Musik_Die Fledermaus
A b’soffene G’schicht
Das Theater an der Wien scheint kein Glück mit dieser Operette zu haben. Schon die Uraufführung wurde mehrfach verschoben; 1999 war die Regie dann ziemlich eigenartig - und heuer setzte Philipp Himmelmann das Stück mit deutscher Gründlichkeit vollends in den Sand.
Herbert Hiess berichtet von einem szenischen Desaster.
23.07.2010
Offenbar hat es sich unter zeitgeistigen Regisseuren herumgesprochen, daß die "Fledermaus" eine Spielwiese ist, auf der man nach Belieben drauflosinterpretieren und historische Kontextmanöver veranstalten kann. Daß Johann Strauß vielleicht "nur" ein Unterhaltungstheater schaffen wollte, dürfte diesen Leuten mehr als egal sein. So leider auch dieses Mal im Theater an der Wien: Da wurde nicht nur die Chance für eine mustergültige Regie vertan, nein, man verunstaltete die Meisteroperette auch noch zu einer üblen Parodie ihrer selbst. Und im Programmheft wurde versucht, mit mehr oder weniger intelligenten Beiträgen zu den diversen Wirtschaftskrisen usw. dieses regiemäßige Nicht-Konzept zu rechtfertigen.
Was in Wirklichkeit auf der Bühne übrigbleibt, ist eine Idioten-Show, die an eine versoffene und bekiffte "Seitenblicke"-Gesellschaft erinnert. Keine Spur von einem Bezug zwischen Endzeitstimmung und Wirtschaftskrise - wie im Programmheft herbeigeredet -, zumal die präsentierte "Dekadenz" überall vorkommen kann.
Bei den szenischen Abschnitten fällt allenfalls auf, daß Regisseur Philipp Himmelmann mit der Musik nichts anfangen kann. Wenn man unter Personenführung versteht, daß sich Menschen in Krämpfen auf dem Boden wälzen, dann ist ihm das bestens gelungen. Anscheinend hat es der Deutsche sowieso nur auf billigen Aktionismus abgesehen. Ein Beispiel von vielen: das lächerliche Finale des zweiten Aktes. Beim berühmten "Du und Du" schwebt eine Disco-Kugel herunter, auf die der Dr. Falke klettert und von dort musikalisch den Ton angibt; die illustre Gesellschaft bewegt sich dazu in Dance-Manier (klarerweise gegen die Musik). Leider ist das nicht einmal neu, denn ähnlich hat es schon Peter Sellars vor zwanzig Jahren beim "Don Giovanni" umgesetzt - nur eben um vieles besser und faszinierender.
Wenigstens die musikalische Seite konnte beeindrucken; gemeint sind hier fast alle Herrenstimmen sowie Orchester und Dirigent. Cornelius Meister, der neue Chef des ORF-Orchesters, feierte musikalisch einen großartigen Einstand; er versteht sich wunderbar auf Klangfarben, Schattierungen und Nuancen. Arbeiten sollte er allerdings noch an einer besseren Koordination mit den Sängern und der Bühne überhaupt: Bei der besuchten Vorstellung drifteten Chor und Orchester im Finale des zweiten Aktes bedenklich auseinander.
Gesanglich bewegten sich die Herren auf Weltklasseniveau - abgesehen vom Falsett des Jacek Laszczkowski (warum man den Orlofsky mit einer häßlich klingenden Herrenstimme besetzen muß, ist eigentlich unklar). Kurt Streit jedenfalls führte als Gabriel Eisenstein das ganze Ensemble mit seiner exzellenten Spielkunst und seiner großartigen Stimme an; Florian Boesch (früher Bösch) als Dr. Falke, Markus Butter als Gefängnisdirektor Frank und vor allem Rainer Trost als schleimiger Alfred vervollständigten die hochklassige Besetzung.
Weniger berühmt waren die Damen Nicola Beller Carbone als Rosalinde und Juanita Lascarro als Adele. Während Carbone noch stellenweise große Momente hatte, war Lascarro doch mehr als überfordert mit ihrer Rolle. Weniger vom Wiener Idiom, das sowieso niemand von ihr erwartet hatte, sondern vielmehr von ihren sogenannten Koloraturen, ganz besonders bei der Arie von der "Unschuld vom Lande" im dritten Akt: Hier waren richtige Noten schon Zufallstreffer.
Fazit dieser Premiere: im großen und ganzen unnötig. Zwar konnten wenigstens die Herren und das Orchester samt Dirigent die Aufführung einigermaßen retten. Doch hier kann man nicht einmal sagen "über Schwachstellen hinweg"; diese Produktion ist eine einzige Schwachstelle.
Herbert Hiess
Kommentare_