Musik_Beethovens "Fidelio" an der Wien
Harnoncourts Ostergeschenk
Das Theater an der Wien bestätigte mit dieser Aufführungsserie von Beethovens einziger Oper wieder seinen Ruf als führendes Wiener Opernhaus. Welche Feinheiten Nikolaus Harnoncourt der schwierigen Partitur entlockte und wie er sie gemeinsam mit dem erlesenen Ensemble zum Klingen brachte - das reiht diese "Fidelio"-Produktion zu den besten drei, die der EVOLVER-Klassikexperte je erleben durfte.
25.03.2013
Knapp 208 Jahre nach ihrer Premiere am 20. November 1805 konnte man in einer einzigartigen Aufführungsserie Ludwig van Beethovens einzige Oper am Uraufführungsort - dem Theater an der Wien - erleben. Als Produktions-Team zeichneten Nikolaus Harnoncourt sowie Herbert Föttinger (Schauspieler/Intendant des Theaters in der Josefstadt) für die Neuinterpretation des Werks verantwortlich. Während der Maestro mit seinem Concentus Musicus dem Hörer vorführte, wie man eine geniale Partitur noch interessanter zelebrieren kann, muß sich Föttinger doch ein paar offene Fragen gefallen lassen.
Grundsätzlich war die Regie exzellent bis stellenweise sogar genial und berührend; vor allem, wie Don Pizarro den für Rocco arbeitenden Kapo erschießt und Leonore nach verklungener Musik zu dem Toten geht und ihn in den Armen hält. Auch in Sachen Personenführung war die Aufführung gelungen; daß das Lager zu Francos Regime gehörte, paßt zum Aufführungsort Sevilla. Warum aber plötzlich im Finale der Chor und die Solisten wie auf dem Konzertpodium standen und mit todernstem Gesicht die Freudenmusik singen mußten, warum Don Fernando als Beethoven verkleidet sinnlos herumstand - das kann wohl nicht einmal ein Föttinger hinreichend erklären ... Das Schlußbild als Finale der 9. Beethoven-Symphonie zu interpretieren (Zitat Harnoncourt, aus dem Programmheft) zeigt jedenfalls von erheblicher Einfallslosigkeit.
Musikalisch war die Aufführung eine Sternstunde; angefangen von Juliane Banses berührender und hervorragender (trotz Ansage wegen Luftröhrenentzündung) gesungener und gespielter Leonore über Michael Schades unerwartet gut gesungenen Florestan bis hin zum exzellenten Rocco von Lars Woldt. Anna Prohaska war eine hervorragende Marzelline; warum die Tonträgerindustrie allerdings einen Weltstar aus ihr machen will, ist nicht wirklich begreiflich. Sie ist guter bis sehr guter Durchschnitt, aber sicher nicht mehr. Sängerisch waren Martin Gantner als Pizarro und Gary Magee als Don Fernando die Schwachpunkte der Aufführung: Magee wußte sowieso nicht, was er als Beethoven-Parodie auf der Bühne anfangen sollte, und Gantner fehlte stimmlich und darstellerisch das Dämonische - wirklich schade!
Dafür demonstrierte Harnoncourt den Hörern mit seinem Concentus Musicus, welche Details und Feinheiten in der singulären Partitur stecken. Wieder konnte man hören, wie weit Beethoven als Komponist seiner Zeit voraus war - er war viel eher ein Romantiker wie Brahms und weniger der Klassiker, als der er im allgemeinen angesehen wird. Hörbar wird dies beispielsweise beim Beginn des Quartetts im ersten Akt und zu Beginn des zweiten Aktes (bei der Einleitung zur großen Florestan-Arie). Liebevoll kristallierte der Maestro diese Details mit dem virtuos spielenden Orchester heraus; so hörte man das zitternde Stakkato der Kontrabässe und Celli in der Ouvertüre noch nie so schön. Ähnliches gilt für den rasenden Walzer, den Harnoncourt aus dem Dreiertakt machte, im Mittelteil der Strophen der Rocco-Arie.
Blendet man das Finale regiemäßig aus, so war diese Aufführung einer der musikalischen Spitzenreiter in ganz Österreich und absolut des Uraufführungsortes würdig. Ludwig van hätte sicher seine Freude damit gehabt!
Herbert Hiess
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