Musik_Daft Punk - Tron

Behind the Mask

"Wir sind keine Popstars", verkündeten Daft Punk vor über zehn Jahren - und setzten sich Masken auf, um nicht sich, sondern ihre Musik in den Vordergrund zu stellen. Damit erreichten sie erwartungsgemäß genau das Gegenteil.
Mathias Kilian Hanf über die Neubelebung der Pop-Mystik und das imposante neue Album der Roboterfranzosen.    31.12.2010

Im Universum des Pop gilt eine Regel seit Bestehen: Sobald sich jemand eine Maske aufsetzt, will man wissen, wer sich dahinter verbirgt. Bei Batman war das so, bei Darth Vader auch. Und diese Mystik der Anonymität, das Geheimnisvolle, das möchte doch stets entschlüsselt werden.

 

Mit Pop-Hypes ist es bekanntlich so, daß sie nur von kurzer Dauer sind. Nicht jedoch die Maskerade: Die funktioniert zyklisch - erst The Residents, dann Detroits Underground Resistance, MF Doom und Sido; dem mittlerweile normalisierten Burial folgte Sbtrkt, und schließlich die bizarr-schleierhaften Inszenierungen einer Lady Gaga.

Und natürlich reihen sich hier auch Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo mit ein, die sich bei ihren Auftritten stets unter eigens konstruierten Helmen verstecken und sich damit als futuristische Elektro-Roboter in Szene setzen. Ihr Kostümfest macht die beiden Franzosen - ob sie es nun wollen oder nicht - zu Popstars.

Vor allem die Alben "Homework" und "Discovery" lieferten zwischen den glitzernden Clubwelten von Paris, New York und Tokyo ein Abbild moderner Tanzmusik. Mit ihrer Maskerade, Audiofiltern und der nervösen Snaredrum hatten sie diese zur grellen Erlebniswelt hochstilisiert, mit genial verwandelten Samples und erfolgreichem Self-Management - und dabei doch nie den Boden unter den Füßen verloren.

 

Daft Punks neues Werk, ein mit klassischem Orchester eingespielter Soundtrack zum Film Tron Legacy, belebt die Pop-Mystik nun auf neue Weise. In einem Zeitalter, in dem Pop hauptsächlich über die visuelle Komponente funktioniert, ist das selten.

"Deinem Sampler ist egal, wie du aussiehst", schrieb der Musiktheoretiker Kodwo Eshun einmal. Daft Punk haben das erkannt und inszenieren ihre futuristische Maskerade neu, als atmosphärisches Klangwerk. Die Musik auf dem Soundtrack ist das Geheimnisvolle, das wir erforschen möchten.

Sie erinnert - abgesehen von der Auskopplung "Derezzed" - kaum noch an die aufgeladene Dancefloor-Effekthascherei der letzten Alben. In Kombination mit dem 90köpfigen Orchester klingen die sonst so übersteuerten Synthesizer erstaunlich zurückhaltend, aber dennoch kraftvoll und eindringlich. Genial, wie sich hier zum Beispiel im Finale Klassik und Elektronik in all ihrer Dynamik abwechseln.

 

Dieses gelungene Zusammenspiel läßt im Kopf des Zuhörers Bilder entstehen, die geradewegs aus der futuristischen Welt des solcherart untermalten Filmes stammen könnten.

Daft Punk mögen nicht ganz an Vangelis heranreichen, die mit dem Soundtrack zu Blade Runner ihr Meisterwerk schufen. Dafür setzen die Franzosen auf diesem Album ihren Pop-Mystizismus auf höchst eindrucksvolle Weise um: in den Köpfen des Auditoriums.

Der maskierte Cameo-Auftritt im Film wäre gar nicht nötig gewesen. Aber er erinnert uns daran, was sie ja immer noch sind: Popstars.

Mathias Kilian Hanf

Daft Punk: Tron

ØØØØ

Leserbewertung: (bewerten)

EMI (2010)

Links:

Kommentare_

Alex De - 06.01.2011 : 22.06
Guter Beitrag, auch wenn ich mit ein paar Namen gar nichts anfangen kann - aber Daft Punk sind schon ok. Aber ein Schnitzer hat sich eingeschlichen: Vorletzter Absatz - Vangelis ist eine einzelne Person, ein "er", keine "ihr" ... :-) Und absolut ja, "Blade Runner" hat einen grenzgenialen Soundtrack.
Lg, Alex
Mathias Kilian Hanf - 10.01.2011 : 09.55
Da ist mir wohl bei Vangelis ein Fehler unterlaufen. Vielen Dank Alex für die Korrektur und deinen Kommentar. Von den anderen oben erwähnten Bands findest du zum Teil schöne Youtube-Videos.

Musik
Daft Punk - Tron

Behind the Mask

"Wir sind keine Popstars", verkündeten Daft Punk vor über zehn Jahren - und setzten sich Masken auf, um nicht sich, sondern ihre Musik in den Vordergrund zu stellen. Damit erreichten sie erwartungsgemäß genau das Gegenteil.
Mathias Kilian Hanf über die Neubelebung der Pop-Mystik und das imposante neue Album der Roboterfranzosen.  

Musik
Aloe Blacc - Good Things

Kontemporärer Wallstreet Soul

Der Mann mit dem bürgerlichen Namen Egbert Nathaniel Dawkins III besitzt viele Talente, als Sänger und Rapper, als Bassist und Trompeter, als Vollblutmusiker und Lebenskünstler. Aber vor allem eines ist der Kalifornier: ein hervorragender Storyteller.