selbstverständlich vor dem Podium vorbeidefilierten, während sich der Dirigent und das Orchester für den Riesenapplaus bedankten. Natürlich hätten diese Leute auch die hinteren Ausgänge benützen können - aber wahrscheinlich scheiterten sie an der zu großen geistigen Herausforderung.
Beim letzten besuchten Konzert der Saison enttäuschten leider das Philharmonia Orchestra London und noch mehr der Dirigent Esa-Pekka Salonen. Noch im Mai dirigierte Salonen Beethoven mit den Wiener Philharmonikern ganz hervorragend; schade, daß ihm die "Eroica" hier in Grafenegg völlig mißlang. Gerade diese Symphonie konnte man in Wien und Salzburg mit den besten Orchestern hören, deswegen ist es extrem schwierig, an diese Vorbilder anzuknüpfen. Das Orchester spielte leider spannungsarm und seltsam unpräzise. Schade um diese verpatzte Chance.
Vor Beethovens "Eroica" konnte man ein Werk von Brett Dean, dem "Composer in Residence 2013" hören. Das Stück hieß "Testament" (Musik für Orchester) und sollte eine Hommage an Beethoven sein. Außer ein paar Zitaten hörte man aber leider nichts von dem deutsch-österreichischen Komponisten. Dann spielte die hervorragende Geigerin Janine Jansen Prokofjews ebenso bekanntes wie bezauberndes 2. Violinkonzert in g-moll - und den schönsten Tönen. Traurig, daß im "Andante assi" das Orchester so unpräzise war: Die Klarinetten, die die Töne wie leichte Regentropfen fallen lassen sollten, klangen immer auseinander.
Jansen bedankte sich mit einer Chaconne von Johann Sebastian Bach als Zugabe (die leider durch etwas Fluglärm einer Privatmaschine gestört wurde) und erwies sich auch da als großartige Musikerin. Vielleicht sollte die Intendanz sich bezüglich der Flugzeiten und -routen mit dem nahen Flughafen Gneixendorf abstimmen, um solche Störungen in Zukunft zu vermeiden.
Ansonsten kann man sich nur auf 2014 freuen und gespannt den Konzerten des nächsten Sommers entgegenfiebern.
Herbert Hiess
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